BERLIN (Mit Leserkommentaren). Eine Bürgerbewegung um den renommierten Neurowissenschaftler Gerald Hüther möchte die Schule von unten reformieren. Gesucht werden 100 Modellschulen zur Etablierung einer neuen Lernkultur – ohne auswendig gelerntes Abfragwissen.
Das breite Bündnis von Wissenschaftlern, Managern, Gewerkschaftlern, Pädagogen und Künstlern plädiert für eine neue «Lern- und Beziehungskultur» in Deutschlands Schulen. «Nicht auswendig gelerntes, sondern selbstständig erworbenes Wissen und Können ist das, worauf es für die Gestalter des 21. Jahrhunderts ankommt», sagte Hüther (Göttingen) bei der Vorstellung des Aufrufes «Schule im Aufbruch».
Gesucht werden bereits für dieses Schuljahr 100 Modellschulen, die das Bündnis bei der Einführung einer neuen Lernkultur unterstützen will. Angestrebt wird jeweils vor Ort eine enge Zusammenarbeit der Schule mit Eltern, Bürgerbewegungen, Organisationen und engagierten Unternehmen.
«Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen, unsere Schulen sind im 20. Jahrhundert stehen geblieben», sagte Hüther. Das Bündnis versteht sich als eine «bürgerschaftliche Bewegung, die Schule von unten verbessern will». Das Lernen müsse von hierarchischem Belehren befreit werden – hin zu einem kreativen Austausch unter Lernenden.
«Es gibt in diesem Land schon gute Schulen, aber es sind bisher nur Leuchttürme», sagte der Rechtswissenschaftler Stephan Breidenbach, Mitgründer der Humboldt-Viadrina School of Governance in Berlin. Als Beispiele wurden unter anderem die Laborschule Bielefeld, die Grundschule Kleine Kielstraße in Dortmund, die Waldhofschule Templin oder die Evangelische Schule Berlin Zentrum genannt – alles Einrichtungen, die bereits mit dem Deutschen Schulpreis der Robert-Bosch-Stiftung oder anderen Auszeichnungen bedacht worden sind.
Was diese Schulen aus ihrer Sicht auszeichnet, beschreiben die Initiatoren so: „Jedes Kind wird hier in seiner Einzigartigkeit gesehen, angenommen und angesprochen. Schüler erleben sich eingeladen, ihre besonderen Begabungen und Potenziale zu entfalten. Sitzenbleiben kommt nicht vor. Alle lernen nach einem individuellen Plan. Lehrer begleiten ihre Lernprozesse. Schüler übernehmen Verantwortung und lernen, vielfältige Herausforderungen zu meistern, nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Schule.“
Hüther, Breidenbach und die Direktorin der Berliner Schule, Margret Rasfeld, gehörten zu dem sechsköpfigen Expertenteam beim Zukunftsdialog «Wie wollen wir künftig lernen?» von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Breidenbach verwies allerdings darauf, dass das Thema Schule wegen der föderalen Länderkompetenzen im Zukunftsdialog kaum eine Rolle gespielt habe. dpa
(23.8.2012)
