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Meinung statt Fakten: Viele Menschen verstehen die Grundlagen der Wissenschaft nicht (äußern sich aber lautstark)

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ERFURT. Ganz klar, totaler Murks: Manche Menschen haben eine sehr eindeutige Meinung zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ihren eigenen Wissensstand schätzen meinungsstarke Leute oft als hoch ein, zeigt eine Analyse. Berechtigt ist diese Einschätzung nicht immer – vor allem Wissenschaftsleugner wissen oftmals wenig über das Sachgebiet, zu dem sie sich äußern. Auch darüber, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überhaupt arbeiten, fehlt es an Verständnis.

Meinungen werden insbesondere in den sozialen Medien stark vertreten – Fakten dringen selten durch. Illustration: Shutterstock

Ob Impfstoffe, Klimakrise oder gentechnisch veränderte Organismen: Manche wissenschaftliche Themen rufen teils gegensätzliche und dabei sehr starke Meinungen hervor. Abgelehnt würden Erkenntnisse aus solchen Forschungsgebieten tendenziell vor allem von Menschen mit eher wenig Fachwissen, bestätigt eine in der Zeitschrift «PLOS Biology» vorgestellte Studie vorherige Analysen. Zudem schätzen demnach eher Menschen mit einer starken Haltung pro oder kontra Wissenschaft ihr eigenes Wissen als sehr hoch ein.

Konkret befragten die Forschenden 2000 britische Erwachsene anhand verschiedener Forschungsthemen im Bereich Genetik über ihre Einstellung zur Wissenschaft und dazu, wie sie ihr eigenes Verständnis beurteilten. Dabei beobachteten sie, dass Befragte mit den ausgeprägtesten Einstellungen – sowohl Befürworter als auch Gegner der Wissenschaft – stärker von ihrem eigenen Wissen überzeugt waren.

Zu den gestellten Richtig/Falsch-Fragen gehörte: «Durch den Verzehr einer gentechnisch veränderten Frucht könnten auch die Gene einer Person verändert werden», «Alle Radioaktivität ist von Menschen gemacht» und «Tomaten enthalten von Natur aus keine Gene, Gene sind nur in gentechnisch veränderten Tomaten zu finden».

«Wir haben festgestellt, dass starke Einstellungen, sowohl für als auch gegen die Wissenschaft, durch ein starkes Selbstvertrauen in das Wissen über die Wissenschaft untermauert werden», sagt Mitautor Laurence Hurst. Das mache psychologisch Sinn, so das Team: Um eine starke Meinung zu haben, müsse man fest an sein Wissen über die grundlegenden Fakten glauben.

«Welche Vorstellungen haben sie darüber, wie wissenschaftliches Wissen generiert wird, wie Wissenschaftler miteinander diskutieren oder wie wissenschaftliche Standards aussehen?»

Tatsächlich vorhanden ist dieses Basiswissen allerdings nicht zwingend: Wie die Analyse bestätigt, verfügen gerade jene, die sich am negativsten zu einem Forschungsbereich äußern, tendenziell über wenig Wissen zum Thema. Den britischen Forschern zufolge ist es zumindest bei den gentechnisch veränderten Organismen nur eine sehr kleine Gruppe von etwa fünf Prozent, die extrem ablehnend eingestellt ist. Grundsätzlich verallgemeinern ließen sich die Ergebnisse nicht, betont das Forscherteam auch. Bei der Evolution zum Beispiel spielten religiöse Einstellungen eine große Rolle, bei der Klimakrise politische Positionen. Wie stark das subjektive Verständnis Anteil habe, sei bei solchen Themen noch zu klären.

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Laut Eva Thomm von der Universität Erfurt bestätigen die aktuellen Befunde die Ergebnisse früherer Studien. «Die Konsequenz einer Überschätzung des eigenen Wissens im Zusammenhang mit einer kritischen Einstellung gegenüber Wissenschaft kann sein, dass man fragwürdigen Informationen aus fragwürdigen Quellen aufliegt», erläuterte die Psychologin in einer unabhängigen Einordnung.

Die von den britischen Forschern gefundenen Zusammenhänge ließen sich zumindest zum Teil auch auf Deutschland übertragen, so Thomm. So habe eine 2019 in «Nature Human Behaviour» veröffentlichte Studie, die sich ebenfalls mit Einstellungen, subjektivem und tatsächlichem Wissen über gentechnisch veränderte Organismen beschäftigte, auch eine deutsche Stichprobe enthalten und sei zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

In einer Analyse, an der Thomm beteiligt war, kamen die Autorinnen und Autoren zu dem Schluss, dass sich Kampagnen im Rahmen von Wissenschaftskommunikation eher darauf konzentrieren sollten, die stille, unsichere Mehrheit zu erreichen – anstatt die laute Minderheit zu überzeugen.

Eine reine Weitergabe von Informationen könne kontraproduktiv sein, hieß es nun auch. «Um die negative Einstellung mancher Menschen gegenüber der Wissenschaft zu überwinden, muss man wahrscheinlich das dekonstruieren, was sie über die Wissenschaft zu wissen glauben, und es durch ein genaueres Verständnis ersetzen», erklärt Anne Ferguson-Smith, Mitautorin der Studie in «PLOS Biology».

Wie Thomm betont, gelte es auch, das Wissenschaftsverständnis von Menschen zu berücksichtigen: «Welche Vorstellungen haben sie darüber, wie wissenschaftliches Wissen generiert wird, wie Wissenschaftler miteinander diskutieren oder wie wissenschaftliche Standards aussehen?» Zu einer angemessen Vorstellung von Wissenschaft gehöre das Wissen über die Unsicherheit wissenschaftlicher Erkenntnisse und über wissenschaftliche Kontroversen.

Das Fehlen solchen Wissens könnte womöglich ein Treiber für die Entwicklung einer ablehnenden Haltung sein. «In der Wissenschaftskommunikation muss es gelingen, derartige Unsicherheiten als Teil wissenschaftlicher Prozesse zu vermitteln, ohne Vertrauenswürdigkeit oder Akzeptanz zu unterlaufen», sagt Thomm. «Widersprüche und Veränderungen lösen vielleicht zunächst Unbehagen aus. Sie sind aber auch Ausdruck davon, dass Wissenschaft funktioniert.» News4teachers / mit Material der dpa

Wut von „Querdenkern“ steigt. Lehrer und Wissenschaftler bekommen das zu spüren

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Pit2020
1 Jahr zuvor

Viele Menschen verstehen die Grundlagen der Wissenschaft nicht (äußern sich aber lautstark) …
Und es werden jährlich täglich stündlich  minütlich mehr …

Man wird es nur schwer ändern können:
Vielen grundsätzlich für Veränderungen offenen Menschen fehlt auch einfach die Zeit, die immer schneller werdenden Entwicklungen (technisch oder wie auch immer) nicht nur wahrnehmen, sondern auch gedanklich verarbeiten bzw. kognitiv durchdringen zu können.

Manche überspringen diese Phase und gehen gleich zur Meinungsbildung über.

Andere „klinken sich aus“.
Gefühlt ist das immerhin eine gute Maßnahme zur Erhaltung der Gesundheit, denn ständiger Stress und Überreizung … dafür ist das menschliche Gehirn nicht gemacht, denn das kommt der Entwicklung von Technik nicht hinterher.
Salopp gesagt, sind unsere Gehirne im Bezug auf Aufbau und weitgehend auch auf Funktionsweise denen unserer Steinzeitvorfahren immer noch sehr ähnlich, auch dazu gibt es etliche Studien, die man sich leicht ergoogeln kann.

Oberstufenschüler
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Nicht jede wissenschaftliche Erkenntnis, oder jeden technischen Fortschritt zu verstehen oder zu durchdringen, ist völlig normal. Niemand ist mehr in der Lage, alles zu wissen oder zu verstehen.
Jedoch ist es ebenfalls eine aktive Entscheidung über Fachbereiche, in welcher man selbst keine Kompetenz hat, zu sprechen. 
Zudem gibt es einen Unterschied zwischen dem bilden einer eigenen Meinung und der Vorstellung, dass die eigene Position so relevant sei, dass man darüber informiert argumentieren könne.
Letzteres hat nichts mehr mit mangelndem Verständnis, sondern viel mehr mit mangelndem Anstand zu tun.

Pit2020
1 Jahr zuvor

@Oberstufenschüler

Das sehe ich auch so.

Ron
1 Jahr zuvor

Meinung statt Fakten

Ich finde es schön, dass Sie das Thema aufgreifen, geht es doch auch um Schule und Studium. Wir haben in meinen Augen verlernt, uns mit verschiedenen Sichtweisen begründet auseinanderzusetzen. „Ob Impfstoffe, Klimakrise oder gentechnisch veränderte Organismen: Manche wissenschaftliche Themen rufen teils gegensätzliche und dabei sehr starke Meinungen hervor.“ Leider kommen diese anderen Meinungen in den Medien vielerorts nicht mehr zur Sprache oder werden maximal verkürzt oder verfälscht dargestellt. Eine Auseinandersetzung findet kaum statt. Gegenpositionen zur gesetzten Haltung werden als lästig empfunden und ausgesperrt. In Talkshows diskutieren dann Menschen, die weitestgehend der gleichen Meinung sind. Dass die Mediennutzer teils ganz anders denken, kommt schlicht nicht mehr vor. Der Arm von Politik und anderen mächtigen Interessenvertretern reicht mittlerweile weit in die Redaktionen hinein. Bei YouTube werden massenweise abweichende Videos gelöscht und Nutzer gesperrt, Twitter hat jahrelang ganze Nutzergruppen unter einem digitalen Schatten versteckt, so dass deren Meinungen für andere Nutzer kaum noch sichtbar waren. Google und Wikipedia tun ähnliches mit anderen Mitteln. Die Folge ist, dass wir sukzessiv Meinungsbildung und Demokratie verlernen. Heute im Schulbuch wird nicht mehr gefragt: „Sollten Wölfe in Deutschland frei leben?“, sondern: „Benenne mit Hilfe des Arbeitsblattes Gründe, warum Wölfe in Deutschland leben sollten.“ Die Manipulation fällt kaum noch jemandem auf.

