STUTTGART. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) steht Forderungen seiner Kultusministerin nach einem bundesweiten Zentralabitur nach eigenem Bekunden „sehr skeptisch“ gegenüber. Er sprach sich am Dienstag in Stuttgart aber dafür aus, gemeinsame Mindeststandards in der Bildungspolitik voranzutreiben. Dies sei Aufgabe der Kultusministerkonferenz. Zuvor hatte Bayern Regierungschef Markus Söder (CSU) Forderungen nach einem Zentralabitur eine klare Absage erteilt. „Ein Zentralabitur wird es auf keinen Fall mit Bayern und der CSU geben“, sagte er.
Söder sprach sich gegenüber der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ ebenfalls gegen einen nationalen Bildungsrat aus, „der nur dazu da ist, quasi alles zu nivellieren, gleich zu machen, der bedeutet, dass Berliner Bildungspolitik quasi eine bayerische sein muss“. Er habe nichts dagegen, wenn andere Bundesländer das bayerische Abiturniveau anstrebten, „nur glaube ich, dass der Sprung sehr hoch ist“.
Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte das Thema einheitliche Standards Anfang Juli aufgebracht (wir berichteten). Sie forderte, dass in Deutschland innerhalb von fünf bis zehn Jahren ein zentrales Abitur eingeführt wird. Am Ende müsse es nicht nur deutschlandweit dieselben Prüfungsaufgaben, sondern auch einheitliche Regeln dafür geben, welche Fächer ins Abitur eingebracht würden. Anja Karliczek (CDU) sagte daraufhin, Eisenmanns Vorstellungen gingen „in die richtige Richtung“.
Andreas Schleicher spricht sich für Zentral-Abi aus
OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher hingegen empfiehlt Deutschland ein Zentralabitur. „Ein Abitur auf Landesebene macht genauso wenig Sinn, wie dass jeder Provinzfürst seine eigene Währung druckt“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Denn am Ende bewerben sich die Schüler um die gleichen Hochschulen und Ausbildungsplätze.“ Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) organisiert unter anderem die internationale Schul-Vergleichsstudie Pisa.
Schleicher sagte, das Zentralabitur sei nicht nur eine Frage von Transparenz und Effizienz, sondern auch eine Frage der Fairness. „Denn unterschiedliche Standards führen bei vergleichbaren Schülerleistungen je nach Wohnsitz heute zu völlig unterschiedlichen Abiturnoten, die wiederum eng mit Zugangsberechtigungen und damit Lebenschancen verknüpft sind.“ Ein Zentralabitur verspreche auch eine verbesserte Qualität bei den Abschlussprüfungen, „denn die Länder können ihre Ressourcen dann gemeinsam für die Entwicklung eines guten Aufgabenpools nutzen“. „Aus Sicht der Schülerinnen und Schüler wäre ein Zentralabitur sicher ein großer Gewinn“, meint Schleicher.
„Südschiene“ ist sich einig
Eine schnelle Lösung wird es bei dem Thema voraussichtlich nicht geben, denn seit Jahren scheiden sich daran schon die Geister – Bildung ist in Deutschland nun mal Ländersache. Wie Kretschmann ankündigte wird das Zentralabitur auch kein Thema sein, wenn die Kabinette von Baden-Württemberg und Bayern am kommenden Dienstag (23.7.) am Bodensee gemeinsam tagen. Auf der Tagesordnung stehen nach seinen Worten die Energiewende, die Verkehrspolitik und andere Themen, die die beiden südlichen Bundesländer gleichermaßen beträfen.
Mit ihrer Absage stellen sich die beiden Bundesländer, die auch als „Südschiene“ bezeichnet werden, gegen Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Sie hatte zuletzt positiv auf die Forderung der baden-württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann nach einem Zentralabitur reagiert. „Die Vergleichbarkeit von Abschlüssen ist wichtig. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit”, hatte Karliczek in einem Zeitungsinterview erklärt. dpa/Agentur für Bildungsjournalismus