ERFURT. Gestern Abend in der Talkrunde von Günther Jauch: Björn Höcke, der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende, zieht aus der Innentasche seines Sakkos ein Tuch hervor, das sich nach dem Entfalten als kleine Deutschland-Fahne entpuppt, und drapiert es neben sich auf die Lehne des Sessels. Er sitze hier, so Höcke pathetisch, weil er sich um Deutschland zutiefst sorge. Die Angst vor dem Verlust der Heimat und die große Liebe zu derselben seien es gewesen, die aus ihm – einem eher introvertierten Gymnasiallehrer – einen Politiker gemacht habe. Wer ist der Ex-Oberstudienrat, der gestern vor einem Millionenpublikum eine nach eigenem Bekunden sachliche Kritik der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung vertrat – der aber noch während der Sendung in Einspielfilmen als Einpeitscher bei fremdenfeindlichen Kundgebungen entlarvt wurde?
Höcke ist in seiner Partei mächtiger denn je – obwohl er noch vor einigen Wochen entmachtet werden sollte. Tausende Menschen folgen ihm mittwochs auf den Kundgebungen seiner Partei in der Landeshauptstadt Erfurt. Dort prangert er immer und immer wieder die Asylpolitik der Bundesregierung an. Fast schon vergessen ist, dass AfD-Parteigründer Bernd Lucke, der mittlerweile eine neue Partei gegründet hat, ihn seiner Ämter entheben wollte. Der Grund: Höcke meinte in einem Interview, nicht jedes NPD-Mitglied könne als extremistisch eingestuft werden. Der 43-jährige Höcke ist in Lünen in Nordrhein-Westfalen geboren. In Hessen war er fünf Jahre Gymnasiallehrer für Geschichte und Sport. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.
Mit der Landtagswahl vor gut einem Jahr gelang der AfD mit Höcke an der Spitze der Einzug ins Thüringer Landesparlament. Nach jüngsten Umfragen hat die Partei zugelegt, obwohl sie über Monate hinweg mit Personalquerelen Schlagzeilen machte. Noch offen ist ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Erfurt, das gegen Höcke wegen Scheingehälter für seinen Wahlkreismitarbeiter ermittelt. Deswegen war ihm seine Immunität, also der Schutz vor Strafermittlungen, entzogen worden.
Das alles war allerdings bei Günther Jauch gestern kein Thema. Vielmehr ging es, so die „Süddeutsche Zeitung“ in einem Kommentar zur Sendung, um ein „Best-of der Höcke’schen Verbalausfälle“: von der völlig haltlosen Behauptung, „blonde deutsche Frauen“ hätten zunehmend Angst vor übergriffigen Asylbewerbern, bis hin zum peinlichen Abgesang auf die Heimat: Der Syrer habe ja noch sein Syrien, wenn er hierherkomme, aber dem Deutschen bleibe nichts … „Muss man so einen einladen“, fragt die „Süddeutsche“ rhetorisch. Wahrscheinlich schon: Besser lassen sich geistige Brandstifter nicht entlarven, als wenn man sie mit den eigenen Aussagen konfrontiert. Das ist gestern geschehen, immerhin. News4teachers
Zum Kommentar: Was wir jetzt brauchen: Eine Bildungs-Offensive gegen die Hass-Kultur!