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Kulturkampf im Ländle geht weiter: Laufen den Gemeinschaftsschulen die Schüler weg? Stoch widerspricht

STUTTGART. In der Schulpolitik heißt es immer: Eltern stimmen mit den Füßen ab, sprich: Sie senden ihre Kinder zu ihrer favorisierten Schule. Deshalb verschwindet die Hauptschule. Aber auch die Gemeinschaftsschule scheint nicht so populär, wie sich das die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg wünscht. Behauptet jedenfalls die Opposition.Kultusminister Stoch (SPD) widerspricht.

Sieht die Gemeinschaftsschulen im Aufwind: Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch. Foto: SPD-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg

Innovativ, beliebt, zukunftsträchtig – so stellt Grün-Rot ihr bildungspolitisches Zugpferd dar, die Gemeinschaftsschule. Doch mit der Popularität ist es nach Überzeugung der CDU-Landtagsfraktion nicht mehr weit her. Aus einer Antwort des Kultusministeriums auf ihre Fragen ergebe sich, dass der Schulart die Schüler weglaufen. «Bei den Eltern hat sich Ernüchterung nach den ersten Erfahrungswerten eingestellt», sagte der CDU-Bildungsexperte Georg Wacker in Stuttgart. Auch die FDP wertete die Zahlen als Niederlage für das «bildungspolitische Lieblingskind» von Grün-Rot. Dem widerspricht die Koalition vehement und wirft der CDU Wahlkampf-Rhetorik vor. Sie wolle die Gemeinschaftsschulen schlecht reden.

Von den derzeit insgesamt 271 Gemeinschaftsschulen hätten fast 29 Prozent (Vorjahr: 25,3 Prozent) weniger als 40 Schüler in der Eingangsstufe, sagte Wacker. Den geringsten Schülerschwund verzeichnet der Regierungsbezirk Freiburg, wo der Wert bei 17,4 Prozent liegt. Es gebe neun Härtefälle mit zweimal in Folge sinkenden Schülerzahlen und inzwischen unter 40 Schülern in der Eingangsstufe.

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Die Schule in Schwaikheim (Rems-Murr-Kreis) erreicht schon die kritische Grenze von 16 Schülern in der Eingangsstufe. Unterschreitet sie zweimal nacheinander diesen Wert, droht ihr die Schließung.

Die Schülerzahl 40 war und ist Voraussetzung für die Genehmigung von Gemeinschaftsschulen und soll eine stabile Zweizügigkeit gewährleisten. Überdies hätten im vergangenen Schuljahr von 209 Schulen 124 oder fast 60 Prozent mit sinkenden Schülerzahlen in den Eingangsklassen zu kämpfen gehabt, sagte Wacker. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) wies hingegen darauf hin, dass die Gesamtschülerzahl sowohl in den Eingangsklassen der öffentlichen Gemeinschaftsschulen als auch insgesamt steige. Während es demnach im Schuljahr 2014/15 rund 11 000 Schüler in den Eingangsklassen gab, sind es im aktuellen Schuljahr rund 14 000.

Wacker betonte jedoch, viele Mütter und Väter hätten offenbar infolge Rückmeldungen von der Gemeinschaftsschule enttäuschter Eltern den Glauben an diese Schulart verloren. Insbesondere eine mangelhafte individuelle Förderung schwacher Schüler und die Rolle des Lehrers ausschließlich als Lernbegleiter statt als Orientierung gebende Lehrerpersönlichkeit seien aus Sicht der Eltern die Haken an der Gemeinschaftsschule. Die Grünen-Schulexpertin Sandra Boser sprach von einem «ideologischen Schlachtzug» der CDU gegen individuelles Lernen, das sie jahrelang verhindert habe.

Der Verein für Gemeinschaftsschulen betonte, anders als von der CDU behauptet fördere die «Schule für alle» sowohl schwache als auch starke Schüler und biete ein Mix von Unterrichtsmethoden. Vereinschef Matthias Wagner-Uhl wies darauf hin, dass der einzelne Standort infolge des immer dichteren Netzes von Gemeinschaftsschulen zwangsläufig weniger Schüler in der Eingangsklasse verzeichne. Die CDU bezeichnet diesen Effekt allerdings als «Kannibalisierung» der Gemeinschaftsschulen untereinander.

Wacker warnte die Kommunalpolitik, Geld für diese Schulen in die Hand zu nehmen. «Solche Investitionen sind auf Sand gebaut.» Dem hielt der SPD-Schulexperte Stefan Fulst-Blei entgegen: «Bürgermeister und Stadträte der CDU haben längst die Zeichen der Zeit begriffen und votieren vor Ort reihenweise für die Einführung von neuen Gemeinschaftsschulen.»

Wacker warf der Landesregierung vor, bei der Genehmigung von Schulen zu laxe Maßstäbe angelegt zu haben. «Die Genehmigungen beruhen auf unscharfen Prognosen für die Schülerzahlen, die eher den Hoffnungen von Grün-Rot entsprechen als der Realität.» Das betreffe etwa die angenommenen Übergangszahlen von der Grundschule auf die weiterführende Schule. Zu positive Annahmen hätten dazu geführt, dass zu viele Standorte genehmigt worden seien, erläuterte Wacker.

Die CDU will im Falle eines Wahlsieges bei der Landtagswahl im März 2016 keine neuen Gemeinschaftsschulen genehmigen und die bestehenden hinsichtlich Lehrer- und Sachausstattung und mit den anderen Schularten gleichstellen. Dem Kultusministerium liegen derzeit 32 Anträge von Schulträgern auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule vor. Über sie soll Anfang Februar 2016 entschieden werden. Von Julia Giertz, dpa

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