STUTTGART. Junge Pädagogen zieht es mehr und mehr in die Städte. Beispiel Baden-Württemberg: Hunderte der im neuen Schuljahr bislang unbesetzten Lehrerstellen, die das Kultusministerium auf 672 beziffert, seien auf dem Land, sagte die Landeschefin der Lehrergewerkschaft GEW, Doro Moritz, in Stuttgart. „Wir werden ein deutliches Stadt-Land-Gefälle bei der Unterrichtsversorgung bekommen.“ Manche Junglehrer entschieden sich sogar bewusst für eine befristete Stelle in der Stadt, auch wenn ihnen Beamtenstellen auf dem Land winkten. „Wer in Freiburg leben will, will eben nicht in den Hochschwarzwald“. Ähnliche Probleme haben andere Bundesländer auch. Sachsen zum Beispiel hat sogar eigens eine „Buschprämie“ eingeführt – Brandenburg denkt darüber nach.
Zurück in Baden-Württemberg: Die vom Lehrermangel auf dem Land betroffenen Schulen müssten b bereits Angebote über den Pflichtunterricht hinaus streichen, zum Beispiel Arbeitsgemeinschaften, Extra-Förderung und Klassenteilungen, erklärte Moritz. In beruflichen Schulen drohe die Überstundenbugwelle anzusteigen. Damit die Engpässe nicht zu Unterrichtsausfall führten, solle die feste Lehrerreserve von derzeit 1666 um 1000 Stellen aufgestockt werden, verlangte die Gewerkschafterin. Dann würde sich dieser Stellenpool auf 2,5 Prozent des gesamten Lehrpersonals belaufen – ein Anteil, der dem Bundesschnitt entspreche. Gegensteuern könne man nur, wenn man den Beruf und seine Rahmenbedingungen insgesamt attraktiv halte. Dazu gehöre auch, dass die Politik nicht weiter im Staatsdienst den Rotstift ansetze.
Die FDP im Landtag forderte mehr Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit der Schulen. «Wenn eine Schule ihr Personal weitgehend selbst auswählen, ihren Lehrern interessante Beschäftigungs- und Aufstiegsperspektiven bieten und bei drohendem Unterrichtsausfall auf eine eigene Vertretungsreserve zurückgreifen kann, wäre das insbesondere für die Schulen im ländlichen Raum eine deutliche Verbesserung», sagte Bildungsexperte Timm Kern. Wenn die einzige Schule in erreichbarer Nähe massiv von Unterrichtsausfall und fachfremdem Unterricht betroffen sei, reduziere das die Bildungschancen junger Menschen auf dem Land.
Die Sicherheit der Arbeitsplätze als Beamter, so Moritz, spiele dann eine untergeordnete Rolle, wenn sich in einem wirtschaftlich prosperierenden Bundesland wie Baden-Württemberg andere Jobs anböten. Wenn die Landesregierung die Tarifsteigerung im öffentlichen Dienst nicht mehr in gleicher Höhe auf die Beamten zu übertragen gedenke, werde die GEW dies mit Demonstrationen quittieren.
Ob das aber hilft, mehr Lehrer aufs Land zu bekommen? Sachsen geht einen anderen Weg. Dort bekommen Lehramtsstudenten im Hauptstudium ein Stipendium von 300 Euro monatlich, wenn sie sich verpflichten, nach dem Abschluss aufs Land zu gehen – mindestens so lange, wie sie im Studium gefördert wurden. Ein vergleichsweise preiswertes Modell. Brandenburg erwägt, die sächsische Initiative zu kopieren – will aber erst einmal abwarten, ob sie tatsächlich Erfolg hat. News4teachers / mit Material der dpa
Zum Bericht: Wanka für mehr Schulen auf dem Land – Fehler müssten korrigiert werden