Home Tagesthemen Chemie hautnah: Nobelpreisträgerin wirbt für die Wissenschaft – „do it!“

Chemie hautnah: Nobelpreisträgerin wirbt für die Wissenschaft – „do it!“

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DORTMUND. Wann hat man schon einmal eine Nobelpreisträgerin zu Gast? Kein Wunder also, dass mehr als 950 Interessierte einen Vortrag von Prof. Frances Arnold in der TU Dortmund hören wollten, der im vergangenen Jahr den Nobelpreis für Chemie verleihen worden war. Arnold war für ihren Vortrag extra aus den USA angereist. Am Rande der Veranstaltung gab sie ein Interview.

„Ich züchte Moleküle, Proteine und Enzyme, wie andere Menschen Katzen und Hunde züchten“: Prof. Frances Arnold. Foto: TU Dortmund

Ganz kurz erklärt: Was genau tun Sie als Wissenschaftlerin?

Frances Arnold: Ich züchte Moleküle, Proteine und Enzyme, wie andere Menschen Katzen und Hunde züchten.

Können Sie kurz erklären, was gerichtete Evolution ist?

Frances Arnold: Gerichtete Evolution bedeutet künstliche Selektion bei DNA, die interessante Moleküle wie Proteine kodiert. Ich züchte diese Moleküle, indem ich entscheide, wie man die DNA neu kombiniert, wie man die DNA mutiert, und aus welchen Molekülen anschließend die nächste Generation entsteht.

Wie kann Ihre Forschung für den Alltag genutzt werden?

Frances Arnold: Man kann sie nutzen, um alle möglichen interessanten Probleme in der Chemie zu lösen. Enzyme katalysieren Reaktionen; sie formen Stoffe um. Und das machen sie sauber und nachhaltig. Außerdem verwenden sie billige erneuerbare Ressourcen, um Dinge herzustellen, die wir in unserem Leben nützlich finden. Sie produzieren dabei weniger Abfall und sind energieeffizient. Enzyme bringen auch Vorteile in Waschmitteln: Sie können Flecken auf Kleidung bei niedrigen Temperaturen entfernen. Enzyme werden in der Kosmetik, bei Textilien oder der Herstellung von Wein und Bier verwendet  – Enzyme sind überall!

Wie sind Sie zum Chemieingenieurwesen, Bioingenieurwesen und zur Biochemie gekommen? Was hat Sie ursprünglich daran interessiert und fasziniert?

Frances Arnold: Ich habe dieses Gebiet am Anfang nicht gezielt gewählt, sondern bin über Umwege dazu gekommen. Meinen ersten Abschluss machte ich im Maschinenbau und in der Luft- und Raumfahrttechnik; ich arbeitete nach den Ölpreiskrisen in den 1970er Jahren im Bereich der Solarenergie. Aber die Politik in den Vereinigten Staaten machte die Solarenergie für die Zukunft nicht sehr attraktiv – die republikanische Reagan-Regierung interessierte sich nicht dafür –, also ging ich in die Verfahrenstechnik. Ein glücklicher Zufall, denn das war der Beginn der DNA-Revolution. Ich befasste mich das erste Mal mit Enzymen, als ich 25 oder 26 Jahre alt war, verliebte mich in sie – und beschloss, dass ich Ingenieurin in der biologischen Welt werden wollte.

Können Sie uns verraten, woran Sie im Moment arbeiten?

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Frances Arnold: Zum Beispiel, wie man Enzyme einsetzt, um Reaktionen zu katalysieren, die in der Natur nicht bekannt sind und  die bislang weder ein Mensch noch die biologische Welt auslösen konnten. Ich habe wirklich Spaß daran, Enzyme dazu zu bringen, eine völlig neue Art der Chemie zu betreiben und zu erforschen, wie schnell sie dies erlernen können.

Wenn wir in die Zukunft schauen: Was wird die gerichtete Evolution in fünf oder zehn Jahren leisten können?

Frances Arnold: Ich hoffe, dass die Menschen dadurch neue biologische Verfahren erfinden werden, die toxische chemische Verfahren ersetzen können.

