SCHWERIN. Lehrer ohne Studium – das soll nach Vorstellung der Landesregierung künftig in Mecklenburg-Vorpommern kein Problem mehr sein. So sollen ehemalige Pionierleiter mit Grundschullehrern gleichgestellt werden. Die Opposition sorgt sich um die Qualität des Unterrichts.
Die Landesregierung will Lehramts-Absolventen aus anderen Bundesländern und Seiteneinsteigern den Weg an die Schulen Mecklenburg-Vorpommerns erleichtern. Dazu soll das Lehrerbildungsgesetz geändert werden. Bei der Einbringung des Entwurfes in den Landtag entzündete sich jedoch an den Seiteneinsteigern – Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD) nannte als Beispiel ehemalige DDR-Pionierleiter – eine heftige Diskussion.
Linke und Grüne äußerten die Befürchtung, das Land wolle künftig in größerem Stil Lehrkräfte einstellen, die kein Studium mit pädagogischer Ausbildung absolviert haben. Seiteneinsteiger könnten das Problem des Lehrermangels im Land nicht lösen, sagte die Grünen-Abgeordnete Ulrike Berger. Die Bildungsexpertin der Linken, Simone Oldenburg, betonte: «Wer an der Qualität der Ausbildung spart, spart an der Bildung der Schülerinnen und Schüler, und das werden wir unter keinen Umständen dulden.»
Der Freundschaftspionierleiter war laut „Wikipedia“ ein in allen Polytechnischen Oberschulen der DDR hauptamtlich beschäftigter Funktionär der Freien Deutschen Jugend (FDJ), deren Kreisleitung er unterstellt war. Seine Hauptaufgabe bestand darin, die Kinder und Jugendlichen zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ zu erziehen bzw. diese Erziehung durch sein ideologisches Zutun zu untermauern.
Laut Oldenburg arbeiten bereits jetzt mindestens 230 Seiteneinsteiger ohne Lehramtsstudium an den Schulen des Landes. «Ohne berufsbegleitende Qualifizierung und ohne Fortbildungen in Didaktik und Methodik», wie sie sagte. Die Betroffenen würden auch nicht durch Mentoren unterstützt. «Dieses unkoordinierte, mangelhafte Vorgehen wird durch die nun vorliegenden Novelle gesetzlich festgeschrieben», kritisierte die einstige Schulleiterin. Acht Jahre müssten künftig Seiteneinsteiger ohne Hochschulabschluss mit den Kindern experimentieren, ehe sie eine berufsbegleitende Qualifizierung bekommen könnten, so Oldenburg.
Auch die Direktorin des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung im Land, Carolin Retzlaff-Fürst, sieht die Qualität des Schulunterrichts in Gefahr. «Bundesweit akzeptierte Qualitätsmaßstäbe für Lehrerbildung, Unterricht und Schulentwicklung werden durch diese Planungen gefährdet und unterschritten, Studierende demotiviert und frustriert», hatte Retzlaff-Fürst Anfang September in Rostock erklärt.
Bildungsminister Brodkorb verteidigte sein Vorhaben. Es gehe darum, bewährten Seiteneinsteigern die gleiche Bezahlung wie ihren Kollegen zu ermöglichen, sagte er. Ein Beispiel seien Lehrkräfte, die in der DDR als Pionierleiter ausgebildet worden sind. Ihre Ausbildung habe sich fachlich nicht wesentlich von der Ausbildung zum Grundschullehrer unterschieden. Bis heute seien die Betroffenen jedoch mehrere Einkommensgruppen niedriger eingestuft. Das könne man 24 Jahre nach der Wende nicht mehr machen. Bei neuen Seiteneinsteigern seien die Schulleiter verantwortlich, ihn oder sie auch zu begleiten. Der Landtag überwies den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in die Ausschüsse. dpa