Last edited 1 Jahr zuvor by Ron
Faktensammler
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Zur Kritik am Begriff der „false balance“:

a) Deutschlandfunk Kultur titelte bereits 2021: „False Balance ist der größte Fehler der Journalisten“
https://www.deutschlandfunkkultur.de/wissenschaft-in-den-medien-false-balance-ist-der-groesste-100.html

b) „Zu den Lieblingsthemen der Medienjournalisten zählen Fake-News, Verschwörungtheorien und “False Balance”, die der Einfachheit halber um dieselbe Diskussion kreisen: Was darf oder muss in die Nachrichten, was gehört gategekeept? Die Argumentationen, die letztlich natürlich immer die Bedeutung des Journalismus herausstellen sollen, stolpern bei diesen drei verwandten Themen über dieselbe Herausforderung: nämlich Fakten und Meinungen zu unterscheiden, sowohl beim Input (Recherche) als auch beim Output (Vermittlung). […]

“False Balance”, zu Deutsch meist “falsche Ausgewogenheit”, ist an sich schon ein sehr ungeeigneter Begriff für die Medienforschung, weshalb in den entsprechenden Theorieaufsätzen (und nachfolgend den empirischen Studien) auch allerhand durcheinanderläuft (vgl. Brüggemann 2021).
https://www.spiegelkritik.de/2021/09/09/false-balance/

c)“Problematisch wird es erst dann, wenn die Medien jegliche kritische Distanz vermissen lassen. Grundsätzlich sollten sie ein möglichst breites Meinungsspektrum abbilden, solange keine juristischen Grenzen überschritten werden.

Gerade in der Politik, besonders aber in der Wissenschaft gilt: Was die Mehrheit für richtig hält, kann sich später als falsch erweisen. Und was gestern eine Minderheitsposition war, kann morgen ein Konsens der Mehrheit sein.

Doch das interessiert viele Anhänger der «false balance»-These nicht.

Was ihre Weltsicht bestätigt, soll zur unumstösslichen Wahrheit erklärt werden, zum ewigen «Konsens». Alles andere gilt es ins Reich der Schwätzer und Menschenfeinde zu verbannen. Ob jemand kompetent ist, spielt dabei keine Rolle. Vielmehr soll der Bann all jene treffen, die als störend empfunden werden.“
https://www.nzz.ch/feuilleton/vorsicht-dieser-text-enthaelt-false-balance-ld.1645567

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Vielen Dank erstmal, dass Sie als Redaktion unterschiedlichen Meinungen einen recht breiten Raum geben. Insofern ist dies ausdrücklich auch keine Kritik an Ihrem Verhalten bzw. Medienangebot.

Aber zur Sache. Heute erschien in der Welt ein Artikel über den scheidenden Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, der sich kritisch über Schulschließungen während der Corona-Pandemie äußerte. „Es gab nie nur die Alternative: Entweder wenige Tote oder Schulen offen halten“, so Wieler. „Der vorhandene Spielraum ist während der ganzen Pandemie nicht ausreichend mit der nötigen Sorgfalt, Ruhe und Sachlichkeit betrachtet worden“, sagte der 61-Jährige.

Hier gibt selbst Herr Wieler zu Protokoll, dass über Alternativen (ob nun sinnvoll oder nicht) kaum gesprochen wurde. Stattdessen durfte der heutige Gesundheitsminister Prof. Lauterbach allein bei Lanz in ca. 50 Sendungen seine – in meinen Augen sehr einseitige Sicht der Dinge – weitestgehend unwidersprochen zum Besten geben. Wissenschaftler mit widersprüchlichen Ansichten kamen in der öffentlichen Diskussion quasi nicht vor und wurden in Foren radikal wegzensiert.

Dies ist nur ein kleines Beispiel dafür, dass wir uns von Wissenschaft und ehrlicher Auseinandersetzung wegbewegen. Hier noch ein Zitat des Redaktionsnetzwerkes Deutschland:

„Jüngst warnte der französische Präsident Emmanuel Macron vor einem linken Dogmatismus, der aus akademischen Kreisen in den USA nach Europa gelange und eine Gefahr für die Meinungsfreiheit darstelle. Auch John McWhorter (55), Professor für Linguistik an der New Yorker Columbia University, sorgt sich um die freie Gesellschaft: „Wir erleben, wie die Freiheit der Kunst und auch die intellektuelle Debattenkultur zunehmend abgelöst werden durch eine quasireligiöse Weltanschauung, in der sich alles um den Kampf gegen Machtstrukturen dreht“, sagte er dem „Spiegel“.“

https://www.rnd.de/kultur/zwischen-cancel-culture-und-schwarz-weiss-denken-von-der-sorge-uber-die-freiheit-des-sagbaren-IMMT5WZU7JA5BFTSJXQVPZH5UM.html

Sternschnuppe
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Der Kampf gegen Machtstrukturen ist etwas anderes als das Leugnen wissenschaftlicher Erkenntnisse. Natürlich setzt sich Wissenschaft kritisch mit eigenen Forschungsergebnissen auseinander und entwickelt sich weiter. Am Beginn von Corona gab es nur ganz wenige Erkenntnisse. Was hätte man denn machen sollen? Wir lassen alles auf und hoffen, dass es gut geht? Deutschland war in keinster Weise auf eine Pandemie vorbereitet. Vielleicht sollte man mal hier ansetzen. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Das ist keine Kunst. Viel wichtiger ist es, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Wissenschaft sollte unabhängiger werden und dafür ist es notwendig, dass der Staat da auch mehr bereit stellt. Pharmakonzerne forschen nur, wenn es sich lohnt und entscheiden damit, wer lebt und wer stirbt. Ein Wissenschaftler hat gar nicht die Möglichkeit, unabhängig zu forschen oder zu entscheiden. Das hat aber alles nichts mit der Leugnung wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse zu tun. Wenn jemand behauptet, Corona gibt es nicht, dann hat das mit Meinungsbildung nichts zu tun.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sternschnuppe

Zitat:“ Am Beginn von Corona gab es nur ganz wenige Erkenntnisse. Was hätte man denn machen sollen? Wir lassen alles auf und hoffen, dass es gut geht? Deutschland war in keinster Weise auf eine Pandemie vorbereitet.“

Da irren Sie sich. Völlig – und auch nicht…denn
wie das so ist mit der Wissenschaft…die Frage ist, wer die verwaltet…ich zitiere im Folgen aus dem Ärzteblatt, das wiederum indirekt eine Bundesdrucksache zitiert ..

Zitat (Quelle folgt unten):

„Hätte man auf solch eine Pandemie, wie sie derzeit die Welt heimsucht, vorbereitet sein können? Sicher nicht umfassend. Bei strukturellen Problemen dagegen, wie beim erschreckenden Mangel an Schutzausrüstungen, sicher besser (Seite 752). Man könnte beschwichtigend argumentieren, es sei schließlich eine Pandemie ungeheuren Ausmaßes, da kann man kaum vorbereitet sein. Ja, könnte. Wenn es nicht den „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“ gäbe. Diese Drucksache (17/12051) des Deutschen Bundestages stammt vom 3. Januar 2013. Sie erreichte die Bundestagsabgeordneten, Ministerien und die Länder. Das Papier aus dem Bundesinnenministerium enthält das Szenario „Pandemie durch Virus Modi-Sars“. Beschrieben wird ein außergewöhnliches Seuchengeschehen, das auf der „Verbreitung eines neuartigen Erregers basiert“. Dafür habe man einen hypothetischen, aber durchaus mit realistischen Eigenschaften versehenen Erreger „Modi-SARS“ zugrunde gelegt, da bereits 2003 die natürliche Variante unterschiedliche Gesundheitssysteme an ihre Grenzen gebracht habe. Die fachliche Federführung der Analyse hatte das Robert Koch-Institut.

Die weitere Lektüre ist unheimlich. Man schaut mehrfach ungläubig auf das Datum, das sieben Jahre zurückliegt. Denn die Ähnlichkeiten mit der Coronakrise sind verblüffend: Ein neues Virus verbreitet sich weltweit von einem Markt in Asien. Erst einige Wochen später wird die Dimension erkannt, als die Krankheit nach Europa kommt. Als Symptome werden trockener Husten, Fieber, Schüttelfrost und Atemnot genannt. Die besonderen Risikogruppen seien ältere Menschen. Gegenmaßnahmen sollten der Analyse zufolge Schulschließungen, Absage von Großveranstaltungen, Isolierung Kranker, Quarantäne von Kontaktpersonen und die Verlangsamung des öffentlichen Lebens sein. Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit könnten eingeschränkt werden. Die medizinische Versorgung bricht dem Bericht zufolge angesichts von sechs Millionen Erkrankten zusammen. Es entstehen Engpässe bei Arzneimitteln, Medizinprodukten, persönlichen Schutzausrüstungen und Desinfektionsmitteln. Die weiteren genannten Konsequenzen bleiben bei der derzeitigen Sachlage hoffentlich ein Schreckensszenario: Die Pandemie dauert drei Jahre und fordert 7,5 Millionen Tote in Deutschland. Mit diesem Drehbuch einer Pandemieentwicklung sollte man eigentlich vorbereitet sein. Dass gerade Schutzausrüstung in ausreichendem Maß vorhanden sein muss, wird mehrfach betont. Die aktuelle Situation sieht aus, als hätte niemand die Drucksache genau gelesen. “

Zitat Ende.
Quelle:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/213477/Pandemie-Eine-schnoede-Drucksache

Sternschnuppe
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

Hypothetisch vorbereitet zu sein und tatsächlicher Zustand sind verschiedene Schuhe. Ich habe mich bezogen auf keine Schutzausrüstung vorhanden, Gesundheitsämter, die überfordert waren, fehlende Digitalisierung und ein kaputt gespartes Gesundheitssystem. Ein grundsätzliches Problem der Politik. Immer nur reden, gehandelt wird aber nicht. Ansonsten gebe ich Ihnen Recht.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Redaktion: „Was ist denn eine „gesetzte Haltung“? Wer „setzt“ denn die Wissenschaft?“

Selbstverständlich wird Forschung massiv in ihrer Freiheit beeinflusst. Dies geschieht z.B. durch Forschungsgelder, durch Publikationsmöglichkeiten oder durch Beförderungsoptionen. Versuchen Sie einmal, Unterstützung und Öffentlichkeit für eine Klimastudie zu bekommen, in der Sie infrage stellen, dass nur der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist. Aussichtslos.

