BERLIN. „Seit letzter Woche gehen in Pankow die Hochbegabten um“, so berichtet der Blog Prenzlauerberg-Nachrichten.de aktuell aus Berlin. Mit viel Lärm hätten Eltern darauf aufmerksam gemacht, dass es im Bezirk für ihre angehenden Fünftklässler-Kinder zu wenig Plätze in den Schnelllernklassen gebe – ein Spezialangebot, bei dem in Berlin vor Ablauf der regulär sechs Jahre dauernden Grundschulzeit aufs Gymnasium gewechselt wird. Voraussetzung sei ein guter IQ-Test, so heißt es in dem Bericht. Eltern seien erbost vor das Büro von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gezogen. Tenor: Es gebe lokal zu wenige Angebote für die Hochbegabten.
Offenbar kein Einzelfall. Grundsätzlich scheint von Elternseite der Druck auf die Schulen wieder zu steigen, sich des Themas Hochbegabung anzunehmen – womit in der Regel der eigene Spross gemeint ist. Ein Thema, das in der Vergangenheit immer wieder aufgekommen, zuletzt in der öffentlichen Debatte aber abgeflaut war. Jetzt drängt es wieder mit Macht nach oben. Die Ursache: Ein hochbegabtes Kind zu haben, ist nach Aussage des Marburger Hochbegabtenforschers Detlef Rost, Gründer der Begabungsdiagnostischen Beratungsstelle „Brain” an der dortigen Universität, für viele Eltern mittlerweile zu einer „Prestige-Frage” geworden. „Es gibt Eltern, die sich in der Intelligenz ihres Kindes sonnen”, so zitiert ihn die „Welt“. Dabei existierten oft falsche Vorstellungen von Hochbegabung.
„Viele Eltern denken, dass Verhaltensprobleme ein Indikator sind. Das Gerücht stimmt nicht”, sagt Rost. Stattdessen kämen viele Hochbegabte ziemlich gut durch die Schule und durchs Leben. „Intelligenz ist auch die Fähigkeit, sich anzupassen.” Wenn ein Kind sich im Unterricht langweilt, sei das meistens ebenfalls kein Zeichen für Hochbegabung, „sondern für schlechten Unterricht. Kinder langweilen sich eher, weil sie überfordert sind.” Sicherheit, so sagt Rost, schaffe nur eine solide psychologische Diagnostik.
Rost warnte auch vor einer „Förder-Hysterie” der Eltern. Viele Väter und Mütter fürchteten, dass es ihre Kinder in der Schule nicht schaffen. „Gerade Vorschulkinder brauchen viel freie Zeit, um zu spielen, die Umwelt zu explorieren und mit Gleichaltrigen zusammen zu sein”, sagt der Experte. In einer abwechslungsreichen Umwelt förderten sich die Kinder selbst.
„Es ist davon auszugehen, dass auch Prenzlauer Berger Viertklässler selten den Wunsch nach einem Intelligenztest verspüren“, so kommentiert Prenzlauerberg-Nachrichten.de das Geschehen in Berlin. „Die Elternneigung, sein eigenes Kind als das süßeste und klügste (der ganzen Welt) einzuordnen, ist hinlänglich beschrieben und hier findet es seinen Niederschlag.“ Dass das Phänomen auch ganze Gruppen ergreife, belege die Pressemitteilung der Initiative „Bildung nach Bedarf” (die sich gebildet hat, um in ihrem Bezirk mehr Angebote für Hochbegabte zu fordern). „In Stadtteilen wie dem Wedding”, so heiße es da quasi-analytisch, „hatten sich wesentlich weniger Kinder zum Test angemeldet als in Pankow, wo es offenbar mehr besonders viele leistungsfähige und -bereite Kinder gibt”. „Nein!“, so entgegnet der Kommentator. „Es gibt nur mehr Eltern, die offiziell hochbegabte Kinder haben wollen.“ Womit er Recht haben könnte. News4teachers
Hier geht es zu dem Kommentar “Wer denkt an die Kinder?” auf Prenzlauerberg-Nachrichten.de
Zum Bericht: Vom Fluch und Segen der Hochbegabung