Home Nachrichten Plagiatsaffäre: Senatorin verliert ihren Doktortitel – und tritt sofort zurück

Plagiatsaffäre: Senatorin verliert ihren Doktortitel – und tritt sofort zurück

9

BERLIN. Rückschlag für Berlins Regierungschef Wegner: Nach einem Jahr gibt eine seiner wichtigsten Senatorinnen auf. Ihre Doktorarbeit wird Manja Schreiner zum politischen Verhängnis.

Konsequenz gezogen: Manja Schreiner. Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Nach nur einem Jahr verliert Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) eine seiner wichtigsten Mitstreiterinnen im schwarz-roten Senat. Umwelt- und Verkehrssenatorin Manja Schreiner zog am Dienstag Konsequenzen aus dem Entzug ihres Doktortitels im Zuge einer Plagiatsaffäre und trat zurück. Wegner nahm ihr Entlassungsgesuch «schweren Herzens» an, wie er sagte. Gleichzeitig kündigte er Gespräche über eine Nachfolge an. «Da geht es um Gründlichkeit, nicht um Schnelligkeit.»

Schreiner (46) verantwortete als Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt – so die offizielle Bezeichnung – eines der größten Ressorts im Senat mit zahlreichen in der Stadtgesellschaft heiß umkämpften Themen. Kritiker warfen ihr vor, nach den Bemühungen der rot-grün-roten Vorgängerregierung um eine ökologische Verkehrswende wieder stärker Mobilitätspolitik für das Auto zu machen.

Schreiner und Wegner betonten stets, die Interessen aller Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt zu betrachten. «Es geht darum, eine Person zu finden, die für diese unideologische Verkehrspolitik weiter eintritt», sagte der Regierungschef zur Nachfolge Schreiners.

Die Juristin trat am Vormittag vor die Presse: Die Universität Rostock habe ihr mitgeteilt, dass sie ihr den 2007 verliehenen Doktorgrad entziehen werde. Deshalb habe sie Wegner um Entlassung aus dem Amt gebeten. «Dies tue ich, um Schaden vom Berliner Senat abzuwenden.» Als Senatorin habe sie stets große Verantwortung gegenüber der Stadt und ihren Menschen empfunden. «Diese Verantwortung gibt mir nun diesen Weg aus dem Amt vor.»

«Ich habe an keiner Stelle meiner Dissertationsarbeit vorsätzlich getäuscht oder betrogen»

Die Universität begründete den Entzug des Doktortitels kurze Zeit später mit dem Ausmaß an nicht ausreichend gekennzeichneten Textübernahmen in Schreiners Dissertation. Die Menge der Fehler und ihre qualitative Gewichtung ließen den Fakultätsrat zu dem Schluss kommen, dass das Werk den Ansprüchen an eine wissenschaftliche Arbeit nicht genüge, teilte die Juristische Fakultät mit. «Daher hätte Frau Schreiner der Doktorgrad nicht verliehen werden dürfen.» Der Entzug sei einstimmig beschlossen und ihr am Montag (29. April) mitgeteilt worden – an dem Tag feierte die Politikerin ihren 46. Geburtstag.

Schreiner selbst betonte: «Ich habe an keiner Stelle meiner Dissertationsarbeit vorsätzlich getäuscht oder betrogen. Als Privatperson werde ich deshalb gegen diese Entscheidung der Fakultät Widerspruch einlegen.»

Anzeige

Schreiner war zeitweise stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner CDU und gilt als Vertraute des Parteichefs und Regierenden Bürgermeisters Wegner, der sie im April 2023 aus der Wirtschaft in den neuen schwarz-roten Senat holte. Schon im Sommer 2023 gab es Berichte über Unregelmäßigkeiten und mögliche Plagiate in ihrer Dissertation zum Thema «Arbeitnehmerberücksichtigung im Übernahmerecht». Daraufhin bat Schreiner die Uni Anfang August 2023 um Überprüfung ihrer Doktorarbeit.

Öffentlich geworden war der Fall seinerzeit durch einen Fachartikel in der «Neuen Juristischen Wochenschrift». Dort hatte der Frankfurter Rechtsprofessor Roland Schimmel über sogenannte «Bauernopfer» in akademischen Arbeiten berichtet und in diesem Zuge Schreiners Arbeit als Beispiel genannt. Unter dem Begriff verstehen Plagiatsjäger unsauber markierte Textübernahmen aus anderen Arbeiten.

Von der Universität hieß es nun dazu, Schreiner habe zwar ganz überwiegend die Originalquellen angegeben und zitiert. In der Gesamtschau habe die Übernahme fremder Textpassagen aber quantitativ und qualitativ einen solch prägenden Einfluss auf die Dissertationsschrift, «dass deren Anfertigung nicht mehr dem Gebot der Eigenständigkeit entsprochen hat».

