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Mathe-Forscher: Unterricht muss realitätsnah sein – ein Interview

KASSEL. Der Mathematik-Unterricht der Zukunft muss Experten zufolge realitätsnah sein und die Selbstständigkeit der Schüler fördern. «Erklären ist nicht der Schlüssel zum Lernerfolg», sagt Professor Werner Blum von der Universität Kassel. In der Geometrie könne man beispielsweise mit dem Falten von Papier arbeiten. Blum gilt als einer der führenden Mathematik-Didaktiker Deutschlands und gehört zu den Organisatoren des 105. Bundeskongresses des Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts (MNU), der von diesem Donnerstag an in Kassel stattfindet. Erwartet werden fast 1000 Lehrer und Didaktiker. Schüler sollten im Matheunterricht «mehr begründen und weniger rechnen», sagt Blum im Interview.

News4teachers.de: Wie hat sich der Mathematik-Unterricht in den vergangenen Jahren geändert?

Blum: Man weiß mehr über Lehren und Lernen als vor 20 Jahren. Es kann nicht darum gehen, Dinge einzutrichtern. Erklären ist nicht der Schlüssel zum Lernerfolg. Dies ist auch an den Universitäten zunehmend Standard in der Lehrerbildung.

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News4teachers.de: Was ist es dann?

Blum: Die Schüler müssen geistig aktiv sein und es selber versuchen, nur so kann Lernen erfolgreich sein. Der Lehrer hat die Rolle, diese Selbstständigkeit etwa durch Gruppen- oder Partnerarbeit zu fördern und mit behutsamen Hilfen zu begleiten. Zudem muss der Unterricht realitätsnah sein. Mathe ist bisher in weiten Teilen rechnen. Lehrer sollten aber die Schüler mehr begründen und weniger rechnen lassen und den Unterricht methodisch variieren.

News4teachers.de: Und was bedeutet das für die Schüler?

Blum: Für sie wird die Schule anstrengender, sie können nicht mehr so einfach abtauchen oder sich berieseln lassen. Aber dies führt nach allem, was wir wissen, zu besseren und nachhaltigeren Lernerfolgen. Interesse zu wecken ist eine weitere Intention. Wenn die Schüler schon in der Grundschule so unterrichtet werden, merken sie gar nicht, dass sich der Unterricht geändert hat.

Der Satz des Pythagoras ist angeblich nach seinem Entdecker Pythagoras von samos benannt worden. (Illustration: Wikimedia/GFDL)

News4teachers.de: Wie kann ein solcher Unterricht aussehen?

Blum: Zum Satz des Pythagoras können Schüler beispielsweise ein realitätsbezogenes Problem lösen. Wie hoch reicht die Feuerwehrleiter an der Wand? Oder wie weit kann ich von einem Leuchtturm aus schauen? In der Geometrie kann man mit dem Falten von Papier arbeiten, also Mathematik zum Anfassen. Im Kongress werden einige Lehrer solche und andere Best-Practice-Beispiele vorstellen.

Zur Person: Prof. Werner Blum (68) ist Mathematik-Didaktiker an der Universität Kassel und seit dem Winter im Ruhestand. Er ist Berater der Kultusministerkonferenz der Länder in Sachen Bildungsstandards sowie einziges deutsches Mitglied der Expertengruppe Mathematik für die Pisa-Studie. Er ist verheiratet und hat einen Sohn und drei Enkel. Timo Lindemann/dpa

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