LEIPZIG. Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, hat vor dem “inflationären Gebrauch des schwammigen Begriffs Burnout” gewarnt. Dies könne dazu führen, dass Betroffene verwirrt und möglicherweise falsch behandelt würden.
“Ein Großteil der Menschen, die wegen ‘Burnout’ eine längere Auszeit nehmen, leidet defacto schlicht an einer depressiven Erkrankung. Alle für die Diagnose einer Depression nötigen Krankheitszeichen liegen vor, wozu immer auch das Gefühl tiefer Erschöpftheit gehört”, erklärt Hegerl. Problematisch und nicht selten in gefährlicher Weise irreführend sei dabei, dass der Begriff eine Selbstüberforderung oder Überforderung von außen als Ursache suggeriere. “Auch wenn ausnahmslos jede Depression mit dem tiefen Gefühl der Erschöpftheit einhergeht, ist jedoch nur bei einer Minderheit der depressiv Erkrankten eine tatsächliche Überforderung der Auslöser der Erkrankung”, sagt der Direktor der Klinik für Psychiagtrie und Psychotherapie der Universität Leipzig. “Bei zahlreichen Menschen mit einer depressiven Episode ist beim besten Willen kein bedeutsamer Auslöser festzustellen. Viele depressiv Erkrankte fühlen sich in einer schweren depressiven Episode zu erschöpft, um ihrer Arbeit nachzugehen, ja um sich selbst zu versorgen; nach erfolgreicher Behandlung und Abklingen der Depression empfinden sie die zuvor als völlige Überforderung wahrgenommene berufliche Tätigkeit wieder als befriedigenden und sinnvollen Teil ihres Lebens”, erklärt der Arzt.
Mehr Schlaf hilft Depressiven nicht
Mit dem Begriff Burnout sei die Vorstellung verbunden, dass langsamer treten, länger schlafen und Urlaub machen gute Bewältigungsstrategien seien. Hegerl: “Verbirgt sich hinter diesem Begriff eine depressive Erkrankung, so sind dies jedoch oft keine empfehlenswerten und oft sogar gefährliche Gegenmaßnahmen.” Menschen mit depressiven Erkrankungen reagierten auf längeren Schlaf und eine längere Bettzeit nicht selten mit Zunahme der Erschöpftheit und Stimmungsverschlechterung. Dagegen sei Schlafentzug eine etablierte antidepressive Behandlung bei stationärer Behandlung.
Auch ein Urlaub sei jedem depressiv Erkrankten dringend abzuraten. “Der eigene Zustand mit Antriebsstörung und der Unfähigkeit, irgendeine Freude zu empfinden, wird im Urlaub in fremder Umgebung besonders bedrückend und schmerzlich erlebt wird”, sagt der Mediziner. Ob eine Krankschreibung, die bei schweren Depressionen unvermeidlich sei, auch bei Betroffenen mit leichteren Depressionen sinnvoll sei, müsse im Einzelfall entschieden werden. “Es gibt nicht wenige depressiv Erkrankte, die als besonders belastend erleben, wenn sie nach der Krankschreibung grübelnd zu Hause im Bett liegen”, betont Hegerl.
Lehrer gelten als eine der am häufigsten von Burnout betroffenen Berufsgruppen. Einer Studie von 2009 zufolge sind bei jedem dritten Lehrer in Deutschland Burnout-Symptome nachweisbar. (red)