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Studie: Mama, Papa, Lehrer – Kinder sind mit ihren Pädagogen sehr zufrieden

BERLIN. Werteverfall und Bildungskatastrophe? In einer Umfrage unter Deutschlands Kindern ist davon nichts zu spüren. Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Bildung rangieren ganz oben.

Mama und Papa sind die Besten, Oma und Opa auch nicht schlecht – und auf Platz drei in der Gunst von Kindern in Deutschland stehen eindeutig ihre Lehrer. Das stellt der neue «Kinderwertemonitor» fest, für den das Kinderhilfswerk Unicef und die Zeitschrift «Geolino» rund 1000 Mädchen und Jungen zwischen 6 und 14 Jahren ausführlich zu Hause befragen ließen.

Zwischen den ersten repräsentativen Interviews im Jahr 2006 und den aktuellen Ergebnisse wuchs die hohe Meinung der Kinder über ihre Lehrer weiter an: von 50 auf nun 80 Prozent. Und auch Eltern sind mit der Schule ihrer Kinder meist recht zufrieden.

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Das findet Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) bemerkenswert – nach den Schocks über die miesen deutschen Ergebnisse der Pisa-Schulleistungsstudien und den Diskussionen über mangelndes Leistungsvermögen und Werteverfall bei Kindern. «Das sah immer so aus, als ob es bergab geht», sagte die Ministerin bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Berlin. Nun zeige sich, dass Schule und Lehrer offensichtlich besser seien als ihr Ruf.

Die positiven Ergebnisse könnten aber auch die natürliche Folge einer gesellschaftlichen Entwicklung sein, sagt Studienkoordinator Alexander Schwerin. Immer mehr Eltern arbeiteten, auch weil ein Gehalt für eine Familie nicht mehr reiche. Die Zahl der Ganztagsschulen wachse – und Kinder verbrächten mehr Zeit mit ihren Lehrern als früher.

Schätzungsweise 36 Stunden einer normalen Woche betreuen Mütter ihre Kindern, 23 Stunden sind es bei den Vätern – die Schulzeit dauert heute aber oft länger als von 8 bis 13 Uhr. Und viele Pädagogen verstehen sich nicht mehr als reine Pauker. Allein schon, weil sie es müssen. Wer keine Sozialkompetenz entwickelt, geht in sozialen Brennpunkten schnell unter.

Die wichtigsten Bezugspersonen für Kinder bleiben trotzdem die Eltern – vor allem Mama. Familie und Freundschaft, zeigt die Umfrage, sind für Kinder in Deutschland das Wichtigste im Leben. Es folgen Vertrauen, Zuverlässigkeit, Geborgenheit und Ehrlichkeit in der Werteskala – und dann kommt auch schon die Bildung. «Ich muss viele Kenntnisse besitzen, viel wissen und um gute Zensuren kämpfen, damit ich später nicht arm bin», sagt ein neunjähriger Junge.

Für Hans Bertram, Bildungsforscher an der Berliner Humboldt-Universität, sind die guten Noten für die Lehrer Ausdruck der wachsenden Bedeutung persönlicher Bindungen. «Die Welt wird immer flüchtiger und virtueller», sagt der Professor. «Kinder suchen nach Menschen, die auch morgen noch für sie da sind.» Bertram rät dazu, sich nicht so viele Sorgen um die Entwicklungen der Medienwelt zu machen – sondern eher darum, dass Kinder feste Bezugspersonen haben.

Kinder verbringen immer mehr Zeit mit ihren Lehrern. Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Was ist das Beste an Ganztagsschulen? Das Mittagessen, antworteten die meisten Kinder in der Umfrage. Das klingt zum Schmunzeln, doch die 6- bis 14-Jährigen sagen auch, wie sie das meinen: Kontakte über den Unterricht hinaus. Viele Eltern empfinden diese Betreuung am Nachmittag positiv – und nicht als Outsourcing ihrer Pflichten. Das schlechte Gewissen berufstätiger Eltern halten die Forscher ohnehin für unnötig. Denn die Kinder haben laut Umfrage gar nichts dagegen, dass Mama und Papa lange arbeiten, wenn es Alternativen gibt.

Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied für den Bereich Schule bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, freuen die Ergebnisse. «Die Pädagogik hat sich sehr verändert, weg von der reinen Paukschule», urteilt sie. Lehrer sein, das bedeute heute auch Erziehung und Lernen über Beziehungen. In der Lehrerausbildung sei das Soziale aber leider noch immer unterbelichtet. Gerade für Kinder aus schwierigen Verhältnissen sei mehr Ausbildung wünschenswert, ergänzte Hoffmann.

Wie sehr sich Schule mit gutem Willen, neuen pädagogischen Konzepten und Geld wandeln kann, zeigt die Geschichte des Campus Rütli in Berlin-Neukölln: Vor acht Jahren riefen Lehrer dort um Hilfe, weil sie der Gewalt ihrer Hauptschüler nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Heute hat Rütli eine gymnasiale Oberstufe, einen guten Ruf – und eine Warteliste.

Bildungsforscher Bertram sieht den Richtungsstreit um Lehrer als reine Wissensvermittler oder sozial kompetente Pädagogen noch nicht entschieden. Die Kinder sind da weiter. Viele sind heute Verhandlungsfamilien gewohnt, in denen sie frei ihre Meinung sagen können – und Kompromisse finden. Diese Demokratisierung und Ermutigung zum Selbstbewusstsein erwarten sie auch von ihren Schulen.

Für den Soziologen Martin Dornes vom Frankfurter Institut für Sozialforschung wuchsen junge Menschen in Deutschland noch nie so gebildet und zufrieden, sicher und umsorgt auf wie heute. Für Werteverfall, Egozentrik und Bildungskatastrophe fand der Soziologe in einem Beitrag für «Die Zeit» wenig Belege. Was sich Kinder in der neuen Umfrage so wünschen, spricht ohnehin für sich: Eine glückliche Familie, Arbeit für Mama und Papa, gute Noten in der Schule, keinen Krieg – und immer genug Gummibärchen. Ulrike von Leszczynski

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