Dirk Z
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

@Redaktion: Ich habe bei Ihnen und vielen anderen den Eindruck, dass Se die wissenschaftlichen Erkenntnisse als gesetzt sehen, den man nicht widersprechen darf. Am Beispiel der jetzt auslaufenden Coronapandemien wird doch allmählich deutlich, dass die Gesamtzusammenhänge weitaus komplexer sind als wissenschaftliche Studien belegen wollen und es daraus schwierig ist, in allen Belangen wirksame Massnahmen abzuleiten selbst wenn einzelne Untersuchungen handwerklich korrekt gemacht wurden. Um bei Ihren Beispiel zu bleiben für eine Studie die beweisen soll, dass die Erde eine Scheibe ist: Natürlich wissen wir dass es in diesem Fall bemerkenswert wäre für eine Studie Geld auszugeben aber zumindestens muss man sich Leute anhören um abschätzen zu können, ob das nicht doch irgendwie sein kann oder absurd ist. Und bei der auslaufenden Coronapandemie sehe ich den letzten wissenschaftlichen Stand noch längst nicht erreicht, weshalb auch die meinungsgetriebene Ansicht hier noch sehr wichtig ist die ich als Baustein bzw. Anregung halte, das durch Studien zu belegen oder zu widersprechen.

DerDip
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Die Form der Erde und die Ursachen des Klimawandels sind aber zwei unterschiedlich komplexe Sachverhalte. Um zu Beweisen, dass die Erde keine Scheibe ist, braucht es nur ein Studie, die ein einziges Experiment durchführt. Offenbar ist dies beim Klimawandel nicht so einfach, wenn ständig weiter geforscht wird.

Und sie als Redaktion begehen den gleichen Fehler, der in dem aktuellen Artikel thematisiert wird. Ich nehme Mal an, dass es bei Ihnen in der Redaktion keinen Klimawissenschaftler gibt, der die Studien auf der notwendigen Ebene versteht. Trotzdem verbreiten Sie lautstark ihre Meinung dazu. Bravo.

DerDip
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Solche Metastudien führen nicht zum Nachweis wissenschaftlicher Fakten sondern stellen letztlich nur den aktuellen Forschungsstand dar, der aber im konkreten Fall nicht abschließend geklärt ist.

Ich gebe Ihnen ein paar weitere Beispiele:

Erstes Beispiel:
In den 90ern wurde auf Grundlage vieler Wissenschaftlichen Studien prognostiziert, dass die fossilen Energien nur noch für 20 Jahre reichen. Dies stand in allen Zeitungen und würde in der Schule so gelehrt. Und nun, 30 Jahre später, wird so viel an fossilen Energien gefördert wir nie zuvor.

Zweites Beispiel:
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde in vielen Ländern die Rassenlehre als „Wissenschaft“ betrachtet an der zahlreiche Wissenschaftler geforscht haben und Paper veröffentlicht hatten. Die Ergebnisse wurden anschließen von der Politik zu eigenen Zwecken verwendet, nicht nur in D..

Soviel zu „die meisten Wissenschaftler“ sind dieser oder jener Meinung. Ron hat schon Recht darin, dass die wissenschaftliche Forschung vom jeweiligen Zeitgeist geprägt ist. Es ist daher immer nötig, sich vom aktuellen Zeitgeist zu lösen, um solche Zusammenhänge zu bewerten. Zudem lassen sich schlechte Nachrichten nun Mal immer besser verkaufen als gute.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Da können Sie so viel gegen Zeitungen (NZZ böse, klar, ist ja nur ne international zitierte große Schweizer Zeitung 🙂 – bis vor kurzem auch gerne vom ÖRR, btw.) oder Kommentatoren austeilen:

Die Wissenschaft hat sich (Beispiel: Fossile Rohstoffe, Peak oil usw.) halt gerade im , nennen wir es Mal „Umweltbereich“ (und natürlich anderswo) schlicht massiv geirrt.
Um dem Zeitgeist zu gefallen.
Gestern „Querdenker, der nicht an Peak oil-These glaubt“, heute halt im Recht gewesen.
Das passt Ihnen nur nicht.

Wissenschaft ist schlicht ein nährungsweise arbeitendes System zur Produktion von Wahrheiten.

Oft liegt sie richtig, oft verbessert sie massiv das Leben der Menschen.
Nicht ganz so oft liegt sie auch voll daneben.

Und genau darum kann sie die tiefe, letztlich quasi-religiöse Sehnsucht des dummen Gebildeten („Fooooloooo ze sai-äz!“, heute wie vor 100 Jahren) nicht erfüllen:
Reine Lehren, befolgbare Rezepte zu liefern.

Denn immer erst hinterher ist „man“ schlauer.
Ein Blick in die Welt der hier gelegentlich aufgeführten „Bildungsexperten“-Empfehlungen zeigt das ausreichend.

Was die schreiben ist auch Wissenschaft. Nach allen Regeln der Kunst, mit Zitate und alles und so. 🙂

Die große Stärke der Wissenschaft ist die, das es schlicht keine Alternative zu ihr gibt: Drei Schritte vor, zwei zurück.
Beim Vodoo-Tanz bleibt man auf der Stelle oder dreht sich im Kreis.

Last edited 1 Jahr zuvor by 447
Finagle
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerDip

„Um zu Beweisen, dass die Erde keine Scheibe ist, braucht es nur ein Studie, die ein einziges Experiment durchführt.“

Ohne Sie angreifen zu wollen, aber Sie sind offenbar noch nie in eine Diskussion mit einem ernsthaften Flacherdler gerade. Sie wären überrascht, wie kongruent deren Argumentslinie zu der von ihnen vorgetragenen ist. 🙂

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

„Sie werden auch keine Forschungsgelder für eine Studie bekommen, die nachzuweisen sucht, dass die Erde eine Scheibe ist. Wer soll diese Gelder denn aufwenden?“

Terry Pratchett – ist doch klar 😉

Ich konnt’s mir nicht verkneifen. (Ich weiß auch, dass er bereits verstorben ist – also braucht’s keine diesbezüglichen Kommentare.)

Generell aber ist doch ein Problem – der Geldgeber einer Studie kann diese doch bei unerwünschtem Ergebnis … nun, es gibt Schubladen. Der Bekanntheitsgrad ist groß oder klein.

Ich glaube, die allermeisten hier mussten selbstverständlich wissenschaftliche Arbeiten erstellen. Viele der Ergebnisse basierten auf Interpretationen.

Die Psychologie sagt von sich selbst, sie sei keine exakte Wissenschaft….

Und haben wir nicht gerade während Corona erleben müssen, dass – auch von Wissenschaftlern – Ergebnisse zu unterschiedlichen Auslegungen führten?

… auf dem Weg zur Verschwörung …. ? 😉

Das bedeutet nicht, dass „Meinung“ oder „keine Ahnung, aber ich sag mal was dazu“ n o c h mehr in den Vordergrund rücken dürfen. Im Gegenteil!

DerDip
1 Jahr zuvor

Was im Titel steht entspricht auch Meiner Wahrnehmung. Nehmen wir ein konkretes Beispiel aus der Corona Zeit: Über einen langen Zeitraum wurde von Seiten der Politik, vieler Medien und vieler Menschen behauptet, dass eine Impfung gegen Corona andere Menschen vor Infektionen schützt, obwohl es bis heute keine einzige Studie gibt, die dies belegt. Auf Basis solcher Lautstark vertretenen Meinungen wurden anschließend Regelungen erlassen, bei denen Nicht-Geimpfte aus dem sozialen Leben ausgeschlossen wurden.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerDip

Leider wissenschaftlich unpräzise, was Sie bzw. wie Sie es sagen: Fremdschutz durch nicht-steril-immunisierende Impfung ist gegeben, nicht absolut jedoch durchaus relativ, etwa durch reduzierte Ausscheidungsdauer oder/und -intensitäten. Es geht um Wahrscheinlichkeiten im Rahmen von Populationsbetrachtungen, nicht um das einzelne Ja oder Nein.

DerDip
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Da stimme ich Ihnen zu. Es geht um Wahrscheinlichkeiten in bestimmten Zeiträumen unter gewissen Bedingungen. Dieser „gewisse“ Fremdschutz ist durch Impfungen und Infektionen gegeben. Mir geht es aber darum, was und wie Meinungsführer in Politik und Medien sagten und dadurch auch viele Menschen im konkreten Fall glaubten.

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Mindestens 5 :)ler; setzen 1 mit Sternchen

Steve
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Es wurde mehrfach von verantwortlichen Personen aus Politik und Wissenschaft behauptet, „Geimpfte tragen nicht mehr zum Infektionsgeschehen bei“ und „Durchbruchsinfektionen sind selten“. Diese Behauptungen waren ohne wissenschaftliche Evidenz, sondern Wunschdenken, unter der Annahme, durch die Impfung könnte eine sterile Immunität erreicht werden. Im ersten Impfjahr wurde noch von Herdenimmunität gesprochen, diese ist aber nur mit einer sterilen Immunität erreichbar.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Steve

Es ging darum: „dass eine Impfung gegen Corona andere Menschen vor Infektionen schützt, obwohl es bis heute keine einzige Studie gibt, die dies belegt“ und dies ist nicht präzise.
Ebenso unpräzise waren Ansagen hinsichtlich steriler Immunität durch Impfung, richtig.

Canishine
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerDip

Was im Titel steht entspricht tatsächlich auch meiner Wahrnehmung.

PaPo
1 Jahr zuvor

Ich plädiere bereits ja seit Ewigkeiten für ein Mehr an Wissenschaftspropädeutik mit Beginn des Besuchs der weiterführenden Schulen, um ein hinreichendes Wissenschaftsverständnis gesamtgesellschaftlich zu etablieren. Also „die Hinführung zu wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen, zu Methoden des Erkenntnisgewinns und allgemein zu Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorien“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Prop%C3%A4deutik#Wissenschaftsprop%C3%A4deutik).
Also u.a. die Heranführung bzw. Vermittlung von kritisch-rationalem (intersubjektivierbarem) Denken auf Grundlage von Hermeneutik, Heuristik und Empirie, auch disziplinspezifisch, also im Grunde die Aufklärung gegen unsubstantiierte ad hoc Meinungen auf Grundlage von Emotionen, Gefühligkeit, unkritisch-affirmativer Reproduktion u.ä. – da greifen die Fächer auch im Idealfall ineinander, wird bspw. in Mathe Stochastik vermittelt, betrachtet man in Sozialwissenschaften die (darauf basierenden) Methoden und Techniken empirischer Forschung, appliziert man das ganze beim naturwissenschaftlichen Experiment etc.
Kann man nicht früh genug mit anfangen, sollte viel mehr in den Fokus rücken und schulformübergreifend stattfinden, dann hätten wir mglw. auch ein viel kleineres Schwurblerproblem, als es der Fall ist. Komplementär dazu die Vermittlung (philosophisch) logischen Denkens, z.B. was Bias ist, was logische Fehlschlüsse (https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_fallacies) sind und wie dies zu vermeiden ist, um u.a. eine entsprechende Selbstreflexivität, argumentative Fundierung in tatsächlichen Fakten und letztlich auch Diskursfähigkeit zu erlangen.

