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Kultusminister Stoch stimmt Schüler, Lehrer und Eltern auf Schulschließungen ein

STUTTGART. Die Schülerzahlen gehen zurück – viele Schulen mussten deshalb schon schließen. Die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg will nun planerisch eingreifen. Das Versprechen: Es soll pragmatische Lösungen geben.

Will “pragmatische Lösungen” angesichts zurückgehender Schülerzahlen: Andreas Stoch. Foto: SPD-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg

Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hat Schüler, Eltern und Lehrer auf Schulschließungen eingestimmt – einen Kahlschlag soll es aber nicht geben. Stoch sagte im Stuttgarter Landtag in einer Regierungserklärung, die rückläufigen Schülerzahlen führten dazu, dass viele Schulen sehr klein würden und bereits auf kurze Sicht nicht mehr überlebensfähig seien. Um auch künftig überall gute Bildung anbieten zu können, werde die Regierung mit einer regionalen Schulentwicklung eingreifen. Das Ziel von Grün-Rot sei, möglichst im Konsens mit den Schulträgern stabile Lösungen zu entwickeln. Wie viele Schulen von einer Schließung bedroht sind, ließ der SPD-Politiker offen.

Die Opposition warf der grün-roten Regierung vor, mit der Einführung von Gemeinschaftsschulen und der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung bereits Fakten geschaffen zu haben. Das nun von Stoch skizzierte Konzept der regionalen Schulentwicklung komme daher zu spät. FDP-Bildungsexperte Timm Kern kritisierte, Grün-Rot fahre ein bewährtes Schulsystem mit «atemberaubendem Tempo» vor die Wand. Zu Stoch meinte er: «Sie haben heute ein zentrales Schulschließungsprogramm mit Beteiligungs-Feigenblatt vorgelegt.»

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Der Minister erklärte, für weiterführende Schulen werde eine stabile Zweizügigkeit mit einer Mindestschülerzahl angestrebt. In den Eingangsklassen soll es dabei langfristig mindestens 40 Schüler geben. Bei den allgemeinbildenden Gymnasien sollen es bei Neugründungen mindestens 60 Schüler sein. Ausnahmen seien möglich. Ausschlaggebend seien neben der Erreichbarkeit einer Schule auch die angebotenen Bildungsabschlüsse. Die Schulverwaltung behält sich laut Stoch vor, Standorte zu schließen, wenn die vorgeschriebene Mindestgröße in der Eingangsklasse in zwei aufeinanderfolgenden Jahren verfehlt werde.

Der Gemeindetag hatte bereits erklärt, die Mindestschülerzahl von 40 für die Eingangsklassen abzulehnen. «Das tragen wir nicht mit», hatte Gemeindetags-Präsident Roger Kehle bereits am Dienstag angekündigt. Werde diese Zahl angewendet, würden in absehbarer Zeit alle verbliebenen 862 Haupt- und Werkrealschulen geschlossen werden.

CDU-Bildungsexperte Georg Wacker hielt der Landesregierung vor: «Sie versuchen das zu reparieren, was sie selbst angerichtet haben.» Die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung habe das Schulsterben auf dem Land noch beschleunigt. Und auch viele der von Grün-Rot eingeführten Gemeinschaftsschulen wiesen nicht die genannten Mindestschülerzahlen auf, erinnerte Wacker. Von einer ausgewogenen Entwicklungsperspektive aller Schularten könne keine Rede sein.

“Keine Kahlschläge”

Die Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser machte klar, dass es künftig auch kleinere Schulstandorte noch geben werde. Gesucht würden «pragmatische Lösungen». Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Stefan Fulst-Blei, bekräftigte, vor allem auf dem Land werde es «keine Kahlschläge» geben. Er warf der Opposition vor, selbst jahrelang untätig gewesen zu sein. «Wir beenden mit dem heutigen Tag die Vogel-Strauß-Politik der Vorgängerregierung.»

Wie Stoch sagte, sollen Eckpunkte für die regionale Schulentwicklung vor der Sommerpause im Kabinett beschlossen werden. Die Landesregierung gehe davon aus, dass die Zahl der Schüler bis zum Jahr 2025 um knapp ein Fünftel weiter zurückgehen wird. Zudem wechselten immer weniger Schüler auf eine Hauptschule oder eine Werkrealschule. Vor wenigen Jahren habe es noch mehr als 1200 Haupt- und Werkrealschulen gegeben – heute seien es noch 862. Darunter seien 125 Schulen, die im laufenden Schuljahr keine Schüler mehr in der fünften Klasse gemeldet hätten. 224 Schulen hätten in der fünften Klasse Schülerzahlen zwischen einem und 15 Schüler.

Aus Sicht des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) darf Regionale Schulentwicklung nicht auf dem Rücken der Lehrer erfolgen. Die Lehrer, deren Schulen von Schließungen betroffen sind, bräuchten Klarheit über ihre Zukunft, sagte VBE-Landeschef Gerhard Brand. «Schüler gehen auf andere Schulen; Hauptschullehrer ohne Hauptschüler können jedoch nicht so ohne weiteres die Schulart wechseln.»

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erwartet von der Landesregierung ein Konzept für die Lehrer an Haupt- und Werkrealschulen. «Wenn Klassen wegfallen und Schulen geschlossen werden, brauchen die Lehrkräfte eine klare Arbeitsplatzperspektive, einschließlich entsprechender Begleitung, Unterstützung und Aufstiegsmöglichkeiten», sagte GEW-Landeschefin Doro Moritz. An den Haupt-/Werkrealschulen arbeiten laut Moritz etwa 13.000 Lehrer. dpa

(15.5.2013)

Zum Bericht: 100 Tage Kultusminister Andreas Stoch – Bilanz eines Strategen

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