Sie haben bei dem „Science & Entertainment Exchange“ der National Academy of Sciences mitgearbeitet. Worum geht es da?

Frances Arnold: Das ist eine Freiwilligenorganisation. Ich lebe in Los Angeles, dem Zentrum der Unterhaltungsindustrie. Wir möchten, dass Wissenschaft und Wissenschaftler im Entertainment Business realistisch und positiv dargestellt werden. Denn so werden viele Menschen erreicht; das hat einen großen Einfluss auf die Jugend. Wir hoffen, dass die Wissenschaft so dargestellt wird, dass es attraktiv erscheint, sie zu erlernen.

Also ist es so etwas wie ein Beratungsgremium für Filmemacher?

Frances Arnold: Es bietet viele Informationen für Drehbuchautoren. Wenn ein Drehbuchautor zum Beispiel wissen will, ob ein synthetisches Biologieprojekt überhaupt machbar ist, kann er zum Caltech [California Institute of Technology] kommen, mit meinen Doktoranden sprechen und sich ein Bild davon machen, was realistisch erscheint und was in die Märchenwelt gehört.

Sie sind erst die fünfte Frau, die den Nobelpreis für Chemie erhält. Was ist Ihr Ratschlag für junge Frauen, die Forscherinnen werden wollen?

Frances Arnold: Do it!

Zur Person

Für ihre Forschung an gerichteter Evolution erhielt Frances Arnold 2018 den Nobelpreis in Chemie. Sie wurde für ihre Arbeit auf dem Gebiet der Antikörper- und Enzym-Forschung ausgezeichnet. Aus Antikörpern werden Medikamente gegen Krebs oder Autoimmunerkrankungen hergestellt, Enzyme starten und beschleunigen chemische Reaktionen. Sie werden zur Herstellung von Chemikalien jeglicher Art wie Dünger, Biotreibstoffen oder Medikamenten verwendet.

Großer Bahnhof im großen Hörsaal: Foto: TU Dortmund

Die Professorin des California Institute of Technologie referierte zum Thema „Innovation by Evolution: Expanding the Protein Universe“. Mit dem Vortrag wurde eine Vortragsreihe „Initialzündung“ der TU Dortmund eröffnet, in deren Rahmen die Universität renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt nach Dortmund einlädt.

Der Kontakt zu der Professorin für Chemieingenieurwesen, Biochemie und Bio-Ingenieurwesen war über die Fakultät Bio- und Chemieingenieurwesen der TU Dortmund zustande gekommen. So begrüßten neben Prof. Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund, auch Prof. Stephan Lütz, Dekan der Fakultät Bio- und Chemieingenieurwesen, sowie sein Kollege Prof. Andrzej Górak Prof. Frances Arnold.

In ihrem Vortrag erklärte Arnold den Zuschauern im voll besetzten Audimax ihre Forschung: In der gerichteten Evolution wird die DNA von Molekülen wie Enzymen neu kombiniert und die Resultate daraufhin untersucht, ob für den Menschen hilfreiche Effekte entstehen. Arnold optimiert in ihren Laboren Enzyme mit hilfreichen Eigenschaften: „Ich züchte sie, wie andere Leute Hunde oder Rennpferde züchten.“ So konnte Arnold die Leistung von Enzymen verbessern oder Enzyme sogar derart modifizieren, dass sie chemische Reaktionen auslösen oder Stoffe herstellen, die es in der Natur nicht gibt. Der Vorteil dieser Enzyme ist, dass sie sauberer, energieeffizienter und preiswerter sind als herkömmliche chemische Prozesse.

Prof. Arnold brachte den Zuhörerinnen und Zuhörern nicht nur ihre Forschung nahe, sondern erzählte auch Anekdoten aus ihrem Leben. So verriet sie, dass die echten Nobelpreismedaillen den Preisträgern erst kurz vor dem Rückflug in ihre Heimat ausgehändigt werden, da es in der Vergangenheit schon vorgekommen war, dass die Medaillen während der Feierlichkeiten verloren gingen. Die Medaillen, die übergeben werden und auf den Pressefotos zu sehen sind, bestünden in Wirklichkeit aus mit Goldpapier umhüllter Schokolade.

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