Home didacta 2023 Montessori-Lehrkraft werden? „Eine Befreiung“ (sagt eine Schulleiterin, die umgestiegen ist)

Montessori-Lehrkraft werden? „Eine Befreiung“ (sagt eine Schulleiterin, die umgestiegen ist)

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STUTTGART. Warum sollten Lehrkräfte sich dafür entscheiden, an eine Montessori-Schule zu wechseln? Der Nachwuchstag beim Verband Montessori Deutschland auf der Bildungsmesse didacta in Stuttgart lieferte Argumente.

Die Montessori-Pädagogik bietet Perspektiven (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Noten, Klassenarbeiten, Korrekturen: Die Belastung im staatlichen Schulsystem ist hoch. Wäre die Arbeit an einer Montessori-Einrichtung eine Alternative für Lehrkräfte? Durchaus – meint Christa Martin, Leiterin der Emile-Montessorischule in Neubiberg bei München. Sie weiß das aus eigener Erfahrung: Sie selbst war Lehrerin an einem Regel-Gymnasium und erlebte das Arbeiten und Unterrichten dort als „Druck, Druck, Druck – auch auf die Lehrkräfte“. Nicht wenige Schülerinnen und Schüler hätten mit psychischen Problemen zu kämpfen gehabt.

Sie erinnert sich, Ärger von der Schulleitung wegen Lappalien bekommen zu haben: weil sie zum Beispiel die (erfreulich gute) Note einer Schülerin prominent aufs erste Blatt der Klassenarbeit geschrieben hatte, statt ordnungsgemäß darunter zu setzen. Oder weil sie Leerzeilen in der handgeschriebenen Klausur eines Schülers nicht gestrichen hatte. Das Blatt gehöre vollgeschrieben, sonst würde ja der Schüler später noch etwas ergänzen können. „Da habe ich mir gesagt: Das ist nicht meine Welt“, erinnert sich Christa Martin – und verzichtete kurzerhand auf ihren Beamtenstatus, um (nach einer entsprechenden Fortbildung) Lehrkraft an einer Montessori-Schule zu werden.

Wie das geht – dafür interessierten sich am „Nachwuchstag“ von Montessori Deutschland auf der Bildungsmesse didacta Dutzende von angehenden oder gerade in den Beruf eingestiegenen Lehrkräften. Informationen im Studium darüber? Fehlanzeige. „Reformpädagogik kam in unserem Studium so gut wie gar nicht vor“, so berichtet eine Studentin an der Pädagogischen Hochschule Stuttgart, die dort Grundschullehramt im letzten Semester des Masters studiert. Eine Kommilitonin ergänzt: „Wir bekommen im Studium gesagt, dass wir offen arbeiten und die Kinder sich entwickeln lassen sollen, aber wie das geht, das sagt uns niemand.“

„Das ist das Schöne an Montessori: Wenn ein Kind gerade richtig drin ist in der Arbeit, dann wird es da nicht rausgerissen. Dann kann es sich richtig entfalten“

Dabei ist der Bedarf an den Einrichtungen groß; auch Montessori-Schulen bleiben vom Lehrkräftemangel nicht verschont, wie Andrea Donath, Leiterin des Bereichs Pädagogik und Ausbildung bei Montessori Deutschland, erklärt. Insbesondere für diejenigen, die auf der Suche nach einer sinnstiftenden Arbeit seien, böten die Einrichtungen spannende Perspektiven. Dass junge Menschen dort vom Vorschulalter bis hin zur Oberstufe verblieben, was enge persönliche Bindungen zwischen Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern ermögliche, und zudem das „Wir-Gefühl“ in den Kollegien mit einer positiven Feedback-Kultur besonders ausgeprägt sei, mache Erfolge des eigenen Wirkens sichtbar.

Was interessiert die Besucherinnen und Besucher besonders an der Montessori-Pädagogik? Die Stuttgarter Studentin sagt: „Ich bin sehr vom jahrgangsgemischten Lernen überzeugt. Heterogene Klassen haben schon einen Vorteil, das haben wir auch im Studium gelernt, wenn es um Leistung und soziale Kompetenzen geht.“ Dass Kinder in Montessori-Schulen in der Freiarbeit an dem arbeiten können, was gerade zu ihrem Entwicklungsstand und Lernstand passe, sei effektiver, als wenn alle 25 Kinder einer Klasse in den 45 Minuten einer Unterrichtsstunde am Gleichen arbeiten. „Das ist das Schöne an Montessori: Wenn ein Kind gerade richtig drin ist in der Arbeit, dann wird es da nicht rausgerissen. Dann kann es sich richtig entfalten.“

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Eine angehende Grundschul-Lehrerin aus Würzburg meint: „Ich finde die Vorstellung, dass Kinder freier im Lernen sind und nicht immer Frontalunterricht sein muss, richtig und das ist auch etwas, was ich in meinem Unterricht umsetzen möchte.“ Eine Lehrerin, die an einer inklusiven (Regel-)Ganztagsschule im Landkreis Heilbronn arbeitet, möchte zunächst Elemente der Montessori-Pädagogik in ihren Unterricht integrieren – um dann später womöglich ganz umzusteigen. „Wir werden uns auf jeden Fall im Kollegium gegenseitig austauschen und weiterbilden. Und ich finde, davon haben alle Schülerinnen und Schüler einen Vorteil. Sie erfahren durch den Montessori-Ansatz von klein auf, dass man durchs eigene Handeln lernen kann“, sagt sie.

Eine junge Frau, die an der Hochschule Freiburg ebenfalls aufs Grundschul-Lehramt studiert, betont: „Irgendetwas läuft im Regelsystem falsch. Viele Schülerinnen und Schüler gehen nicht gern in die Schule. Dabei machen wir das Ganze doch für die Kinder. Deshalb habe ich angefangen, mich über Montessori zu informieren. Die Erfolge sind schon überragend. Es gibt zum Beispiel eine Absolventenstudie von Montessori, die zeigt, dass Schülerinnen und Schüler mit dieser Pädagogik glücklicher sind. Und ich verstehe nicht, warum nicht mehr Lehrkräfte damit arbeiten.“

So wie eben Christa Martin. Mittlerweile ist sie Schulleiterin an der Emile-Montessorischule und hat nach eigenem Bekunden keinen einzigen Tag bereut, umgestiegen zu sein. Der wichtigste Grund: die Menschlichkeit, die an der Schule sowohl im Kollegium wie auch im Umgang mit den Schülern herrscht. Das Klassenleiterprinzip, das an der Schule gilt, sorgt für eine enge persönliche Bindung. „Ich sehe meine Kinder jeden Tag“, erklärt Christa Martin (auch wenn sie wegen ihrer Leitungsfunktion nicht Vollzeit unterrichtet).

Der Unterricht erfolgt meist mit zwei Lehrkräften, was enorm entlaste. Ohnehin sorge der Teamgeist im Kollegium dafür, dass eine einzelne Lehrkraft in einer Belastungssituation nicht allein dasteht. Dazu kommt die veränderte Rolle als Pädagogin: Dass Lehrkräfte in der Montessori-Pädagogik als Lernbegleiter verstanden würden, die Lernprozesse anschieben, aber nicht bis ins Kleinste vorgeben, sei eine „Riesenbefreiung“ – weil damit die Last entfalle, Entertainer im Unterricht sein zu müssen.

Hier gibt es weitere Informationen: www.montessori-deutschland.de/fuer-paedagoginnen/arbeit-an-montessori-einrichtung/

Dies ist eine Pressemeldung von Montessori Deutschland e. V.

Warum Montessori-Pädagogik Kinder besonders gut auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereitet – ein Gastbeitrag

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6 Kommentare
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Realist
1 Jahr zuvor

Mir gefällt die Montessori-Schulleiterin auf dem Symbolfoto!

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

@Realist

Herzlichen Dank für den herzlichen Lacher! 🙂

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Goldmedaille!

Fakten sind Hate
1 Jahr zuvor

„Das Blatt gehöre vollgeschrieben, sonst würde ja der Schüler später noch etwas ergänzen können.“

Antwort:
Tut mir echt leid, Frau Schulleitung. Es ist nicht vorgesehen, das ganze Blatt mit dem Rotstift vollzuschreiben.

laromir
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Sorry, ich streiche mittlerweile auch echt alle Lücken durch, weil es leider schon einige Fälle gab, wo SuS die Lücken nach der Rückgabe vollgeschrieben haben und man dann Ärger mit Betrugsversuchen hatte. Zum Glück hatte LuL eine Kopie gehabt und konnte leere Lücke nachweisen. Auch so ein Mist, wie Lücken durchstreichen, ist mittlerweile Selbstschutz. Habe ich früher nicht gemacht, seit ein paar Jahren schon. Klar, Sollte nicht so sein müssen.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  laromir

Nett ist dann, wenn man zweifelsfrei den nachgeschobenen Betrug doch noch aufdeckt und die Eltern dazu meinen, sie können sich gar nicht erklären, wie das auf das Blatt kommen konnte bzw. was er/sie damit aussagen wollte, aber dieser Druck auf das arme Kind ist nun wirklich ganz, ganz schwer auszuhalten. Es wurde sogar schon geweint und sich eingeigelt im eigenen Zimmer …

Liebe Leute, werdet Lehrer … oder sowas!

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