COBURG. Die „Bild“-Zeitung schreibt von einem „Skandal an Elite-Gymnasium“ und nennt dessen Leiter einen „Schummel-Rektor“. Das bayerische Kultusministerium hingegen hat dem Direktor des altehrwürdigen Coburger Casimirianums attestiert, zumindest fachlich richtig gehandelt zu haben. Was ist geschehen? Weil er Abiturnoten nach oben korrigiert hat, ist der Schulleiter zu 5400 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Das Amtsgericht im oberfränkischen Coburg sprach den Oberstudiendirektor nun der Falschbeurkundung im Amt in 86 Fällen schuldig.
Zumindest in der Geschichte des mehr als 400 Jahre alten humanistischen Gymnasiums – es wurde 1605 gegründet und nach dem Schulstifter Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg (1564–1633) benannt – dürfte der Fall einmalig sein: Der Schulleiter musste sich vor Gericht verantworten. Dies allerdings nur, weil er den Anfang des Jahres erlassenen Strafbefehl über 90 Tagessätze nicht hatte akzeptieren wollen und Einspruch einlegte. Tatsächlich kam er nun glimpflicher davon: 60 Tagessätze zu je 90 Euro, so lautete das Urteil. Die Verteidigung hatte vor Gericht einen Freispruch gefordert, die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 100 Euro (womit der Schulleiter vorbestraft gewesen wäre). Gegen das Urteil könnte der Mann in Berufung gehen, es ist noch nicht rechtskräftig. Tatsächlich kündigten die Verteidiger an, Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen zu wollen.
Ein Viertel der Abiturienten am Casimirianums hatte im vergangenen Schuljahr nur mangelhafte oder gar ungenügende Noten für ihre Deutschklausuren bekommen. Weil die zehn Deutschlehrer der Schule seiner Meinung nach zu streng bewertet hatten, bat der Direktor als Abiturprüfungsvorsitzender sie „mit Nachdruck“ um eine Nachbesserung. Doch die weigerten sich. Also übernahm der Chef die Sache selbst – und verbesserte die Bewertung aller 86 Deutsch-Abiturarbeiten um einen Punkt. Das gab er zum Prozessauftakt zu.
Der 58-Jährige habe „im möglicherweise falsch verstandenen Interesse seiner Schule gehandelt”, sagte nun der Richter einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) zufolge. Dem Direktor sei es um den Ruf des Gymnasiums gegangen, ihm hätten nicht die Schüler am Herzen gelegen. Denn sonst hätte er die besonders schlecht ausgefallenen Klausuren nachkorrigieren lassen, anstatt alle Arbeiten pauschal zu verbessern. Nach einem Gutachten der vom Kultusministerium bestellten Nachkorrektoren waren zwar die 23 Schüler, die höchstens drei Punkte in der schriftlichen Prüfung bekommen hatten, rigide bewertet worden – besonders gute Schüler allerdings äußerst mild.
Der nach seinem Eingreifen dann insgesamt bessere Notendurchschnitt habe nach Ansicht des Direktors wohl besser zum Casimirianum gepasst, befand der Richter laut SZ. Der Mann sei aber nicht berechtigt gewesen, „aus eigener Machtvollkommenheit die nach den Vorgaben der Schulordnung zustande gekommenen Noten zu ändern”. Dass der Direktor wusste, dass sein Vorgehen nicht korrekt war, davon ging der Richter in seiner Urteilsbegründung aus. „Er hat in Kenntnis über den falschen Ablauf des Prüfungsvorgangs dessen Richtigkeit bescheinigt”, sagte er. Tatsächlich, dies stellte auch schon das Kultusministerium fest, hätte die Notenänderung in der Lehrerkonferenz beschlossen werden müssen. „Inhaltlich hat er vom Trend her richtig gehandelt“, sagte seinerzeit ein Ministeriumssprecher. Rechtlich sei das Vorgehen aber nicht vorgesehen gewesen.
Die Staatsanwaltschaft betonte nun, dass es sich nicht um eine schulinterne Angelegenheit handelte und dass der Angeklagte auch nicht zum Wohl der Schüler gehandelt habe. „Es kann nicht sein, dass der Schulleiter nach eigenem Gutdünken in die Bewertung der Abituraufgaben eingreift”, hieß es. Das führe zu einer Ungleichbehandlung von anderen Schülern, deren Direktoren sich nicht einmischten. Der Angeklagte habe nicht nur „keinerlei Befugnis”, sondern auch „keinerlei Grund” zum Eingreifen gehabt. „Eigenmächtig und selbstherrlich” habe er gehandelt, um das Casimirianum im Vergleich mit anderen Schulen gut da stehen zu lassen.
Die Verteidiger plädierten dagegen auf Freispruch, da sich der Schulleiter zwar möglicherweise nicht ganz korrekt verhalten, aber nicht strafbar gemacht habe. Der Direktor sei nach der Schulordnung gegenüber seinen Lehrern weisungsbefugt, so zitiert die SZ einen der mit dem Fall betrauten Rechtsanwälte, „da steht nicht, dass das bei den Noten aufhört”. Sein Mandant habe die richtige Entscheidung getroffen, aber den formal falschen Weg eingeschlagen.
Wie geht es nun weiter? Nach dem Urteil wird möglicherweise das Kultusministerium doch disziplinarisch gegen den Schulleiter vorgehen. So hatte es ein Sprecher zu Prozessbeginn angekündigt. Und die Schüler? „Ihre frisierten Abi-Noten blieben gültig, die Arbeiten müssen sie nicht nachschreiben. Grund: Das Kultusministerium steht auf dem Standpunkt, dass die Noten trotzdem gerechtfertigt waren“, so berichtet die „Bild“-Zeitung. News4teachers
Zum Kommentar: Das Abitur wird verschenkt? Das wüsste ich aber …