Während dies aber immer noch Wunschdenken ist, finde ich es extrem bedrückend, dass auch Akademiker oftmals „die Grundlagen der Wissenschaft“ nicht (hinreichend) zu verstehen scheinen:
Dies ist eine Erklärung für das Problem der (in einigen Disziplinen) zunehmenden Ideologisierung auch fachwissenschaftlicher Kreise und Diskurse. Passend dazu und zum zum Thema des Artikels darf hier auf eine Studie der OECD verwiesen werden, die indiziert: „Hochschulbildung befähigt nur begrenz zu kritischem Denken“ (so DER SPIEGEL: https://www.spiegel.de/start/kritisches-denken-im-studium-lernen-oecd-studie-findet-nur-begrenzte-effekte-a-748079d5-ed47-4c16-95bb-2f54157f8b56); hier die Studie im Original: https://www.oecd.org/publications/does-higher-education-teach-students-to-think-critically-cc9fa6aa-en.htm. Das verwundert mich persönlich wenig, auch abseits der ganzen „‚me‘ studies“ – ich habe hier vor einiger Zeit bereits für ein Studium generale plädiert (https://www.news4teachers.de/2022/05/die-kluft-zwischen-universitaet-und-schule-ist-zu-gross-warum-sich-ein-lehramtsstudent-schlecht-ausgebildet-fuehlt/#comment-447015), ursprgl. für Lehramtstudenten (und ich finde es immer weider erstaunlich, wenn ich – mit einiger Regelmäßigkeit – von seiten studierter Lehrer selbst lesen muss, dass sie die wissenschaftlichen Anteile des Lehramtstudiums bitte reduziert werden sollten),

Ich möchte dies aber disziplinübergreifend verstanden wissen. Mir fällt es nach wie vor schwer, in einem Akademiker auch einen Akdemiker zu sehen, wenn es u.a. an Grundlagen der Methoden und Techniken wissenschaftlichen Arbeitens, von der Empirie bis zur Heuristik, an Grundlagen der Wissenschaftsphilosophie und an profunden Kenntnissen der Problematik logischer Fehlschlüsse mangelt oder gar gänzlich fehlt. Auch in Diskussionen mit diversen Akademikern, vornehmlich denjenigen, mit überdeutlicher ideologischer Prägung, beobachte ich regelmäßig argumentatives Totalversagen, das etliche logische Fehlschlüsse bedient… und es nicht bemerkt (sonst wären die entsprechenden Personen wohl auch keine Ideologen). Ich könnte jetzt viel über kognitive Dissonanz, entsprechende Vermeidungsstrategien u.ä. philosophieren, würde aber wieder abschweifen…

Das soll auhc nicht überheblich klingen oder als wäre dies die Mehrzahl der Akademiker, das Gegenteil dürfte (hoffentlich) der Fall sein, es sind nur, wie so häufig im öffentlichen Diskurs, die besonders lautstarken.

DerDip
1 Jahr zuvor
Antwortet  PaPo

Sehr gute Argumention. Sie erwähnen ja die Grundlagen, u.a. Stochastik. Im Alltag treffen Sie aber auf viele Meinungsführer, die mit „der Wissenschaft“ argumentieren und auf verkürzte Darstellungen irgendwelcher Modelle oder Prognosen verweisen aber nicht einmal in der Lage sind zu erklären, was ein Erwartungswert oder eine Varianz sind. Wer fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten in der Stochastik nicht besitzt ist nicht in der Lage wissenschaftliche Aussage zu verstehen. Diese Menschen haben also einfach nur „eine Meinung“.

potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  PaPo

Eine kleine Ergänzung noch: (wissenschaftliches) Denken sollte nicht erst mit Beginn der weiterführenden Studien angebahnt werden. Damit kann man schon bei den ganz Kleinen anfangen. Das typische WARUM- Alter liegt bei ca. 3 Jahren. Allerdings ist mir in den letzten Jahren aufgefallen, dass immer weniger Kinder fragen. Liegt es daran, dass sie immer öfter keine Antworten bekommen und stattdessen mit Medien ruhiggestellt werden?. Die Eltern sind oft so mit ihrem Smartphone beschäftigt, dass Kinderfragen nur stören. Zumindest beobachte ich das in den Öffis und auf Spielplätzen oft. Früher haben Eltern noch mit ihren Kindern gesprochen und ihnen verschiedene Sachen erklärt. Heute ist das auffällig selten geworden.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

„Allerdings ist mir in den letzten Jahren aufgefallen, dass immer weniger Kinder fragen. Liegt es daran, dass sie immer öfter keine Antworten bekommen und stattdessen mit Medien ruhiggestellt werden?. Die Eltern sind oft so mit ihrem Smartphone beschäftigt, dass Kinderfragen nur stören.“

Ein völlig unwissenschaftliches großes JA!

Alx
1 Jahr zuvor

Schön und gut.
Damit ist gezeigt, dass Menschen die besonders Laut tönen oft nicht die hellsten Kerzen am Kronleuchter sind.

Welche Folgen hat diese Studie jetzt?

Werden Studienergebnisse jetzt nicht mehr auf plakative Schlagzeilen verkürzt um die Klickzahlen zu erhöhen?

Dürfen Menschen sich trotzdem noch eine andere Meinung bilden, selbst wenn sie aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht?

Bekommen wir einen Erklärbär, der wissenschaftliche Standards vor den Tagesthemen erklärt?

Gibt es jetzt die Möglichkeit für interessierte Personen, wissenschaftliche Veröffentlichungen kostenfrei einsehen zu können?

Und wer kann mich bezüglich dieser Richtig/Falsch-Frage fundiert aufklären:
„Durch den Verzehr einer gentechnisch veränderten Frucht könnten auch die Gene einer Person verändert werden“?

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alx

Und wer kann mich bezüglich dieser Richtig/Falsch-Frage fundiert aufklären:
„„Durch den Verzehr einer gentechnisch veränderten Frucht könnten auch die Gene einer Person verändert werden“?“

Ich! Ich muss nur noch ein paar Annahmen treffen, die aus der Fragestellung heraus zu Spekulationen aufrufen.

Frucht – gegessen von Schimpansen – keine Veränderung der Gene (irgendeiner) Person.

Frucht – gegessen von meiner Katze – s.o.

Frucht – gegessen von Klaus – keine Veränderung der Gene bei Peter und Doris.

Frucht – gefessen von Sabine – keine Veränderung der Gene bei Sabine, obwohl ihr nachher sehr schlecht wurde, als sie herausfand, dass das Ding gentechnisch verändert wurde.

Frucht – ….. – dürfen schon Tests an Personen vorgenommen werden?

Die Antwort lautet also: Jein! 😉

Ich konnt’s mir nicht verkneifen 😉

Alx
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Ich hätte angenommen dass alleine aufgrund der Epigenetik der Verzehr zu einer Veränderung des Erbgutes führt, da bekannt ist, dass der Ernährungsstil die DNA epigenetisch so verändert, dass z.B. Stoffwechsel-Erkrankungen darüber vererbt werden können.

Desweiteren besteht die Möglichkeit dass es Veränderungen des Erbgutes und Beeinträchtigung der Gesundheit gibt. Wozu sollte ich sonst Tierversuche benötigen?

Es wird weder erwähnt, was für eine gentechnische Veränderung an der Frucht stattgefunden hat, noch wo und unter welchen Bedingungen.

Es wird auch nicht beschrieben wie die DNA verändert wird.

Die Frage lautet: könnten die Gene durch den Verzehr verändert werden?

Ich denke es könnte definitiv.

Und damit ist immer noch offen ob richtig oder falsch.

Last edited 1 Jahr zuvor by Alx
potschemutschka
1 Jahr zuvor

„Viele Menschen verstehen die Grundlagen der Wissenschaft nicht“ – und da ist es die echte Aufgabe der Schulen, eine fundierte Allgemeinbildung zu schaffen und Grundlagen für wissenschaftliches Denken zu legen. Das ist Bildung und Hauptaufgabe der Schule.

Sabine2015
1 Jahr zuvor

Die Wissenschaft spricht häufig nicht nur mit einer Stmme.Gerade im Bereich der Pädagogik gibt es viele „wissenschaftliche“ Befunde, die sich widersprechen oder für Reformen sorgen, die erst durch die Praxis widerlegt werden – also erst dann, wenn das Unheil bereits angerichtet ist.
Als nicht mehr ganz junge Lehrerin habe ich darum gelernt, neuste wissenschaftliche Erkenntnisse mit Vorsicht zu genießen, wenn sie mit meinen Praxiserfahrungen, die ich nur als „Meinung“ vortragen kann, nicht übereinstimmen.

Ich würde deswegen davor warnen, Wissenschaft und Meinung gegeneinander auszuspielen. Im Namen der Wissenschaft werden nämlich auch richtige und gut begründete Meinungen allzu oft durch Diffamierung als „wissenschaftsfeindlich“ erschlagen.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

So einfach ist das nicht. „Richtig“ und „falsch“ wird gar nicht mehr feststellbar im Disput der politiknahen Bildungswissenschaft.
Frau Allmendinger hat als Soziologin ein Buch zur Schule geschrieben mit dem entschiedenen Tenor, das dreigliedrige Schulsystem gehöre abgeschafft. Ist das nun Wissenschaft oder Meinung? Ich denke, es ist ihre Meinung unter dem Deckmantel der Wissenschaft, aber wahr wird die auch nicht dadurch, dass sie eine Direktorin eines größeren Instituts ist. Die prominenten Empiriker und PISA-Experten wie Köller oder Baumert haben immer wieder betont, es gebe keine empirischen Beweise, dass das längere gemeinsame Lernen zu besseren Ergebnissen führt als das herkömmliche deutsche System. Das Gegenteil sei allerdings auch nicht erwiesen. Man schaue nur ins benachbarte Ausland, wo man auch nur „mit Wasser kocht“ trotz des bereits realisierten längeren gemeinsamen Lernens.

