BERLIN. In Deutschland bestehen erhebliche Defizite sowohl bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention als auch bei der Bekanntheit der Kinderrechte selbst. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes für den Kinderreport 2015. Nur vier Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen kennen genau die in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Kinderrechte, jeweils 19 Prozent wissen ungefähr Bescheid. Gleichzeitig wissen 49 Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht, was sich hinter der UN-Kinderrechtskonvention verbirgt.
„Die Ergebnisse des Kinderreports 2015 zeigen, dass wir in Deutschland eine Bildungsoffensive in Sachen Kinderrechte brauchen, die Kinder und Erwachsene erreicht. Kinderrechte sind kein Gedöns, sie gehören ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Wir erleben derzeit ganz aktuell wie wichtig es ist, unsere Demokratie zu fördern und ein gesellschaftliches Miteinander zu ermöglichen. Dafür müssen wir auch Kindern Räume für echte Mitbestimmung eröffnen.“ Kinderrechte gehörten in schulische Lehrpläne ebenso wie in Bildungspläne von Kindertageseinrichtungen. Sie seien ein Querschnittsthema für das gesamte Handeln von Staat und Zivilgesellschaft und dürfen eben nicht nur dann ein Thema sein, wenn es um Kinderarbeit in Entwicklungsländern gehe.
Krüger: „Alle Kinder in Deutschland haben Rechte, die nicht umgesetzt werden, das gilt für den Bereich der Mitbestimmung genauso wie für soziale Sicherheit.“ Gefordert seien „dauerhaft armutsfeste Löhne und mehr Unterstützungsleistungen für Alleinerziehende“. Wichtig sei zudem die Kostenbefreiung beim Schulessen, bei Lehrmitteln und bei Kultur- und Freizeiteinrichtungen. „Es geht nicht an, dass Kinderrechte, die international festgeschrieben sind, in Deutschland noch nicht in geltendes Recht überführt wurden“, sagte Krüger
Die repräsentative Umfrage für den Kinderreport 2015 ergab unter anderem:
- Bei den Mitbestimmungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen gehen die Werte weit auseinander. Während die befragten Kinder und Jugendlichen die Mitbestimmung in der Familie positiv sehen (Note 2,4), fallen die Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Schule (3,3), im Wohnumfeld (3,7) und in der Kita (3,7) schon deutlich ab. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Kommune allgemein (4,3) und vor allem in der Bundespolitik (5,1) werden als sehr schlecht angesehen.
- Bei den Maßnahmen gegen Kinderarmut präferieren die Kinder und Jugendlichen kostenloses Essen, Bücher, Lehrmittel und Aktivitäten in Kita und Schule (Note 1,6) sowie einen kostenlosen Zugang zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen (1,8). Als weitere wichtige Maßnahmen werden mehr Sozialarbeiter in Schulen und Kitas (2,1) und höhere Einkommen (2,2) genannt. Unterstützung erhalten durch die Umfrage auch die Forderungen nach mehr Kindergeld (2,3) und nach einer Erhöhung der Sozialgeld-Regelsätze (2,4).
- Staatliche Eingriffe in die Erziehungshoheit der Eltern werden dahingehend kritischer gesehen. Hier lag der Durchschnittswert bei Kindern und Jugendlichen bei 3,0. Gleichzeitig wünschen sich die Kinder und Jugendlichen mehr Aufklärung über Kinderarmut in den Medien (2,2). Als wichtig wird von ihnen auch angesehen, dass arme und reiche Kinder mehr Zeit miteinander verbringen (2,5).
- Bei den Freizeitaktivitäten rangieren Freundinnen und Freunde ganz klar an erster Stelle. Hier geben 74 Prozent der Kinder und Jugendlichen an, mit diesen viel Zeit zu verbringen. Auf dem zweiten Platz liegen Familie (67 Prozent) und das Internet (67 Prozent). Auch das Lernen für Schule oder Ausbildung nimmt mit 62 Prozent breiten Raum ein. Sport (54 Prozent), Lesen (53 Prozent), Chillen (52 Prozent) und das Fernsehen (50 Prozent) folgen auf den Plätzen.
- Deutliche Unterschiede gibt es hier in einigen Bereichen zwischen Mädchen und Jungen, beispielsweise beim Sport (Mädchen 44 Prozent / Jungen 64 Prozent) und beim Lesen (Mädchen 63 Prozent / Jungen 43 Prozent). Das gilt auch für den Bereich Computer-/Konsolenspielen: Nur 35 Prozent der Mädchen, aber 62 Prozent der Jungen (Gesamt 48 Prozent) verbringen damit viel Zeit.
- Das Internet (67 Prozent) und Fernsehen (50 Prozent) sind die Medien, mit denen Kinder und Jugendlichen die meiste Zeit verbringen. Dabei nehmen sie gerade bei der Internetnutzung die Chancen und Risiken wahr: 92 Prozent finden dort Sachen, die Spaß machen. Zugleich geben 86 Prozent an im Internet Informationen zu finden, die sie interessieren und 71 Prozent sind der Auffassung, dass sie sich im Internet altersgerecht informieren können. Gleichzeitig fühlen sich nur 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen sicher vor problematischen Inhalten wie Gewalt oder Pornografie. Nur 9 Prozent sind der Ansicht, dass sie im Internet sicher vor Übergriffen von Erwachsenen oder Gleichaltrigen sind. News4teachers
