WIEN. “Ganz schön intim” heißt die Aufklärungsbroschüre, die zurzeit kirchliche und konservative politische Kräfte in Österreich empört. Herausgegeben wurde das rund 150 Seiten dicke Heft vom Unterrichtsministerium.
Den Anstoss der Empörung haben offenbar 20 Elternpaare gegeben, die “gegen die Sexualisierung ihrer Kinder auf Basis der Genderideologie sind”, wie sie selber auf ihrer Facebook-Seite “Skandal im BMUKK” schreiben. Die konservativen Parteien ÖVP und die FPÖ verorteten in den Unterrichtmaterialien in einer parlamentarischen Anfrage eine “Diskreditierung der sogenannten Kernfamilie”, berichtet die “Presse.at”. Außerdem würden “natürlich gewachsene Familien zwischen Mann und Frau in dem Druckwerk diskreditiert werden, dafür ‘lesbisch’, ‘schwul’, ‘hetero’ und ‘trans’ als vollkommen gleichwertig dargestellt”.
Der Verein “Selbstlaut”, der das Heft im Auftrag des Ministeriums erstellt hat, und gegen sexualisierte Gewalt von Kindern vorgeht,nahm dazu Stellung. Es sei Absicht, dass in den Materialien Minderheiten wie etwa intersexuelle Personen oder gleichgeschlechtlich Liebende und Lebende in quasi einem Atemzug genannt werden mit Mehrheitspositionen. Das sei ein “wichtiger Teil von Prävention sexueller Gewalt, da Kinder, die einer gesellschaftlichen Randgruppe angehören, in höherem Ausmaß von sexueller Gewalt bedroht und betroffen sind, als Kinder, die sich und ihre identitären Koordinaten überall abgebildet und gesellschaftlich anerkannt wissen.”
Und weiter heißt es: “Zuallererst sollten gute Materialien zur Sexualerziehung nicht den Status quo fortschreiben, sondern überraschen, anregen, herausfordern.” Mit Hilfe von Aufklärungsunterricht sollen Kinder spielerisch lernen, verantwortungsvoll mit Sexualität umzugehen, darüber zu sprechen und eigene Grenzen kennen zu lernen. Frühe Aufklärungsarbeit sei wichtig, die Lehrmaterialien richten sich an Sechs- bis Zwölfjährige. Kinder, die aufgeklärt seien, die ihren Körper inklusive ihrer Geschlechtsorgane kennen (sei es durch Selbstberührung, Masturbation, durch Fragen oder Bilderbücher), seien besser vor sexuellen Übergriffen geschützt als Kinder, die erst in der Pubertät Sexualerziehung bekämen.
Passage zur Leihmutterschaft wird überarbeitet
“Als Ganzes sehr benutzerfreundlich und praktikabel”, beurteilt Olef Kapella vom Institut für Familienforschung (ÖIF) an der Uni Wien die Broschüre. Verbesserungsvorschläge sieht der Experte nur etwa bei der Aufzählung, “wie Babys zu uns kommen”, schreibt “die Presse.com”. Die Aufzählung, die mit Adoption beginne, sei eher alphabetisch. Eine Priorisierung könnte unmissverständlicher sein, etwa im Stil von ‘Die meisten Kinder entstehen durch Geschlechtsverkehr, dann gibt es aber noch andere Wege.'” Er schränkt aber ein, das wüssten die Lehrer, an die sich die Broschüre richte, sowieso. Lediglich der Text über die Rechtslage in Sachen Leihmutterschaft und Samenbanken müsse dringend überarbeitet werden, sagt Kapella. Da müsse hinein, was in Österreich erlaubt ist und was verboten. In der Tat hatten zuvor auch Kritiker diesen Punkt moniert: Leihmutterschaft und Samendatenbanken würden trotz des gesetzlichen Verbots in Österreich als mögliche Optionen dargestellt.
Darauf reagiert jetzt auch Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Schmied halte an der Broschüre fest, weil sie für eine offene Gesellschaft sei, berichtet der “Standard.at”, überarbeitet werden solle jetzt aber jener Textteil, in dem es um die Leihmutterschaft gehe. Grundsätzlich habe sich aber der Verein bei der Erstellung der Unterrichtsmaterialien an den Prinzipien der WHO orientiert.
Zum Download der Broschüre geht es hier