Sie vergessen, dass in vielen Bereichen Wissenschaftler und wissenschaftliche Ergebnisse im Spannungsfeld politischer oder auch wirtschaftlicher Interessen stehen. „Wes‘ Brot ich ess, des‘ Lied ich pfeif'“, so sagt der Volksmund schon lange. Ich sehe keinen Anlass anzunehmen, dass Sabine2015 dies nicht verstanden hat. Dass so genannte wissenschaftliche Ergebnisse auch für Schulreformen gesorgt haben, die ein Flop waren, das dürfte doch gar nicht zu leugnen sein. Daher ist Vorsicht angesagt. Haben Sie nie eine Tendenz beobachtet, dass niemand bereit ist, Fehler zuzugeben? Stattdessen mündet das dann nicht selten in einen verbissenen Glaubenskrieg, der nicht mehr wissenschaftlich entschieden werden kann. Ich zähle dazu z.B. die Frage, ob eine große Heterogenität in Schulklassen nun lernförderlich oder -hinderlich ist.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

In der Naturwissenschaft (auch der Klimawandel gehört ja dazu) ist das anders als in der Pädagogik oder Bildungswissenschaft, wo es gar keine objektive Wahrheit gibt. Sie sehen doch an den Produkten der StäWiKo, dass diese Wissenschaft von der Politik stark beeinflusst ist. Was wahr ist, wird von den parteinahen Stiftungen unterschiedlich beurteilt, je nach politischer Couleur. Jeder hat seine Hauswissenschaftler, die Gründe für den einen oder anderen Standpunkt vorbringen können, wenn Sie die Gründe für den jeweils anderen Standpunkt ignorieren oder relativieren. Die vielfach reproduzierte Aussage „in kaum einem anderen Land ist die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der Herkunft so stark wie in Deutschland“ basiert auf PISA-Zahlen, dass in D ca. 13 % der Leistungsunterschiede auf die Herkunft zurückgeführt werden können, im OECD-Durchschnitt aber nur ca. 10-11 %. dieser winzige Unterschied wird derart aufgebauscht. In Frankreich waren es 16 %, aber das nahm in der veröffentlichten Meinung niemand zur Kenntnis.
Ich bin kein Fan von Precht, aber in seinem Buch „Die vierte Gewalt“ beschreibt er ganz gut die Einseitigkeit der veröffentlichten Meinung (oft unter Berufung auf „die Wissenschaft“), was gerade Journalisten mal lesen sollten. Sie als Redaktion sind von Precht mit gemeint, alle anderen Medien natürlich auch.

Gerd Möller
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

@ Carsten60:
Sie schreiben u.a.:
In der Naturwissenschaft (auch der Klimawandel gehört ja dazu) ist das anders als in der Pädagogik oder Bildungswissenschaft, wo es gar keine objektive Wahrheit gibt.“

Kann es in empirischen Wissenschaften (dazu gehören auch die Naturwissenschaften) denn überhaupt objektive Wahrheiten geben. Meine Antwort: Nein. Sinn der empirischen Wissenschaften kann folglich nur eine Annäherung an die Wahrheit sein. Das gilt auch für die Bildungsforschung, zu der es keine Wissen-Alternative gibt.

Im Zuge der „empirischen Wende“ in der Bildungspolitik und Bildungsplanung nach den für Deutschland schlechten Ergebnissen in den internationalen Vergleichsuntersuchungen (PISA, TIMMS) hat sich in allen Ländern ein breites Spektrum von empirisch orientierten Vorhaben zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung entfaltet. Diesen Vorhaben liegt das Anliegen zugrunde, neben „Systemwissen“, als Basis einer fundierten, rationalen und wirksamen Bildungsplanung, handlungsleitendes Wissen für die Schul- und Unterrichtsgestaltung unter Berücksichtigung empirischer Verfahren zu gewinnen

Das Konzept der evidenzbasierten Steuerung im Schulbereich ist eine Adaption aus der Medizin. Der Begründer der Evidence-based Medicine, David L. Sackett, definiert das Konzept wie folgt: „Es ist die bewusste, ausdrückliche und verständige Nutzung der jeweils besten Evidenz bei der Entscheidung über die Versorgung individueller Patienten. Ihre Praxis beinhaltet die Integration individueller klinischer Kenntnisse mit der jeweils besten externen Evidenz aus systematischer Forschung“. Der Begriff der Evidenzbasierung meint grob vereinfacht so viel wie „auf gesicherten wissenschaftlichen Befunden beruhend“. Der hier verwendete Begriff der Evidenz unterscheidet sich also von einem alltagssprachlichen Verständnis, bei dem Evidenz im Sinne von „Etwas auf der Hand Liegendes“ oder „Offensichtliches“ gefasst wird.
Gemeint ist dabei allerdings nicht jedes verfügbare Forschungswissen, sondern Forschungswissen, das bestimmten strengen wissenschaftlichen Kriterien und Standards genügt. Als systematische Forschung gelten dabei kontrollierte Studien, mit Zufallsstichproben arbeitende klinische Versuche. Auf den Bildungsbereich übertragen bedeutet dies: Tests, quasi-experimentelle Interventionsstudien und Fragebogenerhebungen, kurzum: das ganze Instrumentarium der quantitativen und qualitativen Methoden. Als höchster Standard wird dabei Forschungswissen bewertet, das mit Hilfe systematischer Reviews bzw. Metaanalysen, also zusammenfassender Analysen verschiedener Untersuchungen in einem thematischen Gebiet, sowie randomisierter kontrollierter Studien generiert wird.
Ein Vergleich der Forschungsbereiche von Medizin und Pädagogik macht deutlich, dass sich das Konzept der evidenzbasierten Medizin nicht einfach auf den Bildungsbereich übertragen lässt. Während der menschliche Körper sich zum Teil mit naturwissenschaftlichen Methoden untersuchen lässt, trifft dies nicht auf pädagogische Prozesse zu. Es geht im Bildungsbereich nicht wie in der Medizin um physiologische Phänomene, die vielfach in Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zerlegt werden können, sondern um ein komplexes, heterogenes und dynamisches soziales Aktionsfeld mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Lehren und Lernen ist immer auch Beziehungsarbeit zwischen Menschen unter unterschiedlichen Randbedingungen.
Zudem steht im Bildungsbereich die Forschung im Vergleich zur Medizin vor einigen nur schwer überwindbaren Herausforderungen in der Anlage der Studien. Eine konsequente Randomisierung durch z. B. zufällige Zuordnung von Schülerinnen und Schüler zu Klassenverbänden und Lehrkräften oder die Kontrolle von potentiell relevanten Einflussfaktoren über längere Zeiträume, wie z. B. in den Kontexten Elternhaus, Freundeskreis, Klasse und Schule ist nur eingeschränkt durchführbar.
 
Aussagen über Zusammenhänge zwischen Einflussfaktoren und Bildungsergebnissen können nur im Rahmen einschränkender Modellannahmen gemacht werden, denn es ist kaum möglich, die unterschiedlichen Randbedingungen und intervenierenden Faktoren in einer größeren Zahl zu kontrollieren. Die realen Bedingungen des Bildungssystems unterscheiden sich prinzipiell in verschiedener Hinsicht von denen, die in der Forschung untersucht werden können.
 
Aus wissenschafts- und erkenntnistheoretischer Sicht kann es prinzipiell kein endgültig gesichertes Forschungswissen geben. Folgt man K.R. Popper, dem bedeutenden Philosoph des kritischen Rationalismus, so können wir durch strenge experimentelle Prüfungen niemals die Wahrheit von Theorien endgültig – z.B. durch induktives Schließen – beweisen, sondern lediglich zeigen, welche Theorien wiederholt bei strengen Prüfungen bestätigt wurden oder gescheitert sind. Oder überspitzt formuliert: der aktuelle Stand der Wissenschaft ist vielleicht nur der derzeit gültige Irrtum von morgen.
 
W. Stegmüller argumentiert, dass gesichertes Wissen (Evidenz) nicht von subjektiver Gewissheit unterschieden werden kann. Unterscheidungen wären nur anhand von Unterscheidungskriterien möglich. Wird aber ein solches Kriterium angenommen, „so scheint dies zu einem unendlichen Regress zu führen: dass in einem vorgegebenen Falle von Gewissheit die in dem Kriterium verlangten Merkmale vorliegen, muss ja selbst nicht bloß mit subjektiver Gewissheit, sondern mit Evidenz festgestellt werden“ (Stegmüller 1989, S. 48). 
 
Zudem sind statistische Befunde – auch unter Anwendung der elaboriertesten Methoden – immer interpretationsbedürftig. Daten ohne Berücksichtigung des Kontextes und einer dahinter stehenden Theorie sagen nichts aus. Wer lediglich auf Studienergebnisse schaut, ohne die Fragestellungen, die zugrunde liegende Theorie, das Design der Datenerhebung und die getroffenen Kontextannahmen zu berücksichtigen, läuft schnell Gefahr, unzulässige Schlüsse zu ziehen. Auch die Verwendung verschiedener Auswertungsmethoden auf gleiche Erhebungsdaten kann zu unterschiedlichen Befunden führen.
Oft wird die Ergebnisrichtung schon durch den Aufbau der Studien vorweggenommen. Das erkenntnisleitende Interesse, wie Habermas es nennt, bestimmt die Herangehensweise. Entsprechende Modelle und Prämissen legen von vornherein bestimmte Interpretationen nahe. Der Glaube an die Möglichkeit einer neutralen, objektiven, wert- oder ideologiefreien Wissenschaft ist selber nicht ideologiefrei.
 
Es wäre aber vorschnell, daraus den Schluss zu ziehen, dass empirische Befunde für konkrete Handlungssituationen in der Bildungspolitik und in bestimmten Schulen und Klassen mit unterschiedlichen Schülern unbrauchbar oder gar überflüssig wären, wie es der häufig zitierte Satz „Vom Wiegen wird die Sau nicht fett“ zu suggerieren versucht. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen, welches Wissen von der empirischen Bildungsforschung zur Verfügung gestellt wird und wie die beteiligten Akteure – mit ihren jeweiligen eigenen Systemlogiken – damit umgehen.

