BERLIN. Der SPD-Vorsitzende, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, hat sich in die bundesweite Debatte um den Tweet der Schülerin Naina eingeschaltet und sich dafür ausgesprochen, ein Fach “Ökonomische Bildung” fest in Lehrplänen von Schulen zu verankern. Schon vor kurzem hatte Gabriel den Unterricht thematisiert – und ein Fach Programmieren für Grundschüler gefordert.
Zum zehnjährigen Bestehen der Initiative «Wissensfabrik» hob der SPD-Chef am Dienstag das Ziel der 120 angeschlossenen Unternehmen und Stiftungen hervor, wirtschaftliches Denken und Technik-Verständnis zu fördern. Er frage sich, «ob es wirklich so wichtig ist, Latein und Griechisch weiter zu können, oder ob vielleicht Programmiersprache dafür entscheidend ist, dass man die Welt versteht». Gabriel betonte, dass junge Menschen interessiert daran seien, wie Gesellschaft und Wirtschaft funktionieren. Es gehe darum, ihnen objektive Einblicke in die Wirtschaftswelt und einen Austausch mit erfolgreichen Unternehmern und erfahrenen Praktikern zu ermöglichen. „Wir wollen Schülerinnen und Schüler für Unternehmertum und Selbstständigkeit begeistern. So legen wir den Grundstein für eine neue Gründerkultur in Deutschland“, betonte der Wirtschaftsminister.
Eine flächendeckende Einführung des Schulfachs Ökonomische Bildung – wie derzeit in Baden-Württemberg geplant – forderte auch der Vorsitzende des «Wissensfabrik»-Lenkungskreises, Franz Fehrenbach. Die «Wissensfabrik» setze entsprechende Projekte in mehr als 120 Schulen bundesweit um. Der Bosch-Aufsichtsratschef appellierte: «Wir brauchen mehr junge Menschen, die sich für Naturwissenschaften, Technik und Informatik begeistern und damit die anstehende digitale Vernetzung, vor allem die Vernetzung von klassischer Industrie mit Softwaren-Unternehmen vorantreiben.»
„Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‘ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen”, so lautete die Kurznachricht der Gymnasiastin Naina unter @nainablabla vom 10. Januar. Über Nacht kam es zu einer breiten Internetdebatte über den Tweet. „Klar, wir lernen in der Schule wichtige Sachen. Aber niemand bringt uns bei, wie man später auf eigenen Beinen steht”, so legte das Mädchen dann nach. Die Medien nahmen das Interesse der Netzgemeinde zum Anlass, breit über die beiden Stoßseufzer der Jugendlichen zu berichten – und diese zu kommentieren. Deutschland diskutierte plötzlich darüber, wie alltagstauglich Schulen machen sollen.
Auch die Bundesbildungsministerin äußerte sich. «Ich finde es sehr positiv, dass Naina diese Debatte angestoßen hat», sagte Johanna Wanka (CDU) nach Angaben ihres Sprechers in Berlin. «Ich bin dafür, in der Schule stärker Alltagsfähigkeiten zu vermitteln. Es bleibt aber wichtig, Gedichte zu lernen und zu interpretieren.» Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) verwies auf eine Empfehlung der Kultusministerkonferenz (KMK), Verbraucherbildung an Schulen stärker in Lehrplänen zu verankern. «Die Frage ist aber auch: Wie schaffen wir das, ohne dass wir ständig von oben draufsatteln.»
Die «Wissensfabrik» hat nach eigenen Angaben inzwischen 2500 Bildungspartnerschaften mit Kitas und Schulen geschlossen. Insgesamt 700 000 Kinder und Jugendliche hätten so an Projekten der Initiative zu Naturwissenschaften und Technik oder ökonomischer Bildung teilnehmen können, 12 000 Lehrer seien dafür geschult worden. News4teachers / mit Material der dpa
Zum Kommentar: Nainas Tweet löst eine breite Debatte um Bildung aus – leider eine zu flache
