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Distanzunterricht gesetzlich verankern – Schulleitungen: Aber nicht als Billig-Lösung!

HANNOVER. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig rechtssichere Strukturen für den Distanzunterricht sind – nun will ein Bundesland digitale Lernformen dauerhaft in seinem Schulgesetz verankern. Der Allgemeine Schulleitungsverband Deutschlands (ASD) begrüßt das grundsätzlich, warnt aber vor Fehlentwicklungen: Der Distanzunterricht dürfe kein Ersatz für Präsenzunterricht und keine Notlösung für strukturelle Defizite werden.

Auf Abstand. (Symbolfoto.) Foto: Shutterstock

In Niedersachsen soll Distanzunterricht künftig möglich sein, wenn Schulen wegen extremer Wetterlagen wie Sturm, Glatteis oder Hitze geschlossen bleiben müssen. Auch bei Bränden oder ähnlichen Notfällen könnte der Unterricht digital fortgesetzt werden. Das sieht ein Gesetzentwurf der rot-grünen Landesregierung vor. Der Präsenzunterricht bleibe aber der Regelfall, betonte das Kultusministerium. „Wir öffnen hiermit keineswegs irgendeine Hintertür, was einige Verbände befürchten“, sagte eine Sprecherin von Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne).

Mit dem neuen Rechtsrahmen will die Regierung zugleich pädagogische Innovationen fördern – etwa Blended Learning oder Projektarbeit über mehrere Standorte hinweg.

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Mehrere Verbände hatten allerdings schon im Vorfeld gewarnt, die Neuregelung dürfe nicht dazu führen, dass Lehrkräftemangel oder Raumnot mit digitalen Ersatzlösungen kompensiert werden. Auch der Landeselternrat zeigte sich skeptisch (News4teachers berichtete).

ASD fordert klare gesetzliche Leitplanken

Der Allgemeine Schulleitungsverband Deutschlands (ASD) hält die Initiative grundsätzlich für richtig – fordert aber eine bundesweite, abgestimmte Lösung. „Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Distanzunterricht ein wesentlicher Bestandteil schulischer Handlungsfähigkeit in Krisenzeiten sein kann“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme des Verbands. Schulen hätten jedoch bislang keine rechtlich verlässliche Grundlage, sondern stützten sich auf Erlasse oder Übergangsregelungen. „Es ist an der Zeit, diese Rechtsunsicherheiten zu beseitigen.“

Eine gesetzliche Regelung könne Schulen und Schulleitungen Rechtssicherheit bieten – insbesondere bei Fragen der Schulpflicht, Leistungsbewertung, Aufsichtspflicht oder des Datenschutzes. Gleichzeitig dürfe eine solche Regelung nicht dazu führen, dass Schulleitungen die Verantwortung allein tragen. „Die Verantwortung für den erfolgreichen Einsatz von Distanzunterricht muss gemeinsam bei Land, Schulträgern und Schulen liegen“, mahnt der ASD. Es brauche verbindliche Zusagen zu Infrastruktur, technischer Unterstützung, Personalressourcen und Fortbildung.

Chancen und Risiken: Zwischen pädagogischer Innovation und sozialem Gefälle

Aus Sicht des ASD kann eine gesetzliche Verankerung pädagogische Chancen eröffnen – etwa durch mehr Flexibilität bei Krankheit, Mobilitätseinschränkungen oder längeren Fehlzeiten. Digitale Formate könnten zudem Kooperationen zwischen Schulen erleichtern und digitale Kompetenzen systematisch fördern. „Distanzunterricht darf aber nicht als Ersatz, sondern lediglich als pädagogische Ergänzung des Präsenzunterrichts verstanden werden“, betont der Verband.

Gleichzeitig warnt er vor Risiken: Wenn Distanzunterricht zu häufig oder ohne pädagogische Begründung eingesetzt werde, drohe der Verlust sozialen Lernens – besonders in der Grundschule. Auch technische und soziale Unterschiede zwischen Familien könnten sich verschärfen. Zudem dürfe die Einführung digitaler Formate nicht zu einer weiteren Arbeitsbelastung für Lehrkräfte und Schulleitungen führen.

„Distanzunterricht darf nicht zur Kompensation struktureller Defizite wie Lehrkräftemangel oder Raumnot eingesetzt werden“, stellt der Verband klar. Datenschutz, Aufsicht und Verantwortungsverteilung müssten vor einer Einführung eindeutig geregelt sein.

„Schule ist mehr als ein Lernort – sie ist ein Lebensraum“

In seinem Fazit mahnt der ASD, dass jede gesetzliche Regelung pädagogisch begründet, rechtlich klar und ressourcenseitig abgesichert sein müsse. Zudem seien die Unterschiede zwischen Schulformen und Altersstufen zu beachten. „Schule ist mehr als ein Lernort – sie ist ein Lebensraum. Digitalisierung kann diesen Raum erweitern, darf ihn aber nicht ersetzen“, heißt es.

Der Verband schlägt deshalb vor, gemeinsam mit allen Beteiligten – insbesondere den Schulleitungsverbänden – einen bundesweit anschlussfähigen Rechtsrahmen zu entwickeln. Ziel müsse sein, Distanzunterricht als „komplementäre und rechtssichere Unterrichtsform“ zu etablieren – ohne zusätzliche Belastungsebene für Schulen und Schulleitungen.

„Erst durch klare Zuständigkeiten und verbindliche Unterstützungsstrukturen wird Distanzunterricht zu einem verlässlichen Bestandteil schulischer Bildung – und nicht zu einer weiteren Herausforderung für Leitung und Kollegium“, fasst der ASD zusammen.

Hintergrund: Die geplante Schulgesetzänderung in Niedersachsen befindet sich derzeit noch im Entwurfsstadium. Der Landtag muss die Reform erst beschließen. News4teachers / mit Material der dpa

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