Unser Wissen im beruflichen Kontext basiert vorwiegend – vereinfachend ausgedrückt – zum einen auf persönlichem und institutionellem Erfahrungswissen und zum anderen auf Wissen, das von außen an uns herangetragen wird. Sich nur auf das eigene Erfahrungswissen zu verlassen, birgt die Gefahr in sich, dass „blinde Flecken“ in unserem Tätigkeitsbereich entstehen. Auch Kollegien und administrative Einheiten können blinde Flecken haben. Akteurinnen und Akteure im Schulbereich müssen vielfältige Leistungen in einem komplexen Handlungsfeld erbringen, ohne dass sie direkt erfahren, was sie nicht sehen können. Sie agieren häufig, wie es Bourdieu einmal ausgedrückt hat, „wie Eingeborene“ – eingeboren in ihrer Praxis.
Zu den wirkmächtigsten Faktoren professioneller Entwicklung zählt Feedback zur gegenwärtigen Handlungspraxis (siehe Hattie). Solche Rückmeldungen sind aber nur auf der Basis von konkreten Evaluationen zu erhalten. Im komplexen und sensiblen Schulbereich sollten daher interne und externe Beobachtungen bzw. wissenschaftliche Evaluationen mit entsprechenden Rückmeldungen Bestandteile der professionellen Tätigkeit sein und als Ausgangspunkt für professionelle Weiterentwicklung der schulischen Qualität genutzt werden.
 
In Deutschland steht ein Bündel von datengenerierenden Instrumenten der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklungen zur Verfügung, die Informationen auf der Ebene der Einzelschule und des Schulsystems liefern und somit Schul- und Unterrichtsentwicklung anstoßen können. Darüber hinaus gibt es eine selbst für Wissenschaftler kaum noch überschaubare Fülle von nationalen und internationalen Studien mit belastbaren Befunden innerhalb des gesamten Bildungsbereichs, die als Orientierungswissen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung in den Schulen genutzt werden könnten.
 
Beispiele für Erhebungsinstrumente zur Wissensgenerierung:  
Auf der Ebene der Einzelschule
·     Schulstatistik (Amtliche Schuldaten) mit diversen Indikatoren, wie Wiederholerquoten, Schulformwechsler, Übergangsquoten, Schulabschlüsse
·     Zentrale Prüfungen: ZP 10 und Abitur
·     Zentrale Lernstandserhebungen VERA 3 und 8
·     Qualitätsanalyse
·     Interne Evaluationen
Auf Systemebene
·     Schulleistungsstudien, wie PISA, IGLU, TIMSS, IQB-Ländergleiche
·     Vertiefende und ergänzende Studien auf der Basis von Schulleistungsstudien, wie z.B. COACTIV
·     Nationale und internationale Studien mit spezifischen Untersuchungszielen, z.B. Studien der Schuleffektivitätsforschung
 
Mit verschiedenen Evaluationsinstrumenten können potenziell unterschiedliche Wissensformen gewonnen werden, die in der Wissenschaft – mit geringen Abweichungen zwischen verschiedenen Autoren – nach den Handlungsmöglichkeiten in der Bildungspraxis und – politik unterschieden werden, wobei fließende Übergänge in Wissensquellen nicht ausgeschlossen werden:
 
 
1. Beschreibendes Diagnosewissen
Dieses Wissen kann z.B. aus Lernstandserhebungen, Amtlichen Schuldaten, zentralen Prüfungen gewonnen werden. Stand, Entwicklungen und Ergebnisse können auf System- und Praxisebene mit Hilfe von Indikatoren und deskriptiver Statistik beschrieben werden. Dieses Wissen kann genutzt werden, um Stärken, Schwächen und Handlungsbedarf zu identifizieren.

2. Erweitertes Diagnosewissen
Entsteht aus Metaanalysen wie z.B. der Hattie-Studie, Befunden der Schuleffektivitätsforschung, vertiefenden empirischen Analysen z.B. in Erweiterung zu den nationalen und internationalen Vergleichsstudien (siehe COACTIV-Studie). Zusammenhänge und mögliche Bedingungsfaktoren können mit Hilfe komplexer statistischer Modellierungen erkundet bzw. vorausgesagt werden (z.B. Pfadmodelle mit verschiedenen Einflussfaktoren auf die Zielfaktoren).
  
3. Erklärungswissen (system- oder schul- und unterrichtsbezogen)
Erklärungswissen liefert Gründe für festgestellte Effekte. Es entsteht z.B. aus Längsschnittstudien oder spezifischen experimentellen Studien. Wirkungen bestimmter Einflussfaktoren und Maßnahmen können so identifiziert und beziffert werden.
Zusammenhänge und Bedingungsmuster auf System-, Schul- und individueller Ebene können hierdurch erklärt wer­den. Dies erlaubt sowohl auf der System- als auch Praxisebene, Ursachen von Befunden und Folgen von Maßnahmen zu bewerten („knowing how it works“). 
 
4. Kriterienbezogenes Bewertungswissen
Ist z.B. aus Berichten der Schulinspektionen zu gewinnen. Anhand von standardisierten Beobachtungsverfahren können anhand der Kriterien des Qualitätsrahmens Expertenurteile und -beobachtungen an die Schulen rückgemeldet werden. Die rückgemeldeten Beobachtungsergebnisse liefern den Schulen Ansatzpunkte, ihre Arbeit aus der Sicht von außenstehenden Experten zu reflektieren und mit den eigenen Erfahrungen zu kontrastieren. Dies bedarf eingehender Interpretationen und Diskussionen der Ergebnisse durch die schulischen Akteure.

5. Handlungs- oder Veränderungswissen
Handlungs- oder Veränderungswissen beruhen auf dem Nachweis der Effekte von Manipulationen und Interventionen. Handlungs- oder Veränderungswissen sind danach die Wissensformen mit der größten Affinität zum schulpraktischen und bildungspolitischen Handeln.
Es ist in der Wissenschaft und Wissenschaftstheorie aber umstritten (vgl. Dewe, 2004), ob es überhaupt direkt verwendbares Veränderungswissen geben kann. Bromme/Kienhues (2014, S. 60) stellen fest, dass es nur „einen indirekten Zusammenhang zwischen Theorien und Daten, die Sachverhalte beschreiben und erklären (Beschreibungs- und Erklärungswissen), und solchen, die gezielte Veränderungen im Sinne von Interventionen begründen (Veränderungswissen;…)“, gebe.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass Wissenschaftler, die sich in der Problembeschreibung und Problemerklärung einig sind, zu unterschiedlichen und widersprüchlichen Interventionsempfehlungen kommen. Prominent sind hier die unterschiedlichen Empfehlungen, wie man auf der Schulsystemebene mit der sozialen Kopplung der Lernleistungen umgehen soll.  
 
Trotz dieser Einschränkungen können sowohl auf System- als auch auf Praxisebene Evaluationsbefunde aber handlungsleitend für geplante Veränderungen von den jeweiligen Akteuren genutzt werden, indem z.B. Wirkungen und Folgen bestimmter implementier­ter Maßnahmen identifiziert werden und somit Handlungsoptionen für Schul- und Unterrichtsentwicklungen abgelei­tet werden können („knowing what works“). Hierbei muss aber beachtet werden, dass sich die „What works-Befunde“ stets auf die Vergangenheit bzw. Gegenwart mit speziellen Kontextbedingungen beziehen. Ob die aus den Befunden abgeleiteten Handlungsstrategien zukünftig unter anderen Bedingungen auch funktionieren, muss prinzipiell offen bleiben.  
 
Welches nutzbare Wissen aktuell verwendete Evaluationsinstrumente tatsächlich bereitstellen, soll abschließend am Beispiel der Lernstandserhebungen genauer betrachtet werden.
 
VERA-Vergleichsarbeiten, die lediglich deskriptives Wissen liefern, haben im Gegensatz zu den auf Stichproben basierenden Vergleichsstudien den Vorteil, dass sie durch die inhaltliche Anbindung der Tests an die gültigen curricularen Vorgaben flächendeckend den Schulen rückmelden, welche Leistungen in den getesteten Fächern erreicht wurden. Darüber hinaus können sich die Einzelschulen mit anderen Schulen mit ähnlichen Ausgangsbedingungen vergleichen und einordnen. Detaillierte Auswertungen der erreichten Kompetenzstufen eröffnen die Möglichkeit für die Schulen, die Verteilung der Kompetenzen in den einzelnen Lerngruppen zu erkennen. Selbst auf der Ebene einzelner Aufgaben (Lösungshäufigkeit) können Stärken und Schwächen sowohl kriterial als auch im Vergleich mit anderen Lerngruppen und Schulen ausgemacht werden.
 
Neben den Rückmeldungen der Klassen- und Schulleistungen bieten die Lernstandserhebungen anhand der individuellen Aufgabenbearbeitungen die Möglichkeit, Stärken und Schwächen einzelner Schülerinnen und Schüler durch einen gezielten Blick auf die einzelne Schülerbearbeitung zu diagnostizieren. Die Rückmeldungen aus Lernstandserhebungen stellen also ein umfangreiches Diagnosewissen über den Ist-Stand des Lernerfolgs dar. Sie liefern allerdings kein direktes Erklärungswissen (knowing why) bzw. Handlungswissen (knowing how). Dies können die Schulen nur selber in eigenen Reflexions- und Rekontextualisierungsprozessen auf der Basis der Rückmeldungen und ihres Erfahrungswissens generieren, d.h. sie müssen die Informationen mit unterschiedlichem Sinn versehen und darüber in das eigene Aufmerksamkeits‑und Urteilsverhalten integrieren (vgl. Fend 2008). Hierzu benötigen die Schulen allerdings mehr Unterstützung als bisher.
 
Fazit
In weiterem Sinne kann auch deskriptives Wissen durchaus handlungsrelevant sein, weil es zeigt, wo die Probleme liegen. Handlungs- bzw. Veränderungswissen im engeren Sinne, das sowohl von der Bildungspolitik als auch der Praxis nachgefragt wird, liefert die Bildungsforschung zumindest aktuell nicht. Benötigt werden hier in Zukunft Transfer- und Implementationsstudien. Solche Studien sind aber im experimentell schwer kontrollierbaren Mehrebenengefüge von Wirkfaktoren und deren Interaktionen in institutionellen Lehr-Lern-Kontexten nur näherungsweise zu realisieren. Die Implementation einer konkreten Interventionsmaßnahme trifft auf unterschiedliche Konstellationen von sozialer und ethnischer Schülerzusammensetzung, Lehrerkompetenz, materieller Ausstattung der Schule, vorhandenen Unterstützungssystemen, etc. Es ist dann aufgrund unterschiedlicher Kontexte nur schwer entscheidbar, was genau wirkt bzw. welche Faktoren ein Wirksamwerden der Intervention behindert (vgl. Berliner, 2002).
 
