FRANKFURT. In den vergangenen Wahlkämpfen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz waren Bildungsthemen immer wieder Thema. Über ungerechtfertigte Unterstellungen und wirre Ideen auf Kosten von Kindern und Lehrkräften ärgert sich jetzt der Grundschulverband in der Mai-Ausgabe ihrer Mitgliederzeitschrift.
„Schreiben nach Gehör und andere Märchen“, nennt die Landesgruppe Rheinland-Pfalz einen Wahlkampfslogan in Rheinland-Pfalz, mit dem Rechtschreibleistungen diskutiert wurden. Peinlicherweise hatten die Wahlkämpfer das Prinzip nicht verstanden. Denn ob mit “Schreiben nach Gehör” die Methode „Lesen durch Schreiben“ von Jürgen Reichen oder das alphabetische Prinzip im Schriftsprachenerwerb gemeint war, wurde nie erläutert, kommentiert Heike Neugebauer von der Landesgruppe in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift „Grundschule aktuell“ süffisant. Es sei außerdem behauptet worden, dass Grundschullehrkräfte bis Ende des zweiten Schuljahres lautgetreues Schreiben auch mit Hilfe der Anlauttabelle anwenden, Fehler weder verbesserten noch Rechtschreibregeln thematisierten. Dies sei falsch und unzutreffend, stellt der Landesverband jetzt klar.
Ein weiteres Wahlkampfziel war offenbar, die lateinische Ausgangsschrift beizubehalten, weil die Schreibschrift ein wichtiger Entwicklungsschritt für Feinmotorik und Konzentration sei. Die Landesgruppe ist anderer Ansicht. „Im Umkehrschluss heißt dies, dass die Grundschrift Feinmotorik und Konzentration nicht fördert.“ Geärgert habe man sich auch über die Unterstellung, dass Lehrkräfte ihren Deutschunterricht nicht auf der Grundlage der Bildungsstandards und des Teilrahmenplans Deutsch gestalten.
Das Bildungssystem als Berufsvorbereitung
Sehen über 270 000 Sachsen-Anhalter ihr Bildungssystem tatsächlich durch ein sinkendes Leistungsniveau, ideologische Experimente und ein bürokratisches Korsett akut bedroht? Das fragt die Landesgruppe des Grundschulverbands Sachsen-Anhalt mit Blick auf die 24 Prozent der Wähler, die für die AfD gestimmt haben.
Die neue Partei schrieb unter anderem eine radikale Veränderung des Bildungssystems in ihr Programm. Demnach soll die Schule vorrangig eine „am Bedarf wie an den individuellen Begabungen“ orientierte Vorbereitung auf den Beruf sein. Das beinhalte im Bereich der Grundschulen u.a. die Aufhebung der Schuleinzugsbezirke, eine Höhergewichtung der Fertigkeiten Lesen, Schreiben, Rechnen sowie der Tugenden Gradlinigkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnungssinn.
Schulrechtlich benötige der Lehrer eine stärkere autoritärere Stellung. Inklusion sei darüber hinaus nicht finanzierbar und wird abgelehnt. Erleichtert kommentiert Ralph Thielbeer von der Landesgruppe des Grundschulverbands: „Der Umsetzungsversuch der wirren Forderungen bleibt uns vorerst erspart.” Gespannt sei man jetzt auf die anstehende Auseinandersetzung in der Bildungspolitik zwischen Konservativen und Reformern, die ja in der neuen Regierung zusammenarbeiten müssen.
Spezialisierte Grundschullehrerausbildung
Im Gegensatz zu Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz verschonten die Parteien den Wahlkampf in Baden-Württemberg mit allzu kruden Vorstellungen in der Bildungspolitik. Die Vorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg, Professor Claudia Vorst, lobte im Mitglieder-Magazin die Reform der Lehrerausbildung, die im Vorfeld der Landtagswahl durchgesetzt wurde. Baden-Württemberg hat nach vielen anderen Bundesländern damit ein spezialisiertes Grundschulstudium eingeführt.
Bisher gab es eine gemeinsame Ausbildung für Grund- Haupt- und Werkrealschullehrer. Es sei jedoch nicht vermittelbar, warum das Studium, wie alle anderen Lehramts-Studiengänge, nicht ebenfalls auf 10 Semester verlängert wurde. Die Landesgruppe bewertet es außerdem als positiv, dass in den neuen Bildungsplänen die sogenannten neuen Medien „sobald vorhanden“ zu nutzen seien – früher hieß es „falls vorhanden“. Der Grundschulverband hatte sich dafür eingesetzt, dass digitale Medien verbindlich in den Bildungsplan der Grundschule aufgenommen werden. nin