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Brauchen Lehrer einen „Schul-TÜV“? Eisenmann will ihn abschaffen – grüner Koalitionspartner sperrt sich

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STUTTGART. Sollen Schulen von externen Fachleuten beurteilt werden? Baden-Württembergs Kultusministerin Eisenmann will die für die sogenannte Fremdevaluation abgestellten Lehrer lieber im Unterricht einsetzen – angesichts des zunehmenden Lehrermangels. Sie stößt damit auf Widerstand beim Koalitionspartner. Auch in anderen Bundesländern ist der „Schul-TÜV“ umstritten. Der Verband „lehrer nrw“ beispielsweise hat grundsächliche Bedenken gegenüber dem Instrument.

Unterricht unter der Lupe – notwendig oder sinnlos? Foto: Yohann Legrand / flickr (CC BY-SA 2.0)

Die Grünen im baden-württembergischen Landtag wollen – anders als Ministerin Susanne Eisenmann (CDU) – die sogenannte Fremdevaluation an Schulen beibehalten. „Die Bewertung der Schulen durch externe Lehrer ist ein wichtiger Pfeiler des Bildungsmonitorings“, sagte die Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser in Stuttgart. Die Resultate der Prüfungen böten zusammen mit den Ergebnissen der Vergleichsarbeiten die Basis für eine Qualitätsverbesserung. „Die Analyse der Stärken und Schwächen brauchen wir, um die Qualität des Unterrichts zu verbessern.“ Eisenmann setzt ab kommendem Schuljahr die Fremdevaluation für ein Jahr aus. Damit gewinnt sie 70 Pädagogen für den Unterricht.

Unterstützung bekamen die Grünen von der SPD. Aus Sicht von SPD-Fraktionsvize Stefan Fulst-Blei gefährdet Eisenmann durch die Aussetzung der Fremdevaluation bestehende Strukturen. „Abgeschafft ist immer schnell“, warnte er am Sonntag. „Die empirische Forschung hat belegt: Pädagogische Qualitätssicherung braucht Evaluation. Und die kann man nicht einfach an- und ausschalten.“

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Das einzige Problem mit der Fremdevaluation ist nach Auffassung der Abgeordneten Boser, dass die Schulen mit den Ergebnissen allein gelassen würden. „Sie müsste dabei unterstützt werden, die Schlussfolgerungen zu ziehen und entsprechend umzusetzen.“ Es müsse auch verpflichtende Maßnahmen geben, etwa Fortbildung zu bestimmten Themen wie der Inklusion. Statt einzelner Multiplikatoren sollten ganze Kollegien fortgebildet werden. Boser: „Wenn die Fremdevaluation in der bestehenden Form wegfällt, braucht es auf jeden Fall eine Alternative, die diese auffängt.“

lehrer nrw: Unterrichtsqualität lässt sich weder messen noch standardisieren

Grundsätzliche Bedenken gegen eine Fremdevaluation der Schulen, die in Nordrhein-Westfalen unter dem Namen „Qualitätsanalyse“ läuft, hat der Verband „lehrer nrw“ bereits vor zwei Jahren zu Protokoll gegeben – jedenfalls gegen das im Land praktizierte Modell. Denn die Schulen hätten dabei mit einem enormen bürokratischen Aufwand zu kämpfen. Schulleiter berichteten demnach, dass sie drei bis vier A4-Ordner Datenmaterial für die Qualitätsanalyse zusammenstellen mussten – vom Schulprogramm bis hin zu Konzepten für Sprachförderung, Leistungsbewertung, individuelle Förderung oder Vertretungsunterricht.

Neben diesen praktischen Problemen sei die Qualitätsanalyse auch inhaltlich bedenklich, meint die „lehrer nrw“-Vorsitzende Brigitte Balbach. Denn die Evaluation suggeriere, dass sich Unterrichtsqualität messen, standardisieren und katalogisieren lasse. Das sei falsch. Dieses aus der Wirtschaft entlehnte Verständnis von Qualitätsmanagement lasse sich nicht auf Schulen übertragen, weil Bildungsprozesse viel komplexer und wechselvoller seien als zum Beispiel ein robotergesteuerter Fertigungsablauf in der Industrie, der den immer gleichen Rahmenbedingungen unterliegt. Pädagogisches Handeln stehe vor immer neuen Situationen, die nicht durch standardisierte Methodentechnik beherrschbar seien.

So bestehe die Gefahr, dass die Qualitätsanalyse zum politischen Steuerungsinstrument wird. Denn längst sei an den Schulen bekannt, dass die Prüfer zum Beispiel keinen lehrerzentrierten Unterricht sehen wollen, sondern beispielsweise Gruppenarbeit, selbstgesteuertes Lernen oder Kompetenzorientierung. Das seien Konzepte, die in der Bildungswissenschaft durchaus umstritten seien, die hier aber zum alleinigen Maßstab für Bildungsqualität erhoben würden. „Was die Lehrkräfte angeht: Wir brauchen kein Methodenkorsett, sondern eine Stärkung der pädagogischen Freiheit, die selbstverständlich pädagogische Verantwortung impliziert“, erklärte Balbach seinerzeit. N4t / mit Material der dpa

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