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Berufsorientierung wie zu DDR-Zeiten: Praxistage für Schüler – „Interesse groß“

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ERFURT. Einst gab es in der DDR den «Unterrichtstag in der Produktion». In Nordthüringen probieren Schulen ein ähnliches Konzept. Bildungsminister Helmut Holter (Linke) sieht darin eine Erfolgsgeschichte.

Sich im Handwerk ausprobieren – das können Schülerinnen und Schüler an den „praktischen Tagen“ (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Vier Tage Schule, ein Tag in der Woche Praxis im Unternehmen: Thüringens Regelschüler sollen zunehmend regelmäßige praktische Tage in Unternehmen absolvieren. Vorbild ist das Schulamt Nordthüringen, wo bereits 23 Schulen und rund 1000 Schülerinnen und Schüler an dem Projekt teilnehmen. «Diese Win-Win-Situation macht Schule, und unser Ziel ist es, den Tag in der Praxis auch in anderen Regionen Thüringens ebenso stark zur Geltung zu bringen», sagte Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Es gelinge mit dem Konzept, Schülern praktische und berufliche Orientierung in ihrer Region zu bieten und Schulen und Unternehmen der Region miteinander zu vernetzen. «Der Tag in der Praxis ist eine Thüringer Erfolgsgeschichte.»

Das Konzept ist einfach und könnte manchen an ein ähnliches Prinzip aus DDR-Zeiten erinnern. Beim Tag in der Praxis besuchen Schülerinnen und Schüler der 8. und 9. Klassenstufe an einem Tag in der Woche einen Betrieb oder eine teilnehmende Einrichtung. Jeder Schüler durchläuft vier Praktikumsstationen und soll so «breit gefächerte Erfahrungen in vier verschiedenen Berufsbildern sammeln», erläuterte ein Sprecher des Bildungsministeriums. Dafür entfallen die sonst üblichen Schülerpraktika am Stück. Zu DDR-Zeiten gab es den «Unterrichtstag in der Produktion» (UTP).

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In Nordthüringen beteiligen sich den Angaben nach 850 Unternehmen oder Einrichtungen. Das Interesse sei groß, sagte Holter. Eine Pflicht zur Teilnahme für die Schulen gibt es nicht. «Die Schulen haben hier konzeptionellen Spielraum, wie sie Praxisorientierung und berufliche Orientierung im Schulkonzept verankern und mit Leben füllen», erklärte der Sprecher.

Die Industrie- und Handelskammer Erfurt unterstützt die praxisnahe Berufsorientierung, wie Thomas Fahlbusch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Abteilungsleiter Aus- und Weiterbildung der IHK Erfurt, erklärte. «Die Angebote sind eine Win-Win-Situation: Es erleichtert nicht nur den Jugendlichen, eine fundierte Entscheidung für ihre berufliche Zukunft zu treffen, sondern reduziert auch signifikant die Zahl der Ausbildungsabbrüche.» Fahlbusch lobt die neue Verankerung im Thüringer Schulgesetz. Dort wurde unter dem Absatz zu den Regelschulen dieser Satz reingeschrieben: «Praxisorientiertes Lernen und berufliche Orientierung sind durchgängiges Prinzip des Unterrichts.» Der Landtag verabschiedete die Änderungen im Gesetz erst vor zwei Wochen. «Mit der Schulgesetzänderung hat der Landtag zudem den Regel- und Gemeinschaftsschulen hier noch einmal großen Rückenwind gegeben», sagte Holter.

Nach Angaben seines Sprechers berichten Kammern und Kreishandwerkerschaften «von bemerkenswert gestiegenen Azubi-Zahlen im letzten Jahr in den Landkreisen Eichsfeld und Nordhausen. Es ist unklar, ob das am neuen Konzept des Tags in der Praxis liegt, sei aber auch nicht auszuschließen, so der Sprecher. News4teachers / mit Material der dpa

Duale Ausbildung in der Krise – Wirtschaft ruft nach mehr Berufsorientierung in Schulen (vor allem an Gymnasien)

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Individualist
10 Tage zuvor

Einen Tag in der Woche kann man einfach so entbehren, und das zwei Jahre lang in der Mittelstufe? Na dann ist ja noch viel „Luft im System“.

Anne S.
9 Tage zuvor
Antwortet  Individualist

Was ist denn inhaltlich daran auszusetzen?

Und praktisch: Besser als Vertretungsunterricht oder Unterrichtsausfall, oder nicht?

Individualist
9 Tage zuvor
Antwortet  Anne S.

