DÜSSELDORF. Scientology sucht derzeit offenbar wieder verstärkt den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen: Unter dem Absender „Way To Happiness Foundation” werde ein Buch der Organisation derzeit an Schulen verschickt, so warnt das Sekten-Info Nordrhein-Westfalen. Dies berichtet die Nachrichtenseite „Der Westen“.
Den „Weg zum Glücklichsein“ gibt es, so ist dem Scientology-Store zu entnehmen, als Buch, als Broschüre sowie als Datei. Auf dem kitschigen Umschlagbild schlängelt sich ein Weg durch eine grüne Landschaft – einem strahlenden Licht entgegen. Als Herausgeber tritt die „Way To Happiness Foundation“ auf, eine Stiftung mit Sitz in den USA, doch nach Informationen von Sekten-Info NRW stecke Scientology dahinter, berichtet „Der Westen“. „Die Scientologen versuchen seit einigen Wochen, mit Hilfe dieser Tarnorganisation Kontakt zu Schulen zu bekommen“, warnt Sabine Riede, Geschäftsführerin von Sekten-Info dem Bericht zufolge. Das Buch sei bereits an weiterführende Schulen in NRW verschickt worden. Die Bücher würden mit einem Begleitschreiben versandt, in dem die Stiftung ihre Ziele darlege, so Riede. Die Schüler sollten wieder verstärkt an moralische Fragen herangeführt werden, erklärten die Absender darin. Auf der Homepage der „Way To Happiness Foundation“ könnten Lehrer Material herunterladen, um das Buch im Unterricht zu behandeln.
Gegenüber der „Welt am Sonntag“ berichtet eine Aussteigerin, dass Scientologen sich mithilfe der US-Stiftung strategisch darauf konzentrieren, Schulen zu kontaktieren. „Scientology hat Probleme, in Deutschland Mitglieder und Anhänger zu bekommen. Es gibt den Plan, den Fokus auf Jugendliche zu richten”, sagt die Frau, die anonym bleiben will, im Gespräch mit der Zeitung.
Sekten-Info NRW hat das nordrhein-westfälische Schulministerium laut „Der Westen“ aufgefordert, die Schulen über die neue Strategie zu informieren. Auch Marc Ratajczak, der Sektenbeauftragte der CDU-Landtagsfraktion, hat sich dem Appell angeschlossen. „Der Bezug zu Scientology ist für viele Lehrer nicht ersichtlich“, so wird Ratajczak zitiert. „Daher ist die Gefahr groß, dass das Buch unbemerkt in der Schulbibliothek landet.“ Beim Schulministerium heiße es allerdings: „Wir verschicken keine allgemeine Warn-Mail an die Schulen, um die Sache nicht unnötig aufzuwerten.“ Man gehe davon aus, dass die Lehrer ausreichend für das Thema Scientology sensibilisiert seien. Der Philologenverband hat angekündigt, seine Mitglieder mit einer Rundmail vor „Der Weg zum Glücklichsein“ zu warnen.
“Manche Lehrer laden Scientology ein”
Dass Lehrer ihre Kompetenz im Umgang mit Scientology überschätzen, erlebt Sekten-Expertin Riede immer wieder. „Manche Pädagogen laden Scientologen in den Unterricht ein, um diese vermeintlich zu entzaubern oder schicken Schüler zur Referats-Recherche bei der Organisation vorbei“, berichtet sie gegenüber dem „Westen“. Doch persönlicher Kontakt sei ein großes Risiko und sollte vermieden werden. „Scientologen treten stets freundlich auf und sind oftmals geschickt darin, ihr Gegenüber zu manipulieren“, sagt Riede. Gerade Schüler in Lebenskrisen seien dadurch leicht verführbar.
Eine der Hauptgefahren für Jugendliche sei, dass sie den Verheißungen der Scientologen Glauben schenkten, sagt Riede dem Bericht zufolge. „Sie raten den jungen Leuten von einem Studium oder einer Ausbildung ab und versprechen ihnen eine glanzvolle Zukunft innerhalb der Organisation. Dabei geraten die Betroffenen in komplette finanzielle Abhängigkeit von Scientology und vernachlässigen ihre Ausbildung.“
Die aktuelle Strategie ist offenbar nicht er erste Versuch von Scientology, unerkannt über die Schulen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen zu bekommen. Unter dem Deckmantel einer Anti-Drogen-Kampagne dränge Scientology an die Schulen, berichtete der „Tagesspiegel“ 2009. Briefe, in denen Anti-Drogen-Seminare oder Vorträge für den Ethik-oder Religionsunterricht angeboten wurden, seien damals an Schulleiter in Berlin und Brandenburg gegangen
Auch auf dem Nachhilfe-Markt versuchte Scientology offenbar Fuß zu fassen. Sekten-Info NRW berichtet davon, dass sie tatsächlich auf Fälle gestoßen seien, in denen Eltern unwissentlich ihre Kinder einem scientologischen Nachhilfeangebot anvertraut hätten. „Alle Nachhilfeschüler hatten keinen fächerorientierten Unterricht erhalten, sondern eine Schulung mitgemacht, die sich ausschließlich an der ‚Lerntechnologie‘ von L.R. Hubbard, dem Gründer der Scientology-Organisation, orientiert. Einige waren bereits missioniert worden, und in einem Fall sind sogar scientologische Pseudotherapien angewandt worden“, so berichtet die Aufklärungsstelle, die vom Land NRW gefördert wird. NINA BRAUN
(16.3.2012)
