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Bundesjugendspiele: Eine „öffentliche Demütigung“? Petition zur Abschaffung ist angelaufen

KONSTANZ. „Heulender Sohn kommt mit ‚Teilnehmerurkunde‘ von den Bundesjugendspielen heim. Erwäge Petition zur Abschaffung selbiger. Ernsthaft.“ Mit dieser Notiz im sozialen Netzwerk Twitter hat eine Mutter aus Konstanz eine Bewegung ausgelöst, die auf ein bundesweit großes Echo stößt. Denn die seinerzeit noch erwogene Petition gibt es auf www.change.org mittlerweile tatsächlich – und die Unterstützung ist groß. Mehr als 11.000 Menschen haben sie mittlerweile unterzeichnet.

Noch zeitgemäß? Schüler bei den Bundesjugendspielen. Foto: Konrad-Adenauer-Gemeinschaftshaus / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Die Bundesjugendspiele wurden angeregt vom – durch seine Nähe zum Nationalsozialismus umstrittenen – Sportfunktionär und Sportwissenschaftler Carl Diem, der auch das Sportabzeichen, den olympischen Fackellauf initiierte und die Deutsche Sporthochschule Köln gründete. Vorläufer waren die im Jahr 1920 erstmals durchgeführten Reichsjugendwettkämpfe. In der Bundesrepublik wurden sie seit 1951 zunächst vom Bundesinnenministerium des Innern, dann vom Bundesfamilienministerium für Schüler zwischen 8 und 19 Jahren ausgeschrieben. Der deutsche Bundespräsident fungiert als Schirmherr. Für die Schüler ist die Teilnahme verpflichtend. Meist wird ein Dreikampf in den Disziplinen Werfen (bei älteren Schülern Kugelstoßen), Laufen (Sprint) und Weitsprung durchgeführt.

Gerichtet ist die aktuelle Petition zur Abschaffung nun an Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), formal Trägerin der Veranstaltung. „Die Bundesjugendspiele sind nicht mehr zeitgemäß: Der Zwang zur Teilnahme und der starke Wettkampfcharakter sorgen bei vielen Schülern für das Gefühl, vor der Peergroup gedemütigt zu werden. Daran hat auch die Einführung der ‚Teilnahmeurkunde‘ für diejenigen, die am schlechtesten abschneiden, nichts geändert“, so begründet Christine Finke ihre Initiative.

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„Sport sollte Spaß machen und nicht nur für ein gutes Körpergefühl, sondern auch für Selbstbewusstsein sorgen, unabhängig vom Talent und Können des Einzelnen. Die Bundesjugendspiele in ihrer jetzigen Form (ursprünglich auf die Reichsjugendwettkämpfe zurückgehend) konterkarieren dieses Ziel, sie demotivieren Schüler und setzen sie unter sozialen Druck“, so heißt es weiter. „Häufig werden die Ergebnisse der Wettkämpfe beim Austeilen der Urkunden sogar öffentlich im Unterricht verlesen, als würde es nicht reichen, dass auf dem Sportplatz die Peergroup hautnah mitbekommt, wer besonders gut und besonders schlecht ist.“

Dabei würden die individuellen körperlichen Voraussetzungen (Körperbau, Größe, Konstitution) der einzelnen Kinder nicht berücksichtigt, gleichzeitig aber, obwohl dies wissenschaftlich nicht haltbar sei, unnötige Geschlechterunterschiede bei den Leistungen von Kindern unter 11 Jahren gemacht. „Das Argument, gerade die schwächeren Schüler könnten bei den Bundesjugendspielen Erfolge verbuchen, darf nicht über den Schutz derjenigen Schüler gestellt werden, die im Sport keine guten oder schlechte Leistungen erbringen. Ein Wettkampf, bei dem Einzelne schon vorher wissen, dass sie chancenlos sind, ist sinnlos und unfair.“

Die vom Kuratorium für die Bundesjugendspiele postulierten Ziele Freude an Bewegung, Gemeinschaftsgeist und positive Werte würden durch die Bundesjugendspiele nur einigen wenigen, im Sport guten Schülern vermittelt, meint die Mutter. „Für viele weniger sportliche Schüler hingegen bedeuten diese Spiele eine alljährlich wiederkehrende öffentliche Demütigung. Viele glauben bis ins Erwachsenenalter, sie seien unsportlich, was fatal ist, denn eine positive Einstellung zum Sport und zum eigenen Körper dient nicht nur dem psychischen Wohlbefinden, sondern beugt auch langfristig Bewegungsarmut und körperlichen Erkrankungen vor. Deswegen sollten die Bundesjugendspiele entweder abgeschafft oder auf Freiwilligkeit umgestellt werden.“

Auf der Seite change.org gibt es viel Zuspruch für die Petition. „Ich bin selber Lehrer an einer Förderschule. Auch wir führen jedes Jahr die Bundesjugendspiele durch“, so schreibt ein Kommentator. „Aber ich sehe es genau wie Sie! Ein Wettkampf mit Teilnahmezwang ist meines Erachtens achtens pädagogischer Unfug und die Veranstaltung als solche ein Relikt längst vergangener Tage.“ News4teachers

Hier geht es zu der Petition.

Zum Bericht: Schüler kollabieren bei Sportfest

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