DRESDEN. Pegida wächst. Bürger blockieren geplante Flüchtlingsunterkünfte. Vor einer Schule, in der Flüchtlinge untergebracht werden sollen, kommt es zu Tumulten. Der Kultursenat warnt vor einer Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung – und stellt fest: „Sachsen hat ein Problem.“ Doch es gibt auch Zeichen der Menschlichkeit dort.
Die Dresdner CDU und der Landeselternrat haben die geplante Flüchtlingsunterbringung im Nebengebäude einer Grundschule in Dresden kritisiert. «Daran festzuhalten, Grundschüler und Asylbewerber auf einem gemeinsamen Schulgelände unterzubringen, ist verantwortungslos», erklärte die bildungspolitische Sprecherin Heike Ahnert am Dienstag. Bereits am Freitag hatte Dresden angekündigt, eine leerstehende Schule im Stadtteil Prohlis als Notunterkunft für rund 150 Flüchtlinge zu nutzen. Nebenan werden noch bis Februar Kinder unterrichtet. Der Schulhof soll durch einen Bauzaun getrennt werden.
Auch der Landeselternrat (LER) steht den Plänen kritisch gegenüber. «Die Verantwortlichen sind sich der Tragweite nicht bewusst», sagte LER-Vorsitzender Peter Lorenz. Die Eltern hätten angesichts möglicher Konflikte und Ausschreitungen Angst. Nach Angaben der Polizei kam es am Montagabend während einer Infoveranstaltung in der Schule vor dem Gebäude zu Tumulten. Rund 60 teils stark betrunkenen Personen musste der Zutritt verwehrt werden, hieß es. Böller wurden gezündet, Flaschen flogen, eine Polizistin wurde leicht verletzt.
Angesichts des wachsenden Zulaufs zu Pegida hat der Sächsische Kultursenat eindringlich vor einer Radikalisierung und Eskalation der Fremdenfeindlichkeit gewarnt. Die Linke forderte zudem von der Regierung, Blockaden von geplanten Unterkünften für Flüchtlinge zu unterbinden. «Es kann und darf nicht sein, dass mit rassistischen Aufmärschen der Bezug von Asylunterkünften be- oder sogar verhindert wird und der Staat untätig zusieht», sagte die Linke-Politikerin Juliane Nagel. In Heidenau dagegen setzten Stadt und Künstler ein Zeichen für Toleranz.
Die Diffamierung und Hetze gegen Menschen, die aus verschiedenen Gründen in Deutschland Hilfe und Schutz suchen, offenbaren sich dem Kultursenat zufolge in bisher unbekanntem Ausmaß. «Sachsen hat ein Problem. Flüchtlinge und Asylbewerber wurden offen attackiert. Ebenso wurden Politiker und Polizisten und Andersdenkende angegriffen», hieß es in einem Offenen Brief an die Bürger. Im Kultursenat sitzen Kulturschaffende und auch Politiker. Dass auch viele Menschen konkrete Hilfe leisteten, bezeichneten sie als ermutigend.
«Wir als Sachsen wollten eine andere Botschaft senden als die der Gewalt», erklärte auch Unternehmer Jens Jähnig. Er sammelte bei Firmen aus ganz Deutschland Geld für eine Skulptur, die am Montag in Heidenau aufgestellt wurde. Das Wort «Miteinander» steht nun als riesiges Kunstwerk aus Stahl im Zentrum der sächsischen Stadt.
Die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung hatte am Montag in Dresden erneut Tausende Anhänger mobilisiert. Nach einer ersten Auszählung von Studenten der TU Dresden kamen bis zu 9000 Menschen zusammen. Die sächsische AfD stellte am Dienstag klar, dass sie keinen Schulterschluss mit Pegida suche und weiter in eigener Regie gegen die Asylpolitik demonstrieren wolle. Der Publizist Götz Kubitschek, der als Vordenker der Neuen Rechten gilt, hatte auf der Pegida-Versammlung offen zum Rechtsbruch aufgerufen. Er fragte, ob man nicht auch als Bürger Grenzübergänge sperren und geplante Flüchtlingsunterkünfte blockieren solle.
Derzeit belagern Bürger tatsächlich ein früheres Ferienlager im Chemnitzer Stadtteil Einsiedel und eine Turnhalle in Dresden-Übigau, um den Einzug von Asylsuchenden zu verhindern. Die Linke im Landtag verlangte von der Regierung, solche Blockaden zu verhindern. Nagel warf Innenminister Markus Ulbig (CDU) vor, dass er den rassistischen Manifestationen nicht die Stirn biete und Grund- und Menschenrechte nicht verteidige.
Das Kabinett beschloss unterdessen, leerstehende Wohnungen für Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive zu nutzen und mehr Lehrer für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) auszubilden. Die Zahl der Lehrerstellen, die für den Unterricht von Flüchtlingskindern bereit stehen, wächst von 332 im vorigen Schuljahr auf 632 im laufenden. dpa
Zum Bericht: Modellkita für Flüchtlingskinder – ausgerechnet in der braunen Hochburg Hoyerswerda