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Schulschließungen und die Einstellungen der Gesellschaft – Studie wirft Fragen auf

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KÖLN. Bei der Debatte um Schulschließungen steht nicht allein der Gesundheitsschutz im Mittelpunkt wie eine internationale Studie zeigt, die Genderaspekte in den Blick genommen hat. Gesellschaften, die die Erwerbstätigkeit von Müttern stärker unterstützen, haben demnach Schulen während und nach der ersten Corona-Welle signifikant früher wieder geöffnet.

Mütter übernehmen in der Regel das Homeschooling – notgedrungen. Foto: Shutterstock

Angesichts der Diskussionen im Rahmen der zweiten Corona-Welle mag es fast schon aus dem Blick geraten: Trotz unklarer Erkenntnislage um die Ansteckungsrisiken in der Schule sind für die politisch Verantwortlichen Schulschließungen eigentlich eine verlockende Maßnahme – schnell umsetzbar und ohne sofortige ökonomische Kosten. Die Folgen für Schüler, Familien und Mütter sind allerdings beträchtlich. Dass derartige Überlegungen die Entscheidungen stark beeinflussen, belegt ein internationaler Vergleich von Kölner Sozialforschern.

Zu Beginn der ersten Corona-Welle im Frühjahr wurden die Schulen in fast allen Ländern geschlossen und im April waren weltweit bis zu 90 % der Schüler betroffen. Auch aktuell sind die SARS-Cov-19-Fallzahlen an vielen Orten wieder sehr hoch. Immer mehr Länder haben bereits reagiert und ihre Schulen geschlossen. Auch in Deutschland ist eine heftige Diskussion um Schulschließungen, Wechsel- und Präsenzunterricht im Gang.

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Schon kurzfristig beeinträchtigen Schulschließungen nicht nur Kinder, sondern auch Eltern. Wenn insbesondere kleinere Kinder nicht in der Schule betreut werden, können Eltern nur eingeschränkt oder gar nicht arbeiten. In der Mehrzahl der Fälle übernehmen die Mütter den Hauptteil der zusätzlichen Betreuungsaufgaben. Neben den Kindern selbst sind erwerbstätige Mütter also besonders von Schulschließungen betroffen.

In Ländern, in denen mehr Menschen es für ideal halten, wenn Mütter wenig oder gar nicht arbeiten und sich vor allem um die Kinder kümmern, werden längere Schulschließungen und die zusätzlichen Betreuungsaufgaben für Eltern, und insbesondere Mütter, vermutlich als weniger problematisch empfunden. Auf dieser Vermutung aufbauend, fragten sich der Kölner Soziologe Ansgar Hudde, vom Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) der Uni Köln und seine Kollegin Natalie Nitsche vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung: Hatte der gesellschaftliche Wert von Müttererwerbstätigkeit in einem Land einen Einfluss darauf, wie schnell die Schulen nach dem ersten Lockdown wieder geöffnet wurden? Hierzu analysierten sie Daten aus 35 Ländern.

Das Ergebnis der Studie zeigt: Bei ähnlichen SARS-Cov-19-Infektionsraten und einem ähnlichen Gesamtniveau der Einschränkung des gesellschaftlichen Lebens öffnen die Länder, die eine positivere Einstellung zu Müttererwerbstätigkeit haben, die Schulen schneller. Darüber hinaus zeigte sich ein erheblicher Unterschied zwischen zwei Gruppen von Ländern: In den Ländern mit den positiveren Einstellungen zu arbeitenden Müttern kamen die Kinder typischerweise etwa vier Wochen früher zurück ins Klassenzimmer. Das Forscherteam führte zahlreiche Zusatzanalysen und Modellerweiterungen durch, die zeigen, dass die Ergebnisse robust sind.

Mit ihrer Studie wollen Natalie Nitsche und Ansgar Hudde einen grundsätzlichen Beitrag zur Betrachtung politischer Entscheidungen und gesellschaftlichen Einstellungen leisten. Ein besseres Verständnis von den Faktoren, die zu bestimmten politischen Maßnahmen führen, könne nach ihrer Ansicht aktuell zu einem bewussteren gesellschaftlichen Diskurs beitragen, in dem es darum geht, welche Bereiche – Wirtschaft, Freizeit, Kultur und Bildung – bei Einschränkungen und Lockerungen des gesellschaftlichen Lebens welche Priorität haben sollten. (zab)

Studie: Kinderbetreuung in Corona-Zeiten meist von Müttern geschultert

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