Für Pant (2016) ist die Frage „Wie kann die Bildungsforschung Wissen erzeugen, das für die Praxis nutzbar ist?“ wahrscheinlich sogar falsch gestellt. Es müsse eher gefragt werden: „Wie kann ein Lernprozess organisiert werden, der über die Einzelschule hinaus reicht und der einer kooperativen Entwicklungslogik folgt und die kollektive Verbesserung von Lernkapazität als Ziel definiert?“
 
Literatur
Berliner, D. C. (2002): Comment: Educational research: the hardest science of all. Educational Researcher, 31(8), S. 18–20
Bromme, R./Kienhues, D. (2014): Wissenschaftsverständnis und Wissenschaftskommunikation. In: Seidel, T./Krapp, A. (Hrsg.), Pädagogische Psychologie (S. 55–81).
Dewe, B. (2004): Handlung – Wissen: handlungssteuerndes Wissen oder einfach Können? REPORT (27) 1/2004, S. 238 ff.
Fend, H. (2008). Schule gestalten. Systemsteuerung, Schulentwicklung und Unterrichtsqualität. Wiesbaden
Hattie, J. (2013): Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von „Visible Learning“, besorgt von Beywl, W./Zierer, K., Hohengehren
Pant, H. A. (2016): Scaling-up, Transfer, Transformation – Wie kommt Best-Practice in die Fläche? Vortrag auf der 22. EMSE-Fachtagung in Salzburg am 30. Juni 2016: Praxistransfer Schul-und Unterrichtsforschung – Wie kann Transfer gelingen?
Stegmüller, W. (1978): Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Eine kritische Einführung. Band 1, 6. Auflage

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Was wollen Sie eigentlich mit diesen langen Ausführungen sagen? Meinen Sie, damit sei ich widerlegt mit obigen harmlosen Aussagen zum Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik?
Ist nun die Heterogenität von Schul-klassen lernförderlich oder -hinderlich? Wie gedenkt man das herauszufinden, wo die Antworten der Politik schon auf zahlreichen Webseiten stehen (natürlich lernförderlich; wer das bezweifelt, den treffen diverse Vorwürfe, Sie wissen doch, wie hier bei n4t diskutiert wird) ?

Es war die Redaktion, die oben den menschengemachten Klimawandel als objektiv nachgewiesen hingestellt hat (ich hatte gar nicht widersprochen). Die physikalischen Gesetze sollten wohl auch dazu gehören, soweit es menschen-möglich ist.
In der Bildungswissenschaft dagegen hat man fast schon freie Auswahl, um irgendwas mit irgendeiner Studie zu begründen, z.B. Hartmut Esser zur Heterogenität GEGEN den Mainstream:
https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/umdrucke/02000/umdruck-19-02021.pdf
Das führt in die Beliebigkeit und nebulöse Verhältnisse statt Wahrheiten. Jeder hat dann seine eigene „Wahrheit“.
Zudem müssen empirische Studien mit Schülern erst von Behörden (!) finanziert und genehmigt werden. Sogar Köller hat mal geklagt, da würde längst nicht alles genehmigt. Und das „wes‘ Brot ich ess, des‘ Lied ich pfeif“ bleibt doch irgendwie wahr. Deswegen ist Bildungswissenschaft notwendigerweise eine stark interessen-geleitete Angelegenheit. Und die Themen, mit denen sich die StäWiKo beschäftigen darf, werden von der Amtschefsgruppe festgelegt, das besagen die Spielregeln dafür. Fehler der KMK dürfen gewiss nicht thematisiert werden.
Die Popper-Habermas-Debatte in allen Ehren, aber glauben Sie wirklich, Herr Schleicher oder Herr Köller oder andere PISA-Macher richten sich danach, oder die Doktorandinnen am IQB oder IPN wissen irgendwas davon? Ich wäre da nicht optimistisch.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Herr Möller: Wenn Trautwein dies
https://www.spiegel.de/spiegel/bildung-in-deutschland-lehrer-im-reformstress-a-1118715.html
sinngemäß in diesem Forum hier schreiben würde, würden Sie ihm widersprechen? Er spricht von „ideologisch“ motivierten Schulreformen in BaWü (von einem SPD-geführten Ministerium). Er sagt auch: „Schulsysteme sind dann erfolgreich, wenn die Verantwortlichen […] überflüssige Reformen vermeiden.“ Ich wäre gespannt auf einen Dialog zwischen Ihnen.

Dirk Z
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

@Redaktion: Ohne mich jetzt auf eine bestimmte Meinung zu diesem Thema festzulegen: Selbst Studien die zu 99,9% zu dem gleichen Ergebnis kommen können prinzipiell einem kollektiven Systemfehler aufgesessen sein. Vielleicht ist die Komplexität auch zu hoch dass wir auch nur annähernd in der Lage sind, die tatsächlichen Gegebenheiten zu erfassen und zu bewerten. Und deswegen muss man auch gegenteilige Studien sehr ernst nehmen. Was wäre, wenn beispielsweise zum Thema Klimawandel in einigen Jahren eine sehr seriöse Studie, die handwerklich gut gemacht ist zu einem Ergebnis kommt dass es ganz egal ist was wir dem Klima aktuell zumuten, aber irgendetwas anderes, was keiner auf den Zettel hat kritisch ist? Die Autoren dieser Studie müssten natürlich das sehr sauber herausarbeiten warum sie gerade jetzt zu dieser krassen gegenteiligen Meinung kommen und dann kann man hier nicht mehr mit zahlenmässigen Verhältnismässigkeiten kommen und die 99,9 % der Studien dagegenhalten. Und gerade zum Thema Corona und der Nachbetrachtung von Sinnhaftigkeit der ausgelaufenen Massnahmen ist noch lange nicht das letzte Wort gesprochen und da bin ich mal gespannt wie das Ganze in fünf oder Zehn Jahren bewertet wird.

Dirk Z
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

@Redaktion: Sie haben den Hintergrund nicht verstanden, was ich damit ausdrücken wollte. Der Sprung aus dem 10. Stock einer Person ist von der Komplexität extrem einfacher zu bewerten als z.B. die langfristigen Folgen aufgrund von Umweltverschmutzungen. Sie legen sich immer viel zu schnell fest, dass irgendwelche Studien als gesetzt und somit unanfechtbar gelten.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Beziehen Sie ihren „Respekt“ vor den Wissenschaftlern auch auf die StäWiKo und deren Empfehlungen zum Lehrermangel?

PaPo
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sabine2015

„Stmme.Gerade im Bereich der Pädagogik gibt es viele ‚wissenschaftliche‘ Befunde, die sich widersprechen […].“

Zwei Probleme:

(I) Die (einschlägige) pädagogische Forschung (wie auch diejenige bzgl. der Didaktiken) hat ein eklatantes Empiriedefizit, stattdessen dominieren insb. qualitative Studien (z.B. teilnehmende Beobachtungen, Einzelfallstudien etc.), die per se bspw. keine Rückschlüsse auf Kausalzusammenhänge, Quantifizierungen, entsprechende Extrapolationen u.ä. zulassen (eine – m.E.
prinzipiell eugtl. notwendige – Generalkritikk qualitativer Forschung verkneife ich mir an dieser Stelle einmal…). Bedauerlicherweise werden aber entsprechende Forschungsergebnisse oftmals von diversen Multiplikatoren u.a. in den Medien, an den Universitäten (in den jeweiligen Vorlesungen, Seminaren, Übungen etc.), Studienseminaren und Co., wie auch z.T. von den Autoren der Studien (auch innerhalb derselben Publikationen) in einer Art und Weise kommuniziert, als könnten sie entsprechende Belege für Dergleichen bieten. Da werden dann am Ende mglw. lediglich (mehr oder weniger fundierte) Thesen, vielleicht gar Hypothesen, ohne empirische ‚Verifikation‘ (ohne an der Stelle den Falsifikationismus zu erläutern) als Belege für dieses und jenes kommuniziert oder gar als Grundlage für (sozio-)politisches, legislatorisches u.ä. Handeln herangezogen.

(II) Die einschlägigen empirischen Studien sind auch durchaus von unterschiedlicher Qualität: Gerade in der diskutierten Disziplin (aber bspw. auch im Bereich der Psychologie, die in Dtld. in Teilen u.a. die Replikationskrise und hre Implikationen nicht wahrgenommen zu haben scheint) dominieren immer noch Studien, die einzig auf die Demonstration statistischer Signifikanzen (statt Effektstärkemaße) – schlechterdings in bivariaten Korrelationen – fokussiert sind, bspw. auch Konfundierungen u.ä. nicht (hinreichend) kontrollieren und auch nicht selten Probleme z.B. bei ihren Konstrukt also ditäten haben (z.B. bei der Operationalisierung eines relativ abstrakten Phänomens wie ‚Lernerfolg‘). Oderkurz: Nicht jede Studie ist gleich brauchbar, nicht jede Studie X, die den Ergebnissen von Studie Y auf den ersten Blick zu widersprechen scheint, kann dies de facto auch in strapazierbarer Art und Weise leisten. Ohnegin ist zu beachten, dass unterschiedliche Studien auch regelmäßig unterschidluchen Zuschnitts sehr nd, sich gar nicht probat vergleichen lassen (bspw. hinsichtlich ihrer Samples, Methoden und Techniken etc.

Kurz: Die vermeintl. Widersprüche in der Forschung sind iftmals garkeine. Es lohnt sich, den jeweils einschlägigen Forschungskorpus selbst kritisch-analytiach zu rezipieren, die entsprechende wissenschaftliche Literakurät virausgesetzt (womit wir wieder bei meinen Ausgangsplädoyer hier wären. Man muss (und kann) also nicht mit ‚Meinungen‘ gegen Wissenschaft argumentieren.

Carsten
1 Jahr zuvor

Totalitäre Systeme berufen sich gern auf „die Wissenschaft“ – Eugenik, „wissenschaftlicher Sozialismus“. . .

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten

Die KMK beruft sich jetzt auch gern auf „die Wissenschaft“, z.B. auf die neuen Empfehlungen der StäWiKo, doch die Klassen zu vergrößern oder die Lehrer mehr unterrichten zu lassen. Die Wissenschaft wird überhaupt gern benutzt zur Akzeptanzbeschaffung oder auch einfach, um irgendwas als alternativlos erscheinen zu lassen. Umgekehrt nehmen die Regierenden durch die Finanzierung bestimmter Vorhaben Einfluss auf die Wissenschaft, etwa 250 Millionen € aus dem BMBF für die empirische Bildungsforschung, von der man sich dann wiederum beraten lässt. Klar dürfte sein: Eine Analyse von Fehlern der Regierenden wird wohl kaum von diesen finanziert werden. Oder das verschwindet in den Schubladen.

