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Debatte unter Wissenschaftlern: So integriert man muslimische Kinder und Jugendliche

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FRANKFURT/MAIN. Junge Muslime sind in Deutschland nach Einschätzung von Fachleuten auch in der dritten Generation noch in vielfältiger Weise benachteiligt. «Sie schneiden bei den Schulabschlüssen deutlich schlechter ab, und das verringert ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt», sagte die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), Susanne Schröter, am Freitag bei einer Fachtagung. Zugleich stießen junge Muslime etwa bei der Arbeitsplatzsuche auf Vorbehalte. Sie würden aber auch überproportional häufig straffällig, und die Faszination radikaler muslimischer Gruppierungen sei trotz aller Bemühungen ungebrochen.

«Wir brauchen eine komplexe Präventions- und Deradikalisierungsarbeit – und wir sind ganz, ganz am Anfang», sagte Ahmad Mansour, Programmdirektor der European Foundation for Democracy. «Wir brauchen nicht nur Projekte, sondern ein flächendeckendes Umdenken in der Prävention.»

Männlichkeitsbilder von traditionellen Muslimen in Frage stellen, fordern die Experten. Foto: privat

Der Autor («Generation Allah, wieso wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen») fordert eine Schulreform sowie besser ausgebildete Lehrer und Sozialarbeiter. Werte müssten vermittelt und über aktuelle politische Themen gesprochen werden. Wichtig sei auch die Arbeit mit den Biografien der Schüler, die Aufklärung der Eltern und die Präsenz liberaler offener Muslime im Internet mit einem ganz anderen Islamverständnis als das der Salafisten. «Das, was die Jugendlichen immunisiert gegen Radikalisierung.»

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Elternarbeit kann helfen

«Wir dürfen nicht warten, bis die Jugendlichen in unsere Jugendzentren kommen», sagte Psychologe Mansour. «Sondern wir müssen da Angebote machen, wo die Jugendlichen sind: Im Internet und in den sozialen Medien.» Lehrer und Sozialarbeiter müssten zudem «schnell erkennen können, wenn sich junge Leute radikalisierten und wissen, wo sie dann kompetente Hilfe finden».

Der Dortmunder Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak hat sich intensiv mit den vielfältigen Ursachen von Gewalt bei muslimischen Jugendlichen auseinandergesetzt. «Um die Gewaltbereitschaft zu bekämpfen und die Jungen mehr in dem in Deutschland gültigen Wertekanon zu sozialisieren, muss das Hauptaugenmerk auf die Elternarbeit gerichtet werden», lautet eine Schlussfolgerung des Wissenschaftlers und Anti-Gewalt-Trainers. Schulen und Bildungseinrichtungen sollten die traditionellen mit Freundschaft und Ehre verknüpften Männlichkeitsbilder zum Thema machen, damit die Jugendlichen sie hinterfragen lernten.

Der islamische Religