BERLIN. Wie radikal darf ein Lehrer politisch sein, gar ein Geschichtslehrer? Die Frage hat mit dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke an Aktualität gewonnen. Denn: Der Thüringer Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete ist ein freigestellter Oberstudienrat für Sport und Geschichte, zuletzt arbeitete er an einer Gesamtschule im hessischen Bad Sooden-Allendorf. Wegen rassistischer Äußerungen distanziert sich die Spitze seiner Partei von ihm – und legt ihm indirekt einen Parteiaustritt nahe. Doch was würde es beruflich für Höcke bedeuten, wenn er aus der Politik ausschiede? Hätte er einen Anspruch auf seine frühere Stelle?
Das hessische Bildungsministerium erklärt gegenüber der „Bild“-Zeitung: Nur wenn jemand im aktiven Schuldienst die „Pflicht zur Verfassungstreue oder die politische Neutralitäts- und Mäßigungspflicht“ verletzt, könne es ein Disziplinarverfahren geben. Dann aber werde man „sehr genau hinschauen und den Fall einer Prüfung unterziehen“. Heißt: Höcke hätte ein Rückkehrrecht. Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, sieht das skeptisch: „Es wäre eine sehr fragwürdige Angelegenheit, wenn dieser Mann eines Tages in den Schuldienst zurückkehrt.“ So zitiert ihn das Blatt. Das „Mäßigungsgebot“ gelte auch für freigestellte Lehrer. Kraus: „Wenn ich Höckes Schulleiter wäre, würde ich den Mann zurückpfeifen.“
Höcke, der bundesweit dadurch bekannt wurde, dass er in der Talkshow von Günter Jauch eine Deutschland-Fahne auf der Armlehne seines Sessels drapierte, tritt regelmäßig bei Demonstrationen als Einpeitscher gegen die Flüchtlingspolitik auf. „Merkel muss weg“, pflegt er zu skandieren. „Frau Merkel, Sie sind eine Zumutung“, schreit er gerne. Unlängst erklärte er laut „Stern“ in einer Rede, dass Afrika eine andere “Reproduktionsstrategie” als Europa verfolge – und verglich Afrikaner mit Insekten und anderen Tieren, die möglichst viele Nachkommen zeugen, damit wenigstens einige überleben. Auch soll er Christentum und Judentum als unversöhnlichen Gegensatz bezeichnet haben. Solche Tiraden gehen offenbar auch den Parteifreunden mittlerweile zu weit: „Der Bundesvorstand fordert Björn Höcke nachdrücklich auf, auch selbst zu prüfen, inwieweit seine Positionen sich noch in Übereinstimmung mit denen der AfD befinden.“
Was wäre, wenn Höcke demnächst wieder als Lehrer vor der Tür stünde? Darauf mag die Leiterin seiner alten Schule nicht antworten, sie verweist aufs zuständige Ministerium. Gegenüber dem „Stern“ macht sie aber deutlich, wie wenig Kollegium und Schülerschaft mit den Thesen des AfD-Politikers anfangen können. „Unsere Schüler haben in Eigeninitiative Spenden für Flüchtlinge aus Syrien gesammelt”, berichtet sie. Und „Die Kinder haben Crêpes gebacken und verkauft, einen Weihnachtsbasar mit selbst gebastelten Sachen veranstaltet und von dem eingenommenen Geld Geschenke gekauft für die Flüchtlingsfamilien, die neu zu uns in den Ort gezogen sind.” Kaum vorstellbar, dass der Krawallmensch Höcke sich künftig an solchen sozialen Aktivitäten der Schule beteiligt.
Als Lehrer allerdings hat er sich politisch zurückgehalten. Fast immer jedenfalls. Als Höcke neu im Kollegium war, trat er laut Nachrichtensender N24 einmal öffentlich in Erscheinung – er schrieb einen Leserbrief an die „Hessisch-Niedersächsische Allgemeine“. Darin ging es um die Vernichtung Dresdens durch alliierte Bomber kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs. „In der Weltgeschichte sind niemals zuvor und niemals danach in so kurzer Zeit so viele Menschen vom Leben zum Tode befördert worden wie im ehemaligen Elbflorenz”, so schrieb er. Und: „Es ging darum, bis zum Kriegsende eine möglichst große Zahl deutscher Menschen … zu töten.” Steile Thesen für einen Geschichtslehrer. News4teachers
