STUTTGART. 76 Schulen in Baden-Württemberg wollen zum Schuljahr 2015/16 Gemeinschaftsschule werden. Während Kultusminister Andreas Stoch (SPD) das Interesse als positives Zeichen dafür bewertet, dass die Städte und Gemeinden die Qualität der Gemeinschaftsschulen anerkennen und ihr vertrauen, bezeichnet der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg das positive Fazit des Kultusministeriums als Augenwischerei. Bislang verfüge die neue Schulart nicht über die Schülermischung, die Wissenschaftler für deren Erfolg als zwingend notwendig erachten, so der Verband.
„Wenn die Gemeinschaftsschule wirklich eine Schule für alle sein soll, darf diese neue Schulart nicht fast ausschließlich aus sterbenden Haupt-/Werkrealschulen wiedergeboren werden“, sagt der VBE-Sprecher. Insbesondere Gymnasien, aber auch die meisten Realschulen hielten sich bei den Anträgen auf Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule weiterhin vornehm zurück.
Die 23 Anträge, die aus Kommunen mit CDU-Bürgermeistern kommen, seien laut Verband lediglich der Versuch, den Schulstandort zu erhalten, und entstammten in den seltensten Fällen pädagogischer Überzeugung. Viele Hauptschulen seien erst kurz zuvor zur neuen Werkrealschule mit Ganztagesbetrieb ausgebaut worden. Dafür hätten die Kommunen sehr viel Geld in die Hand genommen, „das sie jetzt nicht in den Sand gesetzt sehen wollen“, so der VBE. „So hat die Entscheidung für die Gemeinschaftsschule selten etwas mit dem Parteibuch des Bürgermeisters zu tun, auch wenn die Pressestelle des Kultusministeriums das gerne genüsslich so ausschlachtet“, sagt der VBE-Sprecher.
Das Ganze sehe momentan noch allzu sehr nach Etikettenschwindel aus: Die Schule lege zwar ein neues pädagogisches Konzept vor, dass das selbstorientierte individuelle Lernen in den Vordergrund stelle, aber ansonsten werde lediglich das Schild „Hauptschule“ gegen die gefälligere Bezeichnung „Gemeinschaftsschule“ ausgetauscht. Eltern, deren Kinder eine Gymnasialempfehlung haben, gäben weiterhin dieser stark leistungsorientierte Schulart mit dem allgemein guten Ruf den Vorzug. Eltern, deren Kinder die Haupt-/Werkrealschule besuchen sollen, glaubten nur allzu gerne, dass ihr Kind an der Gemeinschaftsschule bis zum Abitur geführt werden kann, selbst wenn es die Voraussetzungen gar nicht mitbringe.