MAINZ. Ein großer Wurf? Monatelang will das Bildungsministerium nach eigenen Angaben daran gearbeitet haben – die neue Digitalstrategie für Kitas und Schulen in Rheinland-Pfalz, die Bildungsminister Sven Teuber jetzt in Mainz vorgestellt hat. Sie soll nichts weniger leisten, als das Bildungssystem in eine „Kultur der Digitalität“ zu führen. Doch wie groß ist der Schritt wirklich, den das Land wagt? Einige der darin enthaltenen Maßnahmen dürften für Diskussionen sorgen – etwa ein Test von digitalen Kompetenzen, dem sich Lehrkräfte unterziehen sollen.
Das Ministerium beschreibt das Papier als Vision und Wegweiser. Teuber setzt dabei bewusst auf Abstand zu reiner Technikbegeisterung. „Bildung verbindet Menschen – Technik kann hierbei helfen. Das ist das Fundament für alles, was wir uns mit der Digitalstrategie vorgenommen haben“, erklärte der SPD-Politiker. Es gehe darum, junge Menschen zu stärken – „ob im analogen oder im digitalen Raum“. Technik sei kein Selbstzweck: „Wir stellen sie ganz klar in den Dienst der Pädagogik und der gesamten Bildungsfamilie.“ Die Strategie sei ein „wichtiger Meilenstein, aber mehr Auftakt als Abschluss“, sagte Teuber. Der Erfolg entscheide sich „in den nächsten Jahren“.
Zu den Kernpunkten zählen ein digitales Bücherregal für alle Schulen, ein Bildungsportal mit rund 30 Anwendungen und Single Sign-on, KI-gestützte Assistenzsysteme für die Verwaltung sowie neue digitale Werkzeuge für eine gezielte Schul- und Unterrichtsentwicklung. Auch landesweite Schulleitertagungen sollen künftig den Austausch stärken. Eltern wiederum sollen früh einbezogen werden – schon in Kitas solle darüber gesprochen werden, wie Medienkompetenz altersgerecht vermittelt werden kann, ohne digitale Welten selbst zum Bestandteil der Kita-Pädagogik zu machen.
Das kanadische Schulsystem dient als Vorbild – dort erarbeitet jede Schule einen eigenen Vier-Jahres-Plan
Parallel dazu skizziert Teuber eine politische Schwerpunktverschiebung hin zu mehr Datennutzung in der Schulentwicklung. Vergleichsarbeiten sollen ausgeweitet werden, um individuelle Förderung genauer auszurichten. Das kanadische Schulsystem dient als Vorbild – dort erarbeitet jede Schule einen eigenen Vier-Jahres-Plan, der auf die Förderung der Schülerinnen und Schüler zugeschnitten ist. Unterricht sei weniger lehrerzentriert, dafür stärker an Gruppenprozessen orientiert.
Die entscheidende Frage lautet jedoch: Was kommt davon tatsächlich im Alltag an? Einen Einblick geben die Maßnahmen, die das Ministerium beispielhaft im Strategiepapier aufgeführt hat – sie zeigen, wie konkret die Weichen gestellt werden sollen.
- So heißt es im Handlungsfeld Lernen und Lehren, dass das Land kurzfristig „mit anderen Ländern einen Prüfkriterienkatalog für digitale Bildungsmedien“ erarbeitet und im Rahmen des Vorhabens „eduCheck digital“ ein bundesweit einheitliches Prüfverfahren entsteht, das digitale Bildungsmedien in Bezug auf „Recht & Datenschutz, Technik, IT-Sicherheit & Interoperabilität sowie Barrierearmut & Usability“ bewertet. Langfristig wolle man „prüfen, inwieweit Leistungsüberprüfungen angesichts der Digitalität noch stärker kompetenz- und prozessorientiert gestaltet werden können“ und welche Folgen das für Prüfungsordnungen habe.
- Bei der Qualifizierung des pädagogischen Personals sieht das Papier vor, dass „alle angehenden Lehrkräfte ihre digitalen Kompetenzen auf Grundlage des Europäischen Referenzrahmens für Digitale Kompetenz bei Lehrenden (DigCompEdu) testen“ und diese „auf Grundlage des Ergebnisses zielgerichtet weiterentwickeln“.
- Deutlich umfangreicher werden die Schritte bei Infrastruktur und Verwaltung beschrieben. Ab Herbst 2025, so heißt es dort, stelle das Land „an Stelle unserer Geräte- und Netzwerksoftware MNS+ die auf unsere Anforderungen maßgeschneiderte Nachfolgelösung IServ RLP bereit“. Die kostenfreie Landeslizenz biete allen Schulträgern „eine verlässliche, zukunftsorientierte, betriebspflegearme und passgenaue Lösung“, die zugleich „den Schulalltag für Lehrkräfte“ erleichtere.
- Außerdem werde „das ‘Digitale Bücherregal’ in der Fläche ausgebaut“, sodass ab dem Schuljahr 2025/26 alle Schulen der Schulbuchausleihe einen Zugang erhalten. Die zentrale Beschaffung und Aktivierung der Lizenzen reduziere den Verwaltungsaufwand – während „Schülerinnen und Schüler über das Bildungsportal RLP per Single Sign-on einen komfortablen Zugang“ zu ihren digitalen Schulbüchern bekommen.
- Um Schule und Unterricht datengestützt weiterentwickeln zu können, stellt das Land zudem „digitale Werkzeuge zur Verfügung, die die Schulen bei einer an messbaren Zielen orientierten Schul- und Unterrichtsentwicklung unterstützen“. Eltern sollen außerdem über das Schulportal „ein digitales Endgerät für ihre Kinder leasen“ können; für Schülerinnen und Schüler der Lernmittelfreiheit sei das Angebot kostenfrei.
- Weiter kündigt das Ministerium eine Vorstudie für eine digitale Schülerakte an, die „die gesamte Bildungsbiographie der Lernenden von der Einschulung bis zum Schulabschluss“ enthalten soll. Parallel dazu wird „ein Stammdatenserver eingerichtet“, der künftig „als zentrale Datendrehscheibe“ dient und schulbezogene Daten nur noch einmal erfasst und dann „projektübergreifend zur Verfügung gestellt“.
- Auch langfristige Infrastruktur- und Lernentwicklungen werden skizziert. Die Möglichkeiten zur Individualisierung der Lernprozesse sollen erweitert werden – mithilfe „von KI-gestützten intelligenten tutoriellen Systemen“. Dafür werde „das Lernmanagement Schulcampus sukzessive an die technologischen Entwicklungen“ angepasst.
Kritische Stimmen waren vergangene Woche schon im Mainzer Landtag zu hören, wo Teuber erste Ausblicke auf die neue Strategie gegeben hatte. So mahnte etwa die CDU-Bildungsexpertin Jenny Groß: Die Lehrkräfte müssten entlastet – und nicht durch neue Bürokratie beim Datensammeln zusätzlich belastet – werden. News4teachers / mit Material der dpa
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