STUTTGART. Tausende protestieren in Stuttgart friedlich gegen einen Bildungsplan der grün-roten Landesregierung für sexuelle Vielfalt und Toleranz. Dann versuchen radikale Linke, die Demonstranten – vor allem Familien mit Kindern – zu stören. Sie geraten offenbar dabei auch mit Rechtsradikalen aneinander. Die Polizei muss Pfefferspray einsetzen.
Bei neuen Demonstrationen von Gegnern und Befürtwortern der grün-roten Landespolitik zur Gleichstellung von Homo- und Heterosexuellen ist es Stuttgart zu Rangeleien gekommen. Die Polizei musste Pfefferspray einsetzen, um radikale Linke von der Störung einer Kundgebung besorgter Eltern abzuhalten, wie ein Behördensprecher am Sonntag mitteilte. Mehr als 5000 Demonstranten – vor allem Familien mit Kindern – hatten sich auf dem Schillerplatz und zu einem Zug durch die Stadt versammelt, um gegen eine «Sexualisierung» des Schulunterrichts im Südwesten zu protestieren.
Nach Polizeiangaben versammelten sich an mehreren Stellen der Stadt Hunderte Gegendemonstranten, um den Aktionsplan der Landesregierung für Vielfalt und Toleranz zu unterstützen. Sie errichteten auch eine Straßenblockade an der Konrad-Adenauer-Straße, um die Teilnehmer der Kundgebung «Demo für alle» des Aktionsbündnisses «Für Ehe und Familie – Stoppt Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder!» an ihrem Marsch zu hindern. Die «Demo für alle» wurde auch mit Kastanien beworfen.
Am Rande der Demonstrationen kam es zu «einzelnen Scharmützeln zwischen Linken und mutmaßlichen Personen, die der rechten Szene zugeordnet werden können», teilte die Polizei mit. Einige Aktivisten hätten Platzwunden davongetragen, acht Menschen seien vorrübergehend festgenommen worden.
Die Polizei hatte die «Demo für alle» auf dem Schillerplatz mit Metallgittern sichern müssen. Im Beisein von Kindern und teils mit Bibel in den Händen forderten besorgte Eltern die Landesregierung auf, «staatliche Eingriffe» in die sexuelle Erziehung in den Schulen zu stoppen.
Bei der Gegenkundgebung riefen Stuttgarter mit Regenbogenfahnen und Transparenten zu Toleranz und Akzeptanz anderer Formen des Zusammenlebens auf. «Für die Freiheit! Für das Leben!», skandierten Anhänger von Grünen und Linken, darunter viele Schwule und Lesben, auf dem Schlossplatz. Die Befürworter des Aktionsplanes «Für Akzeptanz & Gleiche Rechte» versuchten die Versammlung der Bildungsplan-Gegner auch mit Sirenen, Trommeln und Trillerpfeifen zu übertönen.
Die baden-württembergische Landesregierung hat einen Aktionsplan beschlossen, der die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung in der Gesellschaft unterbinden soll. Zudem sieht der neue Bildungsplan vor, das vom kommenden Schuljahr an im Unterricht stärker über das Thema sexuelle Vielfalt gesprochen wird. Dagegen hatte es schon mehrere Proteste in Stuttgart gegeben.
Die Bildungsplan-Kritiker warfen dem Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann fünf Monate vor der Landtagswahl vor, Kinder zu zwingen, alle denkbaren Formen von Sexualität gutzuheißen. Sie wollen den Protest fortsetzen. «Super-Demo! 5350 für Ehe und Familie in Stuttgart auf der Straße», teilten die Organisatoren nach der Kundgebung bei Twitter mit. Erwartet worden waren 4000 Teilnehmer.
Initiatorin Hedwig von Beverfoerde zeigte sich zufrieden mit dem Zulauf. «Das grün-rote Ziel, Baden-Württemberg zum Vorreiter für sexuelle Vielfalt zu machen, bleibt unverändert. Und die Endfassung des Bildungsplanes kommt erst nach der Landtagswahl», mahnte sie. Die Publizistin Birgit Kelle sagte der «Schwäbischen Zeitung» (Samstag), Grün-Rot habe den Bildungsplan zwar entschärft. Aber: «Wir sind leider noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt.» In dem Aktionsplan sei nach wie vor die Bildungsplanänderung drin.
Das Kultusministerium wies die Kritik zurück und betonte, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Reform der Bildungspläne eine zentrale Rolle spiele. «In der aktuellen Anhörungsphase, die noch bis Ende Oktober läuft, hat beispielsweise jeder interessierte Bürger die Möglichkeit, Kritik zu äußern und Anregungen einzubringen. Diese Eingaben werden systematisch ausgewertet und gegebenenfalls aufgegriffen», erklärte ein Sprecher des Kultusministeriums. dpa