Bis zur Landtagswahl 2017 sind es noch fast zwei Jahre, aber in Nordrhein-Westfalen hat die Opposition schon ihr Kampffeld markiert. Nach der CDU kündigte auch FDP-Chef Christian Lindner zum Ende der Sommerpause an: Bildungspolitik soll ein Kernthema der politischen Auseinandersetzung sein.
Nett wird das nicht für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihr rot-grünes Kabinett. «Wir werden jetzt stärker auf Angriff spielen», unterstrich ein sichtlich gut erholter Lindner am Freitag in Düsseldorf.
Seine Partei gehe nun stabilisiert in die zweite Jahreshälfte. Der 36-jährige Chef der Bundes- und Landespartei sowie der Landtagsfraktion strotzt vor Selbstbewusstsein und hat auch Grund für einen zuversichtlichen Ausblick auf die zweite Hälfte der Legislaturperiode. In diesem Jahr hat seine Partei in jeder Meinungsumfrage zu NRW-Wahlen über der Fünf-Prozent-Hürde gelegen.
Eine guter Zeitpunkt für klare Ansagen: «Die Landesregierung muss gejagt werden mit ihren eigenen Zielen und nicht erfüllten Versprechungen in der Bildungspolitik.» Dort sieht Lindner zahlreiche Kerben, in die er hauen kann: Erst in dieser Woche stellte der Landesrechnungshof (LRH) fest, dass die Mehrzahl der Gymnasien und Realschulen die Pflichtstundenzahl in der Sekundarstufe I unterschritt – teilweise erheblich. Erstaunlich: Das Problem besteht schon seit 30 Jahren und niemand hält das systematisch nach.
Ein peinliches Eigentor schoss zudem die SPD: Erst sinnierte eine Vizevorsitzende der Landtagsfraktion über einen Plan B zum Turbo-Abitur, und nur einen Tag später kassierte der Fraktionschef die schlagzeilenträchtige, aber offensichtlich nicht abgestimmte Idee wieder ein.
«Ein Testballon», vermutet Lindner. Eine Mischung aus Taktik und Verwirrtheit sieht er hinter der SPD-Aktion. Eigentlich wolle Rot-Grün «die innere Vergesamtschulung der Gymnasien». Dabei störe nur noch der achtjährige gymnasiale Bildungsgang (G8). «Rot-Grün hat den Geist aus der Flasche gelassen.»
Als Retter bietet sich die wieder erstarkte FDP genervten Eltern und Lehrern an. Lindner fordert einen «Stärkungspakt für die diskriminierten Schulformen Gymnasium und Realschule». Auch auf die Klagen der Kommunen über die Lasten inklusiven Unterrichts hat der Freidemokrat eine einfache Antwort: Umsetzung nur da, wo die Voraussetzungen sind – am besten in Schwerpunktschulen – ansonsten aussetzen.
«NRW muss den Ehrgeiz haben, an der Spitze der Bundesländer zu stehen, stattdessen werden wir nach hinten weiter durchgereicht», stellt er fest. Rot-Grün arbeite langfristig an einem Einheitsschulsystem. «Bei einem G-9-Gymnasium ginge das rucki zucki, die Schulformen Gymnasium und Gesamtschule zu fusionieren», prognostiziert Lindner. «Denken Sie an meine seherischen Fähigkeiten.» Bettina Grönewald