Schreiners Plagiatsaffäre ist nicht der erste einer prominenten Berliner Politikerin. Die jetzige Wirtschaftssenatorin und frühere Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sah sich ebenfalls mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Die Hauptstadt-SPD wählte sie zusammen mit Raed Saleh Ende 2020 dennoch an die Spitze der Landespartei. Ein halbes Jahr später wurde Giffey ihr Doktortitel in Politikwissenschaft wegen Täuschung bei der Übernahme fremder Inhalte in ihrer Doktorarbeit aberkannt. Kurz zuvor hatte sie im Zuge der Plagiatsaffäre ihr Amt als Bundesfamilienministerin aufgegeben.

«Es ist nicht in meiner Hand, diesen Schritt zu bewerten», sagte Giffey nun auf Nachfrage von Journalisten zum Rücktritt ihrer Senatskollegin. «Ich kann Ihnen aber sagen, ich bedaure das, ich respektiere das.» Wegner lobte Schreiner als «Gesicht und Stimme» für die notwendige Verkehrswende in der Stadt. Sie habe sich für eine Verkehrspolitik eingesetzt, die alle Verkehrsteilnehmer in den Blick nehme. «Umso größer ist mein Respekt vor der Entscheidung von Manja Schreiner. Sie zeigt damit noch einmal mehr, dass sie bereit ist, ihre persönlichen Interessen hinten anzustellen.»

Nach Einschätzung von Grünen-Fraktionschef Werner Graf war der Rücktritt für Schreiner nach Aberkennung ihres Doktortitels der einzig mögliche Schritt. «Wer getäuscht und Privilegien missbraucht hat, muss Konsequenzen ziehen.» Politiker anderer Oppositionsparteien zollten Schreiner eher Respekt. «Dass jemand aufgrund eines aberkannten Doktortitels zurücktritt, ist heute leider keine Selbstverständlichkeit mehr», erklärten die Linken-Fraktionschefs Anne Helm und Carsten Schatz. «Deutlich weniger Respekt haben wir vor der politischen Bilanz ihrer einjährigen Amtszeit.» News4teachers / mit Material der dpa

SPD-Spitzenfrau Giffey verliert Doktortitel – mitten im Wahlkampf

Anzeige
Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

9 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Katze
20 Tage zuvor

Ja, es neigt mancher Primat
gern auch mal zum Plagiat.
Ganz bewusst wird falsch zitiert,
hat manche(n) schon zu Ruhm geführt.
Frau Dr. Schreiner ist keineswegs allein.
Es reihen sich sehr viele „Koryphäen“ ein.
Die politische Karriere steil bergauf
geht’s mit geschöntem Lebenslauf.
Und eh der Bürger sich’s gedacht,
ist der (Baer)Bock zum Gärtner gemacht.

„Ein Träumer baut sich ein Wolkenschloss. Ein Hochstapler erschwindelt sich die Hypothek dazu.“Willy Meurer (1934 – 2018)

Kohlrabi
20 Tage zuvor

Finde ich unnötig.

Unfassbar
20 Tage zuvor
Antwortet  Kohlrabi

Meinen Sie den Rücktritt oder das Plagiat?

NetterMisanthrop
20 Tage zuvor

Schlecht, dass sie plagiiert hat.
Gut, dass sie den Anstand hat zurückzutreten. Bisschen oldschool, aber gefällt mir.

Dann soll sie in akademischer und/oder politischer Karriere einen neuen Anlauf nehmen und ggf. die Sache so irgendwann hinter sich lassen. Politisch optimalerweise über eine Direktkandidatur, dann darf das Wahlvolk entscheiden.

Und jetzt hätte ich da noch ein paar Wunschkandidatinnen und -kandidaten… die sich leider nicht einreihen werden… ;o)

Unfassbar
20 Tage zuvor

Wenn man sich den Grad der Vorwürfe anschaut, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie tatsächlich nicht vorsätzlich abgeschrieben hat. Die einzig plausible Begründung für die Aussage wäre noch schlimmer, nämlich ein Ghostwriter.

Unfassbar
19 Tage zuvor

Wie können jemand so viele Zitierfehler unbewusst oder unbeabsichtigt unterlaufen? Das verstehe ich nicht.

Der Uwe
17 Tage zuvor
Antwortet  Unfassbar

Keine Zitierfehler, zu viele Zitate.
Die eigentliche Frage ist: Warum hat man das erst jetzt festgestellt? Nach fast 20 Jahren.
Da hat vorher schon wer gepennt oder wollte es nicht sehen oder es war gar kein Problem, nun kommt es dem einen oder anderen gelegen und man wird „Plagiatoren“ einfach los.
Es gab eine Zeit, da wurden solche gesehen, wie sie nackend mit dem Leibhaftigen tanzten…

Unfassbar
19 Tage zuvor

Streng genommen müsste man der Prüfungskommission, die die Doktorarbeit akzeptierte und die Doktorwürde aussprach, ebenfalls die Titel und die Lehrerlaubnis entziehen.

Der Uwe
17 Tage zuvor
Antwortet  Unfassbar

sehe ich auch so!

wpDiscuz
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner
Die mobile Version verlassen