Schüler langweilen sich in einem muffigen Klassenraum, der Lehrer hält vor der Tafel Monologe, nach der Pausenglocke öffnen sich die Türen zu langen Fluren. Es gibt sie noch, die «Schulen der Gleichförmigkeit», wie die Experten sagen, die mächtigen Lehranstalten aus wilhelminischer Zeit. Aber eigentlich geht Schule heute anders. Digitalisierung, Demokratieerziehung, Ganztagesangebote, neue Pädagogik, inklusives Lernen lauten die Schlagworte. Und das soll sich in Zukunft beim Bau neuer Schulen in Berlin auch niederschlagen.
Wie das gehen soll, haben rund 70 Experten aus dem Bau- und Bildungsbereich, aus Stiftungen, Behörden und Forschungseinrichtungen in den letzten fünf Monaten zusammengetragen. Der neue, rot-rot-grüne Senat hat um ihre Expertise gebeten, müssen doch in den kommenden Jahren mindestens 40 neue Schulen gebaut werden. Berlin wächst jedes Jahr um 40 000 Menschen, das heißt, eine mittlere Kleinstadt. «Wir werden bis 2024/25 rund 86 000 zusätzliche Schüler haben», verdeutlicht Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die Folgen.
Was die Experten in ihrem am Freitag vorgestellten Bericht nun konzipiert haben, ist nicht weniger als «die beste Schule der Welt», wie es Bildungsforscher Jörg Ramseger von der Freien Universität ausdrückt. Die Berliner Schule der Zukunft besteht aus «Lern- und Teamhäusern», also aus Modulen, in denen Lern-, Aufenthalts- oder Lehrerbereiche offen gestaltet sind und fließend ineinander übergehen.
Klassen heißen dort «Stammgruppen», aus dem Lehrerzimmer wird die «Teamzone», aus dem Kollegium von Lehrkräften und Sozialpädagogen «multiprofessionelle Teams». Dank W-Lan ist selbstredend alles digitalisiert, auch eine Bibliothek mit Büchern soll es geben.

«Es geht darum, Schulen als ganztägigen Lebensort zu begreifen und das architektonisch umzusetzen», erläutert Ramseger, einer der beteiligten Fachleute. Schließlich verbringen Schüler inzwischen die meiste Zeit des Tages in der Schule. Und: «Es geht darum, die Teamschule zu etablieren.» Einzelkämpfer seien heutzutage nicht mehr gefragt. Das sieht auch Scheeres so: «Es geht um Lernschulen und um Teamschulen, das ist das neue.» Kinder und Jugendliche sollten hier zu demokratischen Persönlichkeiten reifen, die sich austauschen und erproben können.
Rainer Schweppe leitet das vom Senat eingesetzte Expertengremium mit dem sperrigen Titel «Facharbeitsgruppe Schulraumqualität». Er spricht von einem bundesweit einmaligen Vorgehen in Berlin. Nirgendwo anders in Deutschland seien so viele unterschiedliche Fachleute an der Konzeption der Schule der Zukunft beteiligt worden. Bedient haben sie sich unter anderem in München, wo ähnliche fortschrittliche Pädagogik- und Baukonzepte seit 2012 angegangen werden. «Es wird familiärer an den Schulen», schildert er erste Erfolge dort. «Es gibt weniger Vandalismus, höhere Abschlussquoten und sinkende Wiederholungsraten.»
Und wann geht es los mit der schönen neuen Schulwelt in Berlin? «Unser Ziel ist, den Schulbau deutlich zu beschleunigen, die Planungs- und Bauzeit zu halbieren», sagt Bausenatorin Kathrin Lompscher (Linke). Schließlich sei der Schulbau «eine herausragende öffentliche Aufgabe», das sei sich die Koalition einig. 30 Grundstücke hat der Senat bereits im Blick, die Gespräche mit den Bezirken laufen.
Bislang dauert es zehn Jahre, bis eine Schule tatsächlich steht. Bei elf geplanten Neubauten sollen nun erstmals beschleunigte Verfahren zum Tragen kommen. Das werden dann zwar noch keine der neuartigen Modulschulen sein. «Aber wenn wir schnell neue Schulen bauen wollen, müssen wir jetzt loslegen», so Scheeres.
Das will Rot-Rot-Grün auch bei der Schulsanierung, denn nicht wenige der mehr als 800 Schulen in Berlin sind marode. Auf 1,5 Milliarden Euro wird der Sanierungsbedarf geschätzt – eine weitere Großbaustelle für die Koalition. Insgesamt stehen für Schulbau- und Schulsanierung in den kommenden Jahren 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Stefan Kruse, dpa
