HEPPENHEIM. Die einst angesehene Odenwaldschule ist erst einmal Geschichte. Und doch glauben die Initiatoren eines neuen Konzepts an einen Neustart des Schulbetriebs. Auch den Gang vor Gericht scheuen sie nicht.
Vor fast vier Monaten haben die Aufsichtsbehörden ein neues Konzept für die insolvente Odenwaldschule abgelehnt. Trotzdem hoffen die Macher dieses Konzepts noch darauf, dass es nach den nächsten Sommerferien mit dem Schuljahr 2016/2017 wieder weitergehen kann.
«Wenn noch ein Jahr gewartet wird, hat man mehr Renovierungsbedarf», sagte die Sprecherin der Initiatorengruppe «Schuldorf Lindenstein», Gaby Magsam. «Es ist auch ein potenzieller Bewerber da.» Für ein Weitermachen sind auch die Insolvenzverwalterin und der Altschülerverein.
Die Behörden hatten die Genehmigung Anfang September versagt, weil sich ihrer Meinung nach auch eine abgespeckte Form der Privatschule langfristig nicht wirtschaftlich trage. Die aus Eltern und Sponsoren bestehende Gruppe legte Widerspruch ein. Auf eine Entscheidung wird noch gewartet. Falls die Behörden bei ihrer Absage bleiben, wollen die Initiatoren auf jeden Fall vor Gericht ziehen, wie Magsam sagt. «Wir sind der Meinung, dass man uns das Recht verwehrt hat.»
Die für ihre Reformpädagogik bekannte Odenwaldschule hatte mit einem 2010 ans Licht gekommenen Missbrauchsskandal jahrelang für Schlagzeilen gesorgt. Die lange zurückliegenden sexuellen Übergriffe waren kurz vor einer Feier zum 100-jährigen Bestehen der Einrichtung ans Licht gekommen. Die Zahl von 132 Opfern gilt als offiziell, ausgegangen wird aber von bis zu 500.
Die Schule meldete aufgrund finanzieller Probleme schließlich Mitte Juni 2015 Insolvenzantrag an. Die wichtige Gruppe der zahlenden Schüler war immer kleiner geworden. Die damalige Leitung machte aber auch Missmanagement in der Vergangenheit für das Dilemma verantwortlich. Das Insolvenzverfahren wurde im August eröffnet.
«Wir stehen immer noch Gewehr bei Fuß», betont Magsam. «Viele von uns würden ihre Kinder in diese Schule schicken.» Dafür gebe es gute Gründe. «Eine Schule wie die Odenwaldschule mit dieser Weltoffenheit und Integration ist einzigartig in Deutschland. So etwas muss erhalten bleiben.»
So sehen es auch der mehr als 700 Mitglieder zählende Altschülerverein der Odenwaldschule sowie Insolvenzverwalterin Sylvia Rhein. «Es gibt Interessenten für die Immobilie, darunter auch solche, die eine Wiederaufnahme eines Schulbetriebs anstreben», teilte die Rechtsanwältin mit. «Die Verhandlungen laufen, konkrete Angebote liegen mir bislang nicht vor. Mit spruchreifen Entscheidungen ist in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.» Der Altschülerverein unterstützt eine Fortführung, «wenn die Schule im Großen und Ganzen das schulische und pädagogische Konzept der Odenwaldschule umsetzt».
Neu aufstellen will und muss sich der Trägerverein der Privatschule, der früher die Fäden in der Hand hielt. «Sein Vereinszweck war die Führung der Schule. Diese Aufgabe ist weggefallen», sagte die Vorsitzende Christiane Streitz. Wie der Verein sein Aufgabenfeld genau verändern will, sei noch zu klären. «Es wäre allerdings schlecht, an vorderer Linie an einer Nachfolge-Schule mitzuarbeiten», meinte Streitz. «Denn der Trägerverein ist dafür verantwortlich gemacht worden, was an der Odenwaldschule schlecht ist.»
Veränderungen gibt es auch bei dem 2010 gegründeten Opferverein «Glasbrechen». Er hört nach Meinungsverschiedenheiten zum Jahresende in seiner bisherigen Form auf. Ein Teil der Mitglieder will 2016 eine andere Opfervertretung gründen. Von Joachim Baier, dpa