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Burg erforschen: Wie ein preisgekröntes Portal Lehrkräften hilft, Geschichte zu vermitteln

WIESBADEN. Geschichte nicht nur aus dem Schulbuch, sondern vor Ort erleben – das ist das Ziel der Plattform „Denkmal Europa“. Lehrkräften wird hier kostenloses Material für Ausflüge und Projektwochen bereitgestellt, um Denkmäler als spannende Lernorte zu entdecken. Workshops, multimediale Inhalte und ein praxisnahes Workbook eröffnen Wege, Kinder und Jugendliche forschend an historische Orte heranzuführen.

Abenteuer Mittelalter: die Burg Nideggen. Foto: Shutterstock / alfotokunst

Wer eine mittelalterliche Burg betritt, sieht zunächst dicke Mauern, schmale Fenster, vielleicht einen dunklen Brunnen. Aber was erzählen diese Steine wirklich? In Nideggen, einer kleinen Stadt in der Eifel, haben rund 400 Kinder und Jugendliche genau das herausgefunden. Sie waren eingeladen, die dortige Burg nicht nur zu besuchen, sondern sie tatsächlich zu erforschen.

Zeitreisen auf Augenhöhe im Kloster Maulbronn

„Pssst…! Die junge Klosterwelt“ lädt Kinder und Jugendliche ein, den Alltag der Mönche im Kloster Maulbronn auf neue Weise zu entdecken.

Kinder im Chorgestühl. Foto: Jürgen Franke / ssg

In einem auf ihre Lernbedürfnisse zugeschnittenen Bereich können die jungen Gäste ab acht Jahren interaktiv in die Geschichte des UNESCO-Welterbes eintauchen – und selbst ein Teil davon werden. Dabei schlüpfen sie in die Rolle junger Novizen und erkunden gemeinsam die Klosterwelt.

In jedem Raum lernen sie an interaktiven Stationen neue Aspekte des klösterlichen Lebens im Mittelalter kennen. Wer lebte im Kloster? Wer war für welche Aufgabe zuständig? An welche Essensregeln mussten sich die Zisterzienser halten? Begleitet von fünf fiktiven Charakteren und unter Anleitung einer Klosterführerin oder eines Klosterführers entdecken sie so Stück für Stück die Welt der Mönche.

Das Angebot richtet sich an Kinder und Jugendgruppen ab acht Jahren und ermöglicht fächerübergreifendes Lernen für alle Schularten.

Kloster Maulbronn
+49(0)70 43.92 66 10
info@kloster-maulbronn.de
www.kloster-maulbronn.de
www.schloesser-und-gaerten.de­

Statt einer klassischen Führung ging es um Fragen, die sich ganz aus der Lebenswelt der Kinder ergaben: „Wie viele Eimer Wasser wurden hier wohl täglich gebraucht?“, „Wo war eigentlich die Toilette – und wie funktionierte sie?“ oder „Warum steht mitten im Wald eine Mauer?“ Das Projekt verwandelte die Burg für eine Woche in ein Forschungslabor: Klassen zogen los, um Mauern zu vermessen, Legenden zu überprüfen und Alltagslogik auf die Bauweise anzuwenden. „Vermeintlich tote Steine erzählen eine sehr lebendige Geschichte, wenn man nur neugierig ist, genau hinschaut und Fragen stellt“, so beschreibt es Dr. Kristin Dohmen vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland.

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Die Burg Nideggen ist nur ein Beispiel von vielen. Die multimediale Plattform „Denkmal Europa“ stellt mehr als ein Dutzend solcher Projekte aus ganz Europa vor – vom Burglabor in der Eifel über Stadtrundgänge bis hin zu Exkursionen in alte Industrieanlagen. Dahinter steckt die Idee, Denkmäler als Lernorte zu begreifen: Orte, die Kindern und Jugendlichen unmittelbare Zugänge zur Geschichte, zu Architektur und zu gesellschaftlichen Fragen eröffnen. Lehrkräften, die Schülerinnen und Schülern bei Ausflügen und Klassenfahrten historische Orte nahebringen möchten, bietet die Seite eine Fülle an Anregungen.

Eine preisgekrönte Plattform

„Denkmal Europa ist eine Plattform, die zeigt, wie man Denkmäler als außerschulische Lernorte nutzen kann.“ Mit dieser schlichten Programmatik wurde die Seite zu einem europaweit ausgezeichneten Angebot: 2019 erhielt sie den Europa Nostra Award in der Kategorie Bildung, eine der renommiertesten Auszeichnungen im Kulturerbebereich. Gleichzeitig war sie für den Grimme Online Award nominiert – ein Beleg für die besondere multimediale Qualität der Gestaltung. Interaktive Grafiken, Graphic Novels, Videos und Scrollytelling-Timelines machen die Seite zu einem Erlebnis, das Kindern wie Erwachsenen Lust auf Entdeckungen macht.