Einer von 5 Tagen, das macht 20 % des Unterrichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der ausfallende Unterricht passgenau in dieser Zeit gebündelt werden kann. Krankheiten von Lehrern kann man nicht für ein ganzes Schuljahr planen.

Anne S.
8 Tage zuvor
Antwortet  Individualist

Aber latenten Personalmangel zusätzlich zu Krankheiten von Lehrern kann und muss man planen und die Betriebe können’s vielleicht auch gebrauchen, wenn man nicht nur Beschäftigungstherapie anbietet. 😉

Individualist
7 Tage zuvor
Antwortet  Anne S.

Und die Betriebe haben viel Zeit und Muße, sich um die Schüler zu kümmern.

Anne S.
7 Tage zuvor
Antwortet  Individualist

Laut Artikel haben sie das („großes Interesse“). Auf andere Quellen kann ich mich nicht stützen.

Lisa
9 Tage zuvor
Antwortet  Individualist

Ja, könnte man, wenn die Disziplin besser wäre. Es geht viel Zeit mit Streitschlichter, Material richten, etc drauf, bis man anfangen kann.
Allerdings wurden in der DDR die Schüler wirklich gebraucht, das war nicht nur Jux.

Wandervogel
10 Tage zuvor

Komisch, an UTP kann ich mich nicht erinnern. Ich erinnere mich an PA (Produktive Arbeit), wo wir in einem Betrieb an der Werkband arbeiten mussten, so etwa ab Klasse 8, ich glaube 1x wöchentlich, ich fand’s schrecklich und verstehe den Sinn bis heute nicht, und ich erinnere mich an ESP (Einführung in die sozialistische Produktion), was ich furchtbar langweilig fand und nichts begriff, aber wie man heute sagen kann zurecht, denn das war ja nicht zu begreifen, das war ja zum Scheitern verurteilt. 🙂

In der DDR war das Bildungswesen doch überall gleich, wieso kenne ich UTP nicht ???

potschemutschka
8 Tage zuvor
Antwortet  Wandervogel

Zu meiner Zeit hieß es noch UTP (Abi 1977), vielleicht wurde es später anders (PA) genannt?

Spazierstock
9 Tage zuvor

Also wir mussten einmal in der Woche in einer Werkstatt Kreuzgehänge feilen und sowas. Das brachte mir für das Leben nur so viel, dass ich sowas später nie machen wollte. Zu den normalen Arbeitern hatten wir dabei keinen Kontakt. Nur zu den „Lehrern“ da.

vhh
9 Tage zuvor

PISA und Co. zeigen mangelnde Fähigkeiten in Deutsch und Mathe. Politik und Verbände wollen immer mehr Lebensvorbereitung in die Schule packen, zu Lasten von ‚Unterricht‘. Es gibt überall zu wenig kompetentes Personal, ob (Förder)lehrkräfte, Sozialpädagogen, MPT-Kräfte, Inklusionsbegleiter.
Das wird besser mit einem Praktikumstag pro Woche, also einer 4-Schultage-Woche? Es gibt Schüler, die in so einem Langzeitprojekt genau richtig aufgehoben sind, besser noch 2:3 Tage, man nennt sie auch Schulverweigerer. Als Pflicht für alle? Was wollen wir, nur noch gut vorbereitete Arbeitsbienchen oder geht es auch um bestmögliche (Schul)bildung für möglichst viele? Heterogene Klassen -> individuelle Förderung -> flexible Regeln
Wer jetzt rechnet, dafür entfallen die Praktika am Stück, das ist doch kein Unterschied: Praktikum am Freitag macht keinen Sinn, Montag werden oft die Aufgaben für die Woche verteilt, kommen noch kurzfristige Aufträge. Praktikum also Di/Mi/Do, schon einmal eine Woche mit Feiertag unterrichtet? Ja, das zerreisst den Wochenablauf!
Wenn die Betriebe mit dem Bildungsniveau der so vorbereiteten Schüler trotzdem zufrieden sind, war es dann vielleicht nur genügend Zeit, vernünftiges Kennenlernen? Könnte man auch jetzt schon versuchen.

Generische Feminina
7 Tage zuvor

Gibt’s in Rheinland-Pfalz seit Jahrzehnten als verpflichtendes Angebot für Schüler:innen mit Ziel Berufsreife.
Evaluiert, mit Konzepten, Materialien und Begleitung hinterlegt- und viel Geld.
Thüringen schreibt hier ab. Nix Neues!

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