Miranda Jehle
1 Jahr zuvor

Aha. Zusammengefasst: „Kritik am Narrativ kommt grundsätzlich von Fanatikern und unzureichend Gebildeten“ und „Konzentrieren wir uns lieber auf die, die sich nicht trauen was zu sagen“.

Als gebe es ein richtig oder falsch in der Forschung.
Als wäre es so einfach.
Ich stimme zu, dass die meisten Menschen völlig falsche Vorstellungen von der elitären Forschung haben.

«Um die negative Einstellung mancher Menschen gegenüber der Wissenschaft zu überwinden, muss man wahrscheinlich das dekonstruieren, was sie über die Wissenschaft zu wissen glauben, und es durch ein genaueres Verständnis ersetzen>

Ich glaube, es wäre viel wichtiger, für Vertrauen in die Institutionen zu werben. Doch wie soll das funktionieren, wenn heutzutage doch vor allem die Gewinne zählen? Ich muss nicht wissen, „ob Tomaten oder nur gen-veränderte Tomaten Gene haben“, sondern eine gen-veränderte Tomate muss Sicherheit in mir als Bürger hervorrufen. Unternehmen wie Monsanto sind halt nicht so vertrauenerweckend.

Und wie funktioniert wissenschaftliche Forschung denn konkret? Als Diplom-Biologin mit Schwerpunkt Molekulargenetik möchte ich zur Klärung beitragen. Ich bin heute nicht mehr im Metier tätig und habe deshalb ein wenig Abstand zum Geschehen. In einfachen Worten.

Es kommt der Moment im Hauptstudium eines Naturwissenschaftlers, da bekommt man zum ersten Mal einen dicken Stapel Papers (wissenschaftliche Abhandlungen) auf den Schreibtisch und möge bitte einen Vortrag dazu vorbereiten. In meinem Fall lief das so: Ich bin beim Durcharbeiten der Papers darüber gestolpert, dass die Ergebnisse unterschiedlich und teilweise sogar widersprüchlich waren. Obwohl die Abhandlungen alle dasselbe zum Thema hatten. Etwas hilflos bin ich dann zu meinem Dozenten. Was dann kam, hat mich überrascht:

Die widersprüchlichen Ergebnisse seien völlig normal. Naturwissenschaftliche Forschung sei nicht schwarz-weiß, richtig oder falsch. Und: Die Ergebnisse dieser Versuchsreihen zu deuten, sei eine Kunst, ja, es sei mehr ein kreativer Prozess als eine einfache Rechnung wie 1+1=2. Für mich war diese Einsicht damals ein Schlag ins Gesicht. Ich hatte mir das alles viel eindeutiger vorgestellt. Plötzlich musste ich mir über die vorliegenden Daten ein eigenes Urteil bilden.

Wie läuft denn ein naturwissenschaftlicher Versuch ab? Aufgrund verschiedener Ergebnisse, Annahmen und Theorien vorangegangener Forschung wird beispielsweise eine neue Versuchsreihe geplant und durchgeführt. Versuchsreihen können sehr gut, mittelgut oder auch sehr schlecht durchgeführt werden. Wenn zum Beispiel Negativproben fehlen und Falsch-Positive Ergebnisse produziert werden. Die Wiederholung des Versuchs sollte dieselben Ergebnisse produzieren. Auch das ist nicht selbstverständlich. Ja, natürlich gibt es Standards, aber letztlich stecken die Forscher in sehr komplexen Zusammenhängen, so dass die Standards nicht greifen können. Und manchmal werden Standards einfach abgeschafft, weil sie zu lagen dauern (so aktuell geschehen bei Klinischen Studien zu Verträglichkeit und Wirksamkeit).

Und man darf nicht unerwähnt lassen, dass Forschungsprojekte extrem kostspielig sind und universitäre Forschungsgruppen auf Drittmittel angewiesen sind. Ohne Gelder aus der Wirtschaft bzw. Pharmaindustrie läuft da nichts. Der Druck passende Ergebnisse, Papers zu veröffentlichen, Gewinnbringendes zu produzieren ist hoch. Lesen Sie bitte dazu: https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bibliothek/sonstige-informationen/weitere-informationen/manipulation-in-der-wissenschaft-ia
Kritische Stimmen sind für das Überleben der Wissenschaft maßgeblich. Menschen produzieren Fehler, ob mit oder ohne Absicht.

Ich gestehe, dass ich in der Pharmaindustrie gearbeitet habe und den Ärzten mit Studien zugewunken habe, als Angestellte eines Unternehmens, das dank Corona heute in aller Munde ist. Ob bei diesem Unternehmen zwischen Milliarden-Gewinnen, 5-Sterne-Incentives, dicken Firmenwagen und Bonus-Auszahlungen noch Platz für die Grundlagen der Wissenschaft ist? Jeder, der da mal gearbeitet hat, weiß, dass es nicht so ist.
Mit zeitraubender Grundlagenforschung und langwierigen Studien lassen sich keine Gewinne erzielen.

Als forschender Naturwissenschaftler braucht man ein gehöriges Maß an Fachwissen, an fächerübergreifendem Wissen, logischem Denken UND auch handwerkliches Geschick, technische Versiertheit, Sprachbegabung, Begriffssicherheit, Präzision UND Offenheit, Inspiration (für neue Ideen), Demut (um Fehler zugeben zu können), Muße (um in Ruhe nachdenken zu können), Geduld, Unbestechlichkeit.
Es ist wichtig, die Debatte über Wissenschaftlichkeit wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen, nüchtern, ohne Schubladendenken.
Wissenschaftlichkeit ist auf Kritiker angewiesen, und ich würde da nicht unterscheiden zwischen Laien und versierten Kritikern. Die einen reagieren aus Angst und Ohnmacht und die anderen aus ihrem Wissen heraus.
Alle beide schieben die Verantwortlichen ins Rampenlicht und machen auf den notwendigen Klärungsbedarf aufmerksam.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Miranda Jehle

Volle Zustimmung! Danke für die ausführlichen Ausführungen (seeehr eloquent, seufz).

Hm, sag ich ja – objektive Daten werden mit subjektiven Erfahrungen interpretiert.

Drei Wissenschaftlerys, fünf Ergebnisse.

Das ist nicht bös gemeint, aber allein durch Stauchung, Streckung, Herauslassen der Spitzen … lassen sich Kurven und Schaubilder, nun, ein wenig auf- bzw. abpolieren.

Weiß jedery, das das schon mal gemacht hat.

Und deswegen sind Misstrauen und Nachfragen angebracht, Kritik auch.

Auch mir scheint der Trend deutlich in Richtung Misstrauen, aber auch zu Unverständnis zu gehen.

potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Müsste es statt „jedery“ nicht „jedy“ heißen? 😉

Carsten60
1 Jahr zuvor

Nehmen wir doch einfach mal die Aussage in den neuen Empfehlungen der wissenschaftlichen StäWiKo zum Lehrermangel auf S. 24:
„Zwar bieten einzelne Studien Hinweise darauf, dass bestimmte Schüler:innen von kleineren Klassen profitierten. […] Andere Studien wiederum konnten keinen Einfluss auf bestimmte sozioökonomische Gruppen feststellen. Regelmäßig stellt es sich in den Studien als schwierig heraus, Klassengrößeneffekte losgelöst von anderen Faktoren zu beobachten.“
Ist das nun eine Meinung oder sind das Fakten? Ist das wissenschaftlich begründet oder ist es nur der derzeitigen Mangellage geschuldet, wenn eine wissenschaftliche Kommission sich so äußert? Schließlich lautet ihre Empfehlung, „… Klassenfrequenzen dort zu erhöhen, wo bislang Maximalfrequenzen bzw. der Orientierungswert aus nicht belegten Gründen unterschritten werden.“

Warum eigentlich werden von Lehrern kleinere Klassen so häufig gefordert, noch vor anderen Dingen? Verstehen die alle die „Klassengrößeneffekte“ nicht richtig? Nach dem obigen Artikel dürften Lehrer solche Meinungen gar nicht äußern, wenn sie die Wissenschaft hinter diesen Studien über die Klassengröße nicht verstehen. Aber fordern nicht auch Lehrerverbände immer kleinere Klassen? Dürfen die eine solche „ablehnende Haltung“ der Wissenschaft gegenüber einnehmen, ohne gescholten zu werden? Grübel …

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Was halten Sie als Redaktion denn von jenen angeblich wiss. Studien, die nachweisen, dass kleinere Klassen kaum einen Einfluss haben? Werden kleinere Klassen hier nicht nahezu unisono gefordert, ohne dass Sie widersprechen? Und nicht vergessen: Vor ein paar Jahrzehnten waren die Klassen noch größer.

Gabriele
1 Jahr zuvor

Im Geschichts- bzw. Politikunterricht, sogar in der Kollegstufe (= Oberstufe) des Gymnasiums (in Bayern!), nahm in den letzten Jahren, noch vor Corona (!), das Unvermögen, die mangelnde Fähigkeit zu, den Inhalt von sinngemäßen Zitaten klar von den eigenen Aussagen und Meinungen des Autors/ der AutorIn zu unterscheiden.

In wirklich besorgniserregender Weise!
Natürlich nicht bei den sehr guten und guten SchülerInnen, doch immer häufiger..

Für Studierfähigkeit ist es jedoch unerlässlich, einfach unabdingbar, hier eindeutig und klar differenzieren zu können.

Ein wissenschaftlicher Diskurs, ein Austausch, eine Auseinandersetzung über den Forschungsstand, ist damit ja per se völlig unmöglich.

Obgleich diese Fähigkeiten bei der Textarbeit (Textverständnis) im Unterricht besonders in textlastigen Fächern permanent über Jahre vermittelt und eingeübt werden.

Aber was ich – neben der daraus resultierenden Herausforderungen bei Korrektur und Leistungsbewertung – fast noch als bedrückender empfand, war die folgende geringe oder fehlende Bereitschaft zur Einsicht.
Uneinsichtigkeit oder völliges Unverständnis bei der ausführlichen Besprechung der Klausur und des Erwartungshorizontes einschließlich Bepunktung traten häufiger auf.

Das beharrliche Festhalten an der eigenen Sichtweise, die an den Tag gelegte überzogene, hier unangemessene, Selbstgewissheit führte zu Beratungsresistenz.
Maßlose Selbstüberschätzung und Drang zum „Herumrechten“.waren ein Ärgernis.

Meine Versuche der geduldigen, unermüdlichen Überzeugungsarbeit fruchteten nicht.
War recht frustrierend für mich.

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