Website-Icon News4teachers

Gymnasien: Teilnahme behinderter Kinder nicht politisch erzwingen

KARLSRUHE. Gymnasiallehrer warnen die Politik davor, die Inklusion mit Gewalt durchzudrücken. An den Schulen werde zunächst einmal die personelle, räumliche und finanzielle Ausstattung benötigt.

 

Die Inklusion ist ein Menschenrecht. Ihre Umsetzung in die Praxis gestaltet sich aber weiterhin schwierig. (Foto: John Loo/Flickr CC BY 2.0)

«Wir sind in den Schulen weder räumlich noch personell darauf vorbereitet», sagte der Vize-Chef der Bundesdirektorenkonferenz (BDK), Hugo Oettinger. Damit gemeinsamer Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern funktioniere, bräuchten Gymnasien die entsprechende personelle, räumliche und finanzielle Ausstattung.

Grün-Rot gehe mit Augenmaß vor, versicherte Thomas Poreski, Inklusionsexperte der Grünen Landtagsfraktion in Baden-Württemberg. Inklusion sei «ein Menschenrecht, dem wir alle gerecht werden müssen». Man könne sie «nicht einfach einschränken oder ablehnen, weil sie auf den ersten Blick unbequem scheint». Die Gemeinschaftsschule drücke Inklusion nicht durch, sondern schaffe Chancen, dass Menschen mit Behinderung ihre Rechte wahrnehmen können. «Es gibt auch Gymnasien an denen erfolgreich Inklusion betrieben wird.»

Anzeige

Frühjahrskonferenz der Oberstufendirektoren wir die Möglichkeiten und Grenzen der Inklusion diskutieren

Oettinger betonte zugleich: «Es wäre fatal, wenn die Inklusion als Vehikel missbraucht würde, um die Gemeinschaftsschule durchzusetzen.» Vom kommenden Mittwoch an bis Samstag treffen sich die Oberstudiendirektoren aus allen Bundesländern zu ihrer Frühjahrskonferenz in Karlsruhe. Die 25 Teilnehmer wollen dabei vor allem die «Möglichkeiten und Grenzen» der Inklusion diskutieren und am Ende dazu ein gemeinsames Papier verabschieden.

«Wir haben die Sorge, dass wir etwas auf’s Auge gedrückt bekommen, das wir räumlich und personell nicht leisten können», sagte Oettinger, der zugleich Vorsitzender der Direktorenvereinigung Nordbaden ist. Bei Klassenstärken von bis zu 30 Schülern müsse man auch an die nicht behinderten Schüler denken. «Die Gefahr besteht schon, dass der eigentliche Auftrag der Gymnasien – die Befähigung zur Studierfähigkeit – darunter leidet», meinte der Rektor des Karlsruher Helmholtz-Gymnasiums.

Oettinger: Jeder Einzelfall muss genau angeschaut werden

Laut Oettinger stehen bundesweit alle Gymnasien vor demselben Problem. Er plädierte dafür, dass jeder Einzelfall genau angeschaut wird. Positive Ansätze sieht er in Niedersachsen, wo man sich vorsichtig herantaste. «Dort versucht man, jedem Einzelfall gerecht zu werden.» Gut findet er auch Modelle, bei denen geistig behinderte Kinder in einzelnen Fächern wie Musik, Kunst oder Sport gemeinsam mit Nichtbehinderten unterrichtet werden.

Sofern die baulichen Voraussetzungen stimmen, spricht aus Sicht Oettingers nichts dagegen, körperlich Behinderte mit Nichtbehinderten zusammen zu unterrichten. Beim gemeinsamen Ziel Abitur müssten aber die unterschiedlichen Voraussetzungen durch technische Hilfsmittel, Umbauten und geschultes Personal kompensiert werden. Nur einen Teil der Schüler zum Abitur zu führen, kollidiere mit dem Bildungsauftrag des Gymnasiums: der Studierfähigkeit.

Zudem sieht Oettinger geistig und schwerst behinderte Schüler besser in dafür ausgestatteten Schulen aufgehoben. «Kinder in Gymnasium sprechen nicht nur über Fußball. Sie kommen sich auch über das Intellektuelle näher. Ein geistig behindertes Kind droht da ganz schnell ausgegrenzt zu werden.» Oettinger ist überzeugt: «Es wird immer getrennte Einrichtungen geben müssen.» dpa

(2.3.2013)

Die mobile Version verlassen