Anbieter ist die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger (VDL), die das Projekt im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres 2018 entwickelt hat – gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Mit im Boot sind die Denkmalämter der Länder und pädagogische Partner, die für eine fundierte und zugleich kreative Umsetzung sorgen. Für Lehrkräfte entscheidend: Die Nutzung ist komplett kostenlos.

Was wird Lehrkräften geboten?

Wer als Lehrerin oder Lehrer überlegt, mit der Klasse an einem Denkmal zu arbeiten, findet hier reichlich Inspiration – und Unterstützung. Besonders hervorzuheben sind die Workshops, die Denkmal Europa regelmäßig anbietet. Online erproben Pädagoginnen und Pädagogen Methoden, die sich anschließend vor Ort erproben lassen – vom Spurensammeln am Bauwerk bis zur digitalen Dokumentation. Diese Verbindung von analogem und digitalem Lernen zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Angebot.

Das didaktische Konzept ist konsequent: inklusives und partizipatives Lernen. Historische Orte werden als „dritte Pädagogen“ verstanden. Die Lernenden stehen im Zentrum, ihre Fragen geben den Weg vor. Sie forschen, gestalten und präsentieren – und entwickeln so Kompetenzen, die weit über das einzelne Denkmal hinausreichen: vom wissenschaftlichen Arbeiten über kreative Prozesse bis hin zu Reflexion und Feedback.

Das Herzstück: das Workbook

Ein echtes Highlight – und für den Unterricht unmittelbar nutzbar – ist das Workbook. Es ist als PDF gratis verfügbar, kann aber auch als gedruckte Ausgabe bestellt werden. „Das Workbook macht das Lernen am Denkmal lebendig“, heißt es dazu auf der Seite. Und das stimmt: Es liefert nicht nur methodische Impulse, sondern auch konkrete Materialien, mit denen sich sofort arbeiten lässt.

Das Workbook führt die Schülerinnen und Schüler Schritt für Schritt durch die Arbeit an einem Denkmal. Es gliedert sich in vier Module: Forschen vor der Haustür, Forschen am Schreibtisch, Kreativ werden und Denkmal-Check. In jedem Abschnitt finden sich offene Forscherfragen, etwa: „Wie sah die Mauer früher aus?“, „Was verrät uns der Brunnen über die Versorgung?“ oder „Welche Spuren deuten auf Umbauten hin?“

Daneben gibt es kreative Aufgaben: Mauern abreiben, Steine zeichnen, mit Spiegeln Architektur erforschen oder selbst kleine Modelle bauen. Fächerübergreifende Impulse verbinden Geschichte mit Physik (etwa beim Berechnen von Mauerdicken), Kunst (Urban Sketching, Fotografie) und Sozialwissenschaften (Wer nutzte die Räume? Wie lebten die Menschen?). QR-Codes führen zu weiterführenden Inhalten auf der Website, die Materialien sind grafisch ansprechend aufbereitet – und damit auch für Vertretungsstunden oder Projekttage sofort einsatzfähig.

Lehrkräfte erhalten so einen Leitfaden, der sie nicht nur durch die Planung, sondern auch durch die Durchführung und Reflexion führt. Das Workbook ist damit mehr als nur eine Materialsammlung – es ist eine Art „Reiseführer ins Denkmal“, praxisnah, kreativ und wissenschaftlich zugleich.

Zurück nach Nideggen

Und wie sieht das Ganze dann in der Praxis aus? In Nideggen etwa begaben sich die Schüler*innen in Gruppen auf die Suche nach Spuren. Einige krochen mit Taschenlampen durch enge Durchgänge, andere zeichneten Grundrisse, wieder andere stellten Alltagsfragen: Wo schlief man, wie kochte man, wie schützte man sich gegen Angriffe? Bald verwandelte sich die Burg in ein großes, lebendiges Klassenzimmer.

Am Ende der Woche präsentierten die Kinder ihre Ergebnisse: kleine Ausstellungen, Führungen, Poster mit eigenen Hypothesen, sogar kurze Videos. Aus dem Blick von außen auf „alte Steine“ war ein intensives Erleben geworden. Geschichte wurde erfahrbar – nicht als trockenes Faktum, sondern als ein Puzzle, das man selbst zusammensetzt. Wer so lernt, begreift: Geschichte ist nicht fern, sondern liegt buchstäblich vor der eigenen Haustür.

Hier geht es zu „Denkmal Europa“. 

Hier geht es zu allen weiteren Beiträgen des Themenmonats “Klassenfahrten und außerschulische Lernorte”. 

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