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UNESCO-Gipfel: Massive Kritik an der Umsetzung der Inklusion in Deutschland

BONN. Am kommenden Mittwoch und Donnerstag rückt das Thema Inklusion bundesweit in den Fokus. Dann veranstaltet die deutsche UNESCO-Kommission in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland unter der Überschrift „ Die Zukunft der Bildung” einen Gipfel zum Thema. Vorgestellt wird dabei eine neue Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte zum Stand der Inklusion. Bereits jetzt sickerte durch: Es wird massive Kritik an der Umsetzung geben.

Die Grundschule Langbargheide in Hamburg wurde für ihre inklusive Arbeit mit dem Jakob-Muth-Preis 2012 ausgezeichnet. Foto: Bertelsmann Stiftung / Ulfert Engelkes

Fünf Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland mangelt es nämlich in den meisten Bundesländern an den gesetzlichen Voraussetzungen für den gemeinsamen Unterricht von Behinderten und Nichtbehinderten. So besuche nur ein Viertel der knapp 500.000 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Regelschule. Dieses Fazit ziehen zwei Juristen in der Studie für das Deutsche Institut für Menschenrechte, so berichtet jedenfalls der „Spiegel”. „In keinem Bundesland ist ein abschließend entwickelter Rahmen erkennbar, der den Aufbau eines inklusiven Bildungssystem gewährleisten könnte”, so schreiben die Autoren dem Blatt zufolge.

Eindeutige Weichenstellungen fänden sich nur in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Studie des Instituts, das sich für inklusiven Unterricht einsetzt, kritisiert insbesondere Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und das Saarland: Dort bestehe unter bestimmten Voraussetzungen immer noch eine Förderschulpflicht, „verbunden mit weitreichenden Befugnissen der Schulaufsichtsbehörde bei der zwangsweisen Zuweisung zu einer Förderschule”. Thema wird auch die Finanzierbarkeit von inklusiver Bildung in den Ländern und Kommunen sein.

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Ute Erdsiek-Rave, ehemalige Kultusministerin von Schleswig-Holstein und Vorsitzende des Expertenkreises “Inklusive Bildung” der Deutschen UNESCO-Kommission, hat sich im Vorfeld zu Wort gemeldet. „In fast allen Schulgesetzen gibt es noch Vorbehalte. Es gibt auch kaum Aktionspläne zur inklusiven Bildung, die sicherstellen, dass die Förderschulen in Regelschulen überführt werden, und die klare zeitliche Vorgaben machen. Auch die Lehrerbildung wird erst allmählich auf Inklusion ausgerichtet.Die Kostenfrage ist weiterhin zwischen Bund, Ländern und Kommunen nicht geklärt. Es fehlt an Geld für den Schulumbau, Fortbildungen und Personal“, so sagt sie in einem Interview der Seite „unesco heute online“.

Und weiter meint die SPD-Politikerin: „Für Deutschland insgesamt gilt: Die inklusive Bildung endet oft nach der Kita. Dort lernen bereits 60 Prozent der Kinder mit Förderbedarf gemeinsam mit anderen, in der Grundschule sind es dann nur noch 34 Prozent. Beim Übergang in die weiterführende Schule müssen viele Kinder an eine Förderschule wechseln, weil es noch zu wenig inklusive Bildungsangebote gibt. Die Lernerfolge sind hier sehr oft leider nicht ausreichend, drei Viertel der Förderschüler erhalten keinen Hauptschulabschluss. Damit sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt äußerst gering. Wenn schlecht ausgebildete Förderschüler nachträglich betreut werden müssen, ist das teurer als eine gute Bildung von Anfang an. Generell muss man leider sagen, dass Deutschland bei der Umsetzung von inklusiver Bildung im europäischen Vergleich einen der hinteren Plätze einnimmt.“

Zum bundesweiten Gipfel werden am 19. und 20. März in Bonn rund 350 Politiker, Wissenschaftler, Schulträger, Lehrkräfte, Eltern und Schüler erwartet, um eine Bestandsaufnahme der inklusiven Bildung in Deutschland zu erstellen. Die Ergebnisse werden in eine Abschlusserklärung einfließen, die Forderungen an Politik, Wissenschaft und Bildungseinrichtungen enthält. Kooperationspartner des Gipfels sind die Aktion Mensch, die Bertelsmann Stiftung, das Bildungs- und Förderungswerk der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Heidehof Stiftung, die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft und die Stadt Bonn.

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