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Bildungsstätte Anne Frank: Prävention an Schulen gegen Antisemitismus – es drängt

FRANKFURT/MAIN. Seit dem Frühjahr 2019 gibt es in Hessen das Programm «Antisemi-Was?», das Schüler und Lehrkräfte für das Thema Antisemitismus sensibilisieren soll. Coronapandemie und Nahostkonflikt haben das Thema noch aktueller gemacht.

Eine Kippa zu tragen, kann (auch) in Deutschland heikel sein. Foto: Shutterstock

Die Coronapandemie hat vieles an den Schulen gebremst oder zum Stillstand gebracht – auch das im Frühjahr 2019 ins Leben gerufene Projekt zu Antisemitismusprävention an hessischen Schulen ist betroffen. Dabei ist es dringender denn je, das Thema an den Schulen zu diskutieren, meint Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, die Partner des Kultusministeriums bei dem Fortbildungsprogramm «Antisemi-Was?» ist. Es soll bei Schülern und Lehrkräften den Blick für antisemitische, rassistische und allgemein menschenfeindliche Tendenzen schärfen. Die Bildungsstätte kooperiert auch mit der Initiative «Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage».

«Das Thema ist durch Corona natürlich nicht verschwunden, im Gegenteil», sagte Mendel. «Durch die Querdenken-Bewegung nehmen die Jugendlichen antisemitische Verschwörungstheorien etwa in sozialen Medien wahr.» Zum anderen hätte in den vergangenen Wochen der jüngste Konflikt im Nahen Osten auch die Diskussionen in Deutschland überschattet. «Das wurde auch hier über Demonstrationen und soziale Medien ausgetragen», sagte Mendel.

«Verheerend, dass das Schulsystem durch Corona nicht in der Lage war, ein differenziertes Bild zu vermitteln»

Gerade muslimische Jugendliche seien dabei oft in Echoräumen gewesen, in denen sie «sehr gefilterte und sehr einseitige Bilder des Konflikts vermittelt bekamen», sagte Mendel über Antisemitismus, der sich als Kritik an Israel tarne. «Da ist es ziemlich verheerend, dass das Schulsystem durch Corona nicht in der Lage war, ein differenziertes Bild zu vermitteln.»

Ein Teil der Arbeit des Präventionsprogramms sei auch in der Pandemie fortgesetzt worden, so Mendel. «Wir haben sehr schnell ins Digitale umgeschaltet, vor allem in der Zusammenarbeit mit Lehrkräften.» Im vergangenen Jahr habe es sieben Lehrerfortbildungen gegeben. «In diesem Jahr haben auch schon fünf Fortbildungen digital stattgefunden, einige weitere sind noch in der Planung», sagte Mendel.

«Die Arbeit mit Schulklassen war deutlich schwieriger.» Zwar habe es auch digitale Unterrichtsangebote gegeben oder Unterrichtseinheiten mit den «Schulen ohne Rassismus» mit etwa 300 Schülern, die digital aus ganz Hessen dabei waren. «Aber das lässt sich natürlich nicht vergleichen mit der Arbeit mit und in der Klasse», betont der Pädagoge.

Denn die Workshops seien so angelegt, dass sie die Jugendlichen auch spielerisch mitnehmen und Mitmachcharakter haben. Die Methoden ließen sich nur teilweise in den digitalen Raum übertragen, wodurch gezwungenermaßen ein großer Teil der Maßnahmen reduziert werden musste, sagt Mendel.

Nun seien auch Präsenzveranstaltungen langsam wieder eine Möglichkeit. «Allerdings stehen die Schulen vor großen Herausforderungen, verlorenen Stoff nachholen zu müssen – und gerade die «soft skills» fallen dann leicht hinunter», fürchtete Mendel. «Wir gehen aber davon aus, dass mit dem neuen Schuljahr im September auch wieder die normale Nachfrage kommt und bereiten uns darauf vor.» dpa

Bildungsstätte Anne Frank

In den Fortbildungen für Lehrkräfte werden Fragestellungen aus der schulischen Praxis thematisiert: “Wie zeigen sich antisemitische Einstellungen bei Jugendlichen heute – und warum? Welche pädagogischen Handlungsstrategien gibt es? Was sind sinnvolle präventive Ansätze? Was ist in konkreten Konfliktsituationen zu tun? Welche Möglichkeiten der Intervention und Nachsorge haben wir in der Bildungsarbeit? Die Fortbildung unterstützt Sie und Ihr Kollegium bei der Entwicklung von Handlungsstrategien gegen Antisemitismus im pädagogischen Raum”, so heißt es.

Das Beratungsangebot unterstützt Kollegien bei der Einschätzung von konkreten antisemitischen Haltungen und Handlungen. “Dabei steht der Schutz der Betroffenen im Vordergrund. Beratungsanlässe können auch sein, wenn sich Fachkräfte gezielte und konkrete Unterstützung, Information und Möglichkeiten der Reflexion wünschen.”

Zu den Workshops für Jugendliche heißt es: “Die Phrase ‘Du Jude’ wird häufig als Schimpfwort benutzt, dabei wissen viele Jugendliche gar nicht, was genau dahinter steckt. Bei diesen Unklarheiten und dem unausgegorenen ‘Alltagswissen’ setzen unsere Workshops an: Was bedeutet eigentlich Antisemitismus? In welchen Codes und Andeutungen wird Antisemitismus heute geäußert? Was hat Antisemitismus möglicherweise mit mir selbst zu tun? Was ist zu tun, wenn sich Judenfeindschaft äußert – auf der Straße, dem Schulhof, im Netz oder in meiner Playlist?

Heutige Formen von Antisemitismus äußern sich oft über Umwege: in geschichtsklitternden Aussagen, im Hass auf Israel, in verkürzter Eliten- und Kapitalismuskritik oder Verschwörungstheorien. Bei der Verbreitung von Ressentiments und Stereotypen spielen auch soziale Medien und die Jugend- und Populärkultur eine zentrale Rolle.”

Hier gibt es weitere Informationen über Angebote der Bildungsstätte Anne Frank.

GEW: Antisemitismus an Schulen nimmt zu – Lehrkräfte brauchen Hilfe

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