Home Praxis Lehrerin widerruft Vergleich – und zieht wegen Mehrarbeit doch vor Gericht

Lehrerin widerruft Vergleich – und zieht wegen Mehrarbeit doch vor Gericht

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STENDAL. Eigentlich sollte sie im Mai wieder in den Dienst zurückkehren. Nun hat eine Lehrerin, die Mehrarbeit verweigert hatte und deswegen gekündigt wurde, eine Einigung mit dem Landesschulamt widerrufen. Der Fall bleibt also weiter offen – er kommt nun doch vor Gericht.

Jetzt hat doch das Gericht zu entscheiden. Illustration: Shutterstock

Im Fall einer Lehrerin, die eine verpflichtende Zusatzstunde pro Woche nicht leisten wollte und der deshalb gekündigt wurde, könnte nun eine Gerichtsentscheidung notwendig werden. „Mittlerweile hat die Klägerin den Vergleich widerrufen“, erklärte ein Sprecher des Arbeitsgerichts am Freitag auf Anfrage. Mitte April hieß es, die Frau und das Landesschulamt hätten sich geeinigt.

Wegen des Widerrufs sei nun ein nächster Termin vor Gericht vorgesehen, bei dem entweder eine Entscheidung verkündet oder weitere Prozessschritte getroffen würden, sagte der Sprecher. Der Vergleich sah vor, dass die Klägerin für die Zeit nach Zugang der fristlosen Kündigung bis zum 30. April 2024 keine Ansprüche gegen das Land hätte. Das Arbeitsverhältnis sollte ab dem 1. Mai 2024 unter Anerkennung der bisherigen Dienstzeiten fortgesetzt werden, die Frau sollte künftig die umstrittene Vorgriffsstunde leisten.

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Um für weniger Unterrichtsausfall zu sorgen, müssen Lehrerinnen und Lehrer seit den Osterferien 2023 eine Stunde pro Woche zusätzlich vor der Klasse stehen. Diese Stunde können sie sich auszahlen lassen oder auf einem Arbeitszeitkonto ansammeln. Die betreffende Lehrkraft hatte sich mehrmals geweigert, die sogenannte Vorgriffsstunde zu leisten. Das Landesschulamt sah darin eine Arbeitspflichtverweigerung und zog Konsequenzen. Die Lehrerin zog daraufhin vor Gericht.

„Es ist angesichts des Fachkräftemangels immer bedauerlich, Personal zu verlieren“, so hatte Bildungsstaatssekretär Jürgen Böhm, bis vor Kurzem selbst noch Bundesvorsitzender des Realschullehrerverbands, im September zu dem Fall gesagt. „Allerdings wurden im konkreten Fall seitens der Schule und des Landesschulamtes über einen Zeitraum von mehreren Monaten alle milderen Maßnahmen ausgeschöpft.“ Die Lehrerin sei über Wochen über keine einzige Brücke gegangen, erklärte er gegenüber der Magdeburger „Volksstimme“. Böhm: „Es handelt sich um eine klare dienstrechtliche Verfehlung. Die Kollegin kann nicht überrascht gewesen sein. Sie wusste um die Konsequenzen.“

Die Anordnung zur Mehrarbeit verteidigte er. „Die Arbeitszeit der Lehrer in Sachsen-Anhalt ist im Vergleich zu anderen Bundesländern teils geringer. In Grundschulen etwa hatten wir bis April 27 Unterrichtsstunden pro Woche. Der Nachbar Niedersachsen verlangt regulär 28 Stunden. Wir haben die Arbeitszeit damit also in gewisser Weise nur ans Niveau anderer Bundesländer angeglichen“, sagte Böhm und betont: „Die Vorgriffstunde wird bei uns gesondert vergütet oder kann auf einem Arbeitszeitkonto angesammelt und später abgebummelt werden. Das gibt es in anderen Bundesländern nicht.“ Sie sei unter den aktuellen Bedingungen „schlicht nötig“. News4teachers / mit Material der dpa

Lehrerin, die Mehrarbeit verweigert hatte, lenkt ein – Kündigung vom Tisch

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Karl Heinz
10 Tage zuvor

Siehe dazu auch Beitrag im MDR
https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/stendal/stendal/lehrerin-kuendigung-extrastunde-entscheidung-100.html

Dieses hin und her lässt sicher genügend Raum für Spekulationen über Motive etc.
Insgesamt finde ich es aber richtig, dass die Frau Rückgrat gegenüber einem sehr planlos agierenden Arbeitgeber zeigt.

Onkel Thomas
10 Tage zuvor

Ich wünsche der Kollegin alles Gute zu Ihrer Entscheidung. Hoffentlich fällt in dem Zuge das einseitige Direktionsrecht der Landesschulbehörden.

Carsten
10 Tage zuvor

Das OVG Magdeburg hat ja nun die „Vorgriffstunde“ durchgewunken – allerdings ohne auf die Rechtssprechung aus Niedersachsen einzugehen, wonach bei Stundenerhöhungen aus Gründen der Fürsorge zuvor die tatsächliche Belastung zu ermitteln ist. Geht dieser Verwaltungsrechtsstreit in die nächste Instanz, so dass auch hier Auswirkungen folgen könnten ?

Kaffeetasse
10 Tage zuvor

Mutig und konsequent, das will ich einräumen. Aber auch nicht gerecht, denn anderswo arbeiten wir schon lange 28 Wochenstunden.

Wie man im Netz lesen kann, begeistert sie sich für eine freie Schule in Niedersachsen und wird dann wohl dort unterkommen. Haben die weniger Wochenstunden?

Maja
9 Tage zuvor
Antwortet  Kaffeetasse

28 Unterrichtsstunden, eigentlich sollten Sie exakt 46,57 Wochenstunden arbeiten, denn wir alle wissen, dass das Unterrichten nur etwa 1/3 der eigentlichen Arbeitszeit ausmacht.

Kaffeetasse
8 Tage zuvor
Antwortet  Maja

Das heißt, es sind keine 28 Unterrichtsstunden pro Woche oder wie?

Mara
9 Tage zuvor
Antwortet  Kaffeetasse

In Hamburg arbeiten wir bei einer vollen Stelle bis 29 Unterrichtsstunden und müssen noch diverse Ämter innehaben.
Das ist sicher nicht gerecht. Doch es muss sich ja nicht immer alles zum Schlechteren ändern. Vielleicht schaffen wir es ja auch irgendwann mal weniger zu arbeiten.
Ich wünsche der Kollegin jedenfalls viel Erfolg für ihren mutigen Schritt.

Konfutse
9 Tage zuvor
Antwortet  Mara

Jürgen Böhm hat noch vor ca. 6 Jahren bei einem Verbandstreffen des RLV in Herrenberg betont, dass die Arbeitszeit der Lehrkräfte auf 24 Std/Woche (Bayernniveau) gesenkt werden müsse. Alles andere wäre nicht gerecht.
Ja, so ist das dann, wenn man ein Politkommissar wird. Da weht das Fähnchen plötzlich anders….

Berufspädagoge
10 Tage zuvor

Frau Pietschmann hat bei ihrem Widerstand gegen die Art und Weise, wie die „Übergriffstunde“ in Sachsen-Anhalt durchgedrückt wurde, meinen allerhöchsten Respekt. Ich wünsche ihr viel Kraft und starke Nerven im Kampf gegen die Feußner-Diktatur.

447
10 Tage zuvor

Respekt

Jabe
10 Tage zuvor

„Wir haben die Arbeitszeit damit also in gewisser Weise nur ans Niveau anderer Bundesländer angeglichen“, sagte Böhm und betont: „Die Vorgriffstunde wird bei uns gesondert vergütet oder kann auf einem Arbeitszeitkonto angesammelt und später abgebummelt werden…“

Seit August 2023 haben meine Kollegen und ich noch nicht eine Vorgriffstunde bezahlt bekommen.

gehtsnoch
9 Tage zuvor

„… dass die Klägerin für die Zeit nach Zugang der fristlosen Kündigung bis zum 30. April 2024 keine Ansprüche gegen das Land hätte.“
Vergleich war also „unbezahlten Urlaub“ oder wegen Kündigung „arbeitslos“ – wann wurde die besagte fristlose Kündigung ausgesprochen?

Quartett
9 Tage zuvor

„…..Der Nachbar Niedersachsen verlangt regulär 28 Stunden. Wir haben die Arbeitszeit damit also in gewisser Weise nur ans Niveau anderer Bundesländer angeglichen“, sagt Böhm…..“

Ich hatte es schon einmal geschrieben.
Dabei wird außer Acht gelassen, dass in Sachsen-Anhalt die Vorgriffsstunde bis zum 62.Lebensjahr zu leisten ist und die Altersermäßigung von 2 Stunden auch erst ab dem 62. Lebensjahr erfolgt.

Da greifen in den anderen Bundesländern schon vorher die Altersermäßigungsregeln, soweit ich sehe. In Niedersachsen immerhin -1 Std. ab 60 Jahren, in NRW -1 Std. ab 55 Jahren und -3 Std. ab 60 Jahren, in Thüringen -2 ab 55 Jahren, in Sachsen ab 58 Jahren -1 Stunde, ab 60 Jahren -2 Stunden und ab 61 Jahren -3 Stunden usw.

Ich glaube, in keinem anderen Bundesland arbeiten im Moment Kollegen ab 60 Jahren 28 Stunden, wenn ich mich nicht verguckt habe.
https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Statistik/Dokumentationen/Pflichtstunden_der_LehrerInnen_2022.pdf

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