Website-Icon News4teachers

Niedersächsischer Philologentag: Warnung vor Abschaffung des differenzierten Schulwesens

Zum aktuellen Bericht: Gymnasiallehrer warnen vor „Einheitschule“ – Kraus fordert zur „bürgerlichen Revolte“ auf

GOSLAR. Mit scharfer Kritik an der geplanten rot-grünen Schulgesetzänderung hat der diesjährige niedersächsische Philologentag in Goslar begonnen. Sowohl der Philologenverbandsvorsitzende Horst Audritz als auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands Josef Kraus warfen der rot-grünen Landesregierung vor, das Gymnasium auszuhöhlen und an der Abschaffung des differenzierten Schulwesens zu arbeiten.

Vor 350 Delegierten und Gästen aus Politik, Verwaltung und gesellschaftlichen Organisationen bezichtigte der Philologenverbandsvorsitzende Horst Audritz die Koalition aus SPD und Grünen, die integrierte Gesamtschule schrittweise als einzige Schulform einführen zu wollen. Die Bestimmung, dass die IGS künftig in einer Region alle andere Schulformen ersetzen könne, ziele nicht nur auf die Beseitigung zahlreicher Gymnasien, sie bedeute auch das Ende für Oberschulen, Kooperativen Gesamtschulen, Realschulen und Hauptschulen. Zwar solle es in „zumutbarer Entfernung“ von einem Schulstandort noch ein Gymnasium geben. Dies bedeute jedoch für die Schüler faktisch eine tägliche Fahrzeit von etwa zwei Stunden, was offensichtlich vom Besuch eines Gymnasiums abschrecken solle. Außerdem sollten in Zukunft Gesamtschulen mit Grundschulen zusammengelegt werden können, was einzig und allein dem Zwecke diene, die Grundschüler nahtlos auf die IGS zu schleusen und die umliegenden Gymnasien auszutrocknen, so Audritz.

Anzeige
Kritisiert die geplante Schulgesetzänderung in Niedersachsen als “Chancenvernichtungsgesetz”: DL-Präsident Josef Kraus. Foto: Deutscher Lehrerverband

Wenn rot-grüne Politiker angesichts solcher Vorhaben noch von einer „Gleichberechtigung“ aller Schulformen sprächen, sei dies eine groteske Verdrehung der Tatsachen. „Wenn eine Schulform alle anderen ersetzen kann, wo ist da noch die Gleichberechtigung?“ Angesichts der Popularität des Gymnasiums wolle Rot-Grün mit der wahrheitswidrigen Behauptung, diese Schulform habe nichts zu befürchten und werde nicht angetastet, der Öffentlichkeit Sand in die Augen streuen und die wahren Absichten des neuen Schulgesetzes verschleiern. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DL) Josef Kraus bezeichnete während seiner Festrede anlässlich der Jahrestagung das geplante neue niedersächsische Schulgesetz als „Chancenvernichtungs- und Einebnungsgesetz“.

Auch die Abschaffung der Schullaufbahnempfehlung am Ende der Grundschule und die starke Einschränkung der Möglichkeit, am Gymnasium überforderte Schüler auf für sie geeignete Schulformen zu überweisen, seien gezielte Angriffe auf die Funktionsfähigkeit des Gymnasiums, so Audritz. Die Eignung für den anspruchsvollen gymnasialen Bildungsgang solle in Zukunft offenbar keine Rolle mehr spielen. Mit einer erheblichen Zahl ständig überforderter Schüler könne das Gymnasium aber die staatlich gesetzten Lernziele nicht mehr erreichen. Audritz sieht darin eine gezielte Strategie, das Gymnasium von innen her kaputt zu machen.

Der Vorsitzende des Philologenverbands unterstrich noch einmal, dass die Regierungsentscheidung, zum neunjährigen Gymnasium zurückzukehren, richtig gewesen sei. Er mahnte aber eine sinnvolle Ausgestaltung des zusätzlichen Schuljahres an. Ein Abbau der Leistungsanforderungen, den Rot-Grün betreibe, sei den Schülern wie der Gesellschaft gegenüber unverantwortlich. Die Anforderungen der Hochschulen müssten bei der Gestaltung der gymnasialen Lehrpläne stärker berücksichtigt werden, um die Zahl der Studienabbrecher zu senken.

Scharf kritisierte Audritz die andauernde Gesprächsverweigerung der Landesregierung hinsichtlich der Arbeitszeiterhöhung insbesondere für Gymnasiallehrer. Die strikte Verweigerung einer unabhängigen Untersuchung der Lehrerarbeitszeit zeige überdeutlich die Angst von Rot-Grün vor der Wahrheit. Das angebliche Lehrerentlastungspaket des Kultusministeriums bestehe fast vollständig aus „Luftnummern“.

Die Ansichten Audritz teilt auch DL-Präsident Kraus, der der Landesregierung in Hannover eine ideologiegeleitete Politik der „Trojanischen Pferde“ vorwarf. Kraus wörtlich: „Niedersachsen tut genau das, was man tut, wenn man trickreich eine Schulform kaputt machen will: Dazu gehören unter anderem die Abschaffung einer eigenständigen Gymnasiallehrerbildung, der Verzicht auf jede Laufbahnempfehlung am Ende der Grundschule, die Abschaffung des Sitzenbleibens, der curriculare Nihilismus kompetenzorientierter Lehrpläne sowie die totale Frustration der Lehrerschaft der Gymnasien durch eine dramatische Verlängerung der Arbeitszeiten.“

Zum Beitrag: Niedersächsische Schulgesetznovelle: Angst vor der Einheitsschule
Zum Beitrag: Widerstand gegen niedersächsische Schulgesetznovelle

Die mobile Version verlassen