BERLIN. Jeder fünfte 15-Jährige in Deutschland ist mit dem Lösen von Alltagsproblemen überfordert. Das zeigt eine Sondererhebung des fünften PISA-Schulvergleichstest. Zu den Aufgaben zählte etwa der Kauf einer Fahrkarte am Automaten, das Einstellen einer Klimaanlage und eines MP3-Players sowie die Suche nach der besten Verbindung auf einem Stadtplan. Alles in allem sind die deutschen Teenager aber leicht besser als der Durchschnitt der Industrieländer. In Deutschland soll mehr Wert auf selbstständiges Lernen gelegt werden, so lautet eine Empfehlung der PISA-Forscher.
Die Spitzenreiter unter den 44 OECD-Staaten kommen einmal mehr aus dem fernen Osten. „In den beiden am besten abschneidenden Ländern – Korea und Singapur – sind die 15-Jährigen in der Lage, sich mit moderat komplexen Situationen systematisch auseinanderzusetzen. Beispielsweise können im Durchschnitt 56 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Korea und Singapur, aber nur 31 Prozent der Schülerinnen und Schüler in den OECD-Ländern ein ihnen nicht vertrautes elektronisches Gerät, das nicht mehr richtig funktioniert, wieder funktionstüchtig machen. Sie verstehen die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Elementen der Problemsituation, sie können einige Schritte vorausplanen und ihre Pläne im Licht der Wirkungen ihrer Problemlöseschritte anpassen, und sie können eine Hypothese darüber aufstellen, warum ein Gerät nicht richtig funktioniert und beschreiben, wie es sich testen lässt“, so heißt es in einer Erläuterung der Erhebung.
Spitzenreiter Singapur erreichte in dem Test 562 Punkte, Deutschland 509 Punkte. Kolumbien als Tabellenletzter kam auf 399 Punkte. Beste Europäer sind die Finnen. Die deutschen Schüler landeten je nach Aufgabenstellung auf den Plätzen 12 bis 21, und damit unmittelbar vor den USA, Belgien und Österreich. „Um in der ersten PISA-Erhebung der Kompetenzen im Bereich kreatives Problemlösen gut abzuschneiden, müssen die Schülerinnen und Schüler Neuem gegenüber offen sein, Zweifel und Ungewissheit zulassen und es wagen, intuitiv vorzugehen, um einen Lösungsansatz zu finden. Das gute Abschneiden eines Schülers in den Hauptfächern bedeutet nicht automatisch, dass er oder sie auch im Problemlösen leistungsstark ist. Im Vergleich mit Schülerinnen und Schülern in anderen Ländern, die in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften ähnliche Ergebnisse aufweisen, schneiden die Schülerinnen und Schüler in Australien, Brasilien, Italien, Japan, Korea, Macau (China), Serbien, England (Vereinigtes Königreich) und den Vereinigten Staaten beim Problemlösen im Durchschnitt deutlich besser ab.“
In Deutschland dagegen nicht. Die 15-Jährigen in Deutschland blieben hinter den Erwartungen zurück, die nach den Ergebnissen des Vorjahres in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften möglich schienen. Dies gilt laut OECD vor allem für das schwächste Drittel: Von diesen erreichen fast 20 Prozent nicht einmal das Basisniveau (Level zwei). In Japan und Korea sind dies weniger als sieben Prozent. Zu den leistungsstärksten Problemlösern (Level fünf und sechs) gehören in Deutschland rund 13 Prozent der 15-Jährigen. In Japan und Korea sind dies aber deutlich mehr als 20 Prozent. Dabei schneiden Schüler besser als Schülerinnen ab. In der Spitzengruppe sind in Deutschland zu 60 Prozent Jungen und nur zu 40 Prozent Mädchen vertreten.
Die Ergebnisse zeigen weiter, dass beim kreativen Problemlösen soziale Herkunft und ökonomischer Hintergrund weniger prägend sind als bei den sonstigen Pisa-Schulleistungen. Gleichwohl sehen die OECD-Experten auch hier einen Zusammenhang. Denn Kinder aus ärmeren Familien haben «oft keinen Zugang zu den besten Schulen und Lehrern», sagte der Hauptautor der Studie, Francesco Avvisati. Dies wirke sich dann nicht nur bei den Leistungen in Mathematik, sondern auch beim Lösen differenzierter Probleme aus. Dies gilt hierzulande auch für 15-Jährige mit Migrationshintergrund. Die Testergebnisse zeigen nach Ansicht Avvisatis für das deutsche Schulsystem, dass für schwächere Schüler mehr Gewicht auf selbstständiges Lernen gelegt werden sollte. Nur so würden auch sie befähigt, «unvertraute Situationen und Nicht-Routine-Aufgaben» zu bewältigen.
PISA als weltweit größter Schultest wird seit 2000 alle drei Jahre von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris organisiert. Das Kürzel «PISA» steht für «Programme for International Student Assessment».
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