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Grundschul-Ranking: Bayern ist spitze. Doch was nützt die Erkenntnis?

BERLIN. Im Süden Deutschlands lernt es sich besser. Dies belegt erneut ein Bundesländer-Schulvergleich, diesmal der Grundschulen. Doch was bringt die – nicht neue – Erkenntnis? Kritik an den Leistungsvergleichen wird laut.

Der höchste Berg und die besten Schulen: Bayern ist – mal wieder – spitze. Foto: KaukOr / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

«Wir haben längst kein Erkenntnisdefizit mehr, sondern ein Handlungsdefizit», kritisiert etwa Marianne Demmer, Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). «Welchen Sinn hat es, wenn die Vergleiche immer wieder zeigen, dass dieselben Bundesländer an der Spitze stehen und dieselben Länder am Ende?» Und selbst Kultusministerkonferenz-Präsident Ties Rabe (Hamburg/SPD) pflichtet ihr bei, dass man diese Kritik nicht einfach beiseite schieben könne.  Denn was sollen allein beschreibende Bundesländer-Vergleiche, wenn man etwa die Leistungen der Grundschulen im «armen» Ballungsraum Berlin mit denen im «reichen», ländlichen Flächenstaat Bayern vergleicht – und dann feststellt, dass die Kinder ganz im Süden der Republik in Mathematik schon ein Schuljahr weiter sind als die Gleichaltrigen an der Spree?

Auch der neue Vergleich, den die Kultusministerkonferenz (KMK) in Auftrag gegeben hat, offenbart ein starkes Leistungsgefälle zwischen Süd- und Norddeutschland – diesmal bei den Schülern der vierten Klasse. In den drei getesteten Disziplinen – Lesen, Zuhören, Mathematik – dominieren in der Spitze überwiegend Länder aus dem Süden, allen voran Bayern, gefolgt von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg.  Danach folgt im Länderranking ein sehr breites Mittelfeld mit nur knappen Punktunterschieden, am Ende davon liegen Rheinland-Pfalz und Hessen. Erhebliche Probleme in nahezu allen Bereichen haben dagegen die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg.

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Kultusminister versprechen Konsequenzen

Diesmal, so versprechen die Kultusminister, soll die Erkenntnis allerdings Folgen haben. An deutschen Schulen soll es künftig über die Bundesländer-Grenzen hinweg mehr Einheitlichkeit beim Lernniveau geben. Das versicherte KMK-Präsident Rabe bei der Präsentation des neuen Rankings. Seit dem Pisa-Schock vor gut zehn Jahren und dem schlechten deutschen Abschneiden im internationalen Leistungsvergleich sei viel verbessert worden, sagte Rabe. Jetzt müsse verstärkt nach den Ursachen der nach wie vor bestehenden Länder-Unterschiede geforscht werden.

Die Autoren der Studie vom Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) verwiesen auf die unterschiedliche soziale und wirtschaftliche Ausgangslage in den Ländern. Gleichwohl gebe es Bundesländer, die zum Beispiel bei der Leseförderung von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern erfolgreicher seien als andere. Als Musterbeispiel wird hier erneut Sachsen herausgestellt – während zum Beispiel die Förderung von Migrantenkindern in Mathematik in Rheinland-Pfalz und im Saarland gut gelingt. «Wir wollen alle mehr voneinander lernen», versicherte Rabe.

«Die Mobilität von Familien über die Bundesländergrenzen hinweg ist ein Grundrecht», sagte Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) mit Blick auf die Schwierigkeiten von Kindern beim Schulwechsel von einem Bundesland ins andere. Er regte einen Länder-Staatsvertrag an. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) warnte davor, allein nur auf die Leistungsergebnisse zu schauen. «Wir brauchen bundesweit ein gutes und hohes Lernniveau. Wir müssen aber auch für soziale Gerechtigkeit in der Bildung sorgen.»

Erster rein innerdeutscher Grundschulvergleich

Für den ersten rein innerdeutschen Grundschul-Leistungsvergleich wurden im vergangenen Jahr mehr als 30.000 Viertklässler an über 1300 Grund- und Förderschulen getestet. Anders als bei den internationalen Schulleistungsstudien Pisa, Iglu und Timss wurden die Testaufgaben für den nationalen Vergleich allein aus den von den Kultusministern verabredeten neuen bundesweiten Bildungsstandards entwickelt. Sie beschreiben, was ein Schüler am Ende der jeweiligen Jahrgangsstufe können soll.

In allen Bundesländern besteht nach wie vor eine hohe Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Bildungserfolg. In Bayern haben Akademikerkinder gegenüber Arbeiterkindern beim Lesen einen Kenntnisvorsprung von eineinhalb Schuljahren. Offenbar gelinge es in Bayern besser als in anderen Bundesländern, ohnehin schon gute Schüler noch stärker zu fördern, sagte IQB-Direktor Hans Anand Pant. Ein ähnliches Leistungsgefälle zwischen Kindern aus vermögenden und armen Elternhäusern gibt es bundesweit in den Großstädten mit mehr als 300.000 Einwohnern.

Die Untersuchung bestätigt frühere Erkenntnisse, wonach Jungen besser rechnen, die Mädchen dagegen besser lesen und schreiben können. Dies wird besonders bei der Orthografie deutlich. Dort sind die Mädchen den Jungen im Bundesschnitt ein halbes Schuljahr voraus. Grundschüler, deren Eltern beide im Ausland geboren wurden, hinken im Schnitt gegenüber deutschen Gleichaltrigen beim Lesen ein Schuljahr hinterher.

Bundesweit erreichen 12 Prozent der Viertklässler nicht die von den Kultusministern vorgegebenen Mindeststandards beim Lesen. In Bremen und Berlin liegt der Anteil dieser «Risikoschüler» bei über 20 Prozent. Die Studie förderte auch zutage, dass 90 Prozent der Lehrkräfte an Grundschulen Frauen sind. 50 Prozent aller Lehrkräfte sind älter als 50 Jahre.

Die mit dem aktuellen Schulvergleich jetzt erneut offen gelegten Leistungsdiskrepanzen zwischen den einzelnen Bundesländern lenken ein wenig von der Tatsache ab, dass die deutschen Grundschulen im internationalem Vergleich eigentlich gut aufgestellt sind. Dies haben die internationalen IGLU-Studien mehrfach belegt. Eine neue Untersuchung wird Mitte Dezember erwartet. dpa
(5.10.2012)

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