DÜSSELDORF. Schulen müssten das Angebot von Nachhilfeschulen einbinden, fordert der Jugendforscher Professor Klaus Hurrelmann in der Maiausgabe der Zeitschrift „Schulverwaltung“.
Das Geheimnis des Erfolgs von Nachhilfeschulen liege in der systematischen Erfassung der Ausgangssituation der Schülerinnen und Schüler, analysiert der renommierte Forscher im Interview. Wo liegen individuelle Stärken und Schwächen? Welche spezifischen Bereiche werden im jeweiligen Fach beherrscht? Eine solche Diagnostik könnten die Lehrkräfte in den Schulen auch leisten, tun es aber häufig nicht, kritisiert Hurrelmann. Nachhilfe sei über seinem ursprünglichen Ansatz hinaus, daher zu einem privat finanzierten Zusatzunterricht geworden, der Defizite des Schulsystems ausgleicht und den eigenen Kindern einen Vorteil gegenüber anderen verschafft.
Nach einer aktuellen Erhebung kostet professionelle Nachhilfe die Eltern rund 1,5 Milliarden jährlich. Für die einzelne Familie ist der Posten jedoch überschaubar. Und durch den lerntheoretisch anspruchsvollen Ansatz vieler Nachhilfeinstitute lohne sich für viele Eltern und deren Kinder der finanzielle Einsatz, kommentiert Hurrelmann. „Eltern erzielen damit für ihre Kinder einen echten Vorteil im Wettbewerb um gute Schulabschlüsse.“ Die Schulbildung sei nun mal eben käuflich.
Pädagogen gelten als zweitrangig für die Erziehung und Bildung
Nach Studien des Wissenschaftlers hat sich der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die zumindest ab und zu Nachhilfe erhalten, seit 1994 von18 Prozent auf heute etwa 30 Prozent erhöht. Im Vergleich zu anderen Ländern ist dieser Anteil in Deutschland sehr groß, sagt der Forscher. Der Grund: In Deutschland wird den Eltern immer noch eine Schlüsselrolle für die Bildung und Erziehung ihrer Kinder eingeräumt. Die Tätigkeit der Pädagogen und Erzieher wird als zweitrangig eingestuft.
Das ist ein bildungs- und sozialpolitisches Problem. Denn die leistungsschwachen und bildungsferneren Schüler, die eigentlich Förderung benötigen, erhalten sie zu wenig. Entweder fehlen ihren Eltern die Einsicht oder das Geld für Nachhilfe. Und die Schüler, aus bildungsnahen Schichten, die eigentlich schon ganz gute Leistungen bringen, bekommen zusätzlich noch die Förderung durch die Nachhilfe. Das verstärke die ohnehin schon starken Einflüsse der sozialen Herkunft auf die Schulleistungen.
Angebote der Nachhilfeinstitute integrieren
Für Hurrelmann liegt die Lösung auf der Hand: „Die Ungleichheiten lassen sich nur verringern, wenn die Förderung aller Kinder, auch und gerade der schwächeren, in die schulische Arbeit institutionell einbezogen wird.“ Deshalb müssten die Angebote der Nachhilfeinstitute in die Schule integriert werden. Dadurch könnten sie zum Abbau von Ungleichheit beitragen, wenn sie systematisch in das Bildungssystem integriert würden, indem sie etwa Teil eines Ganztagsangebots werden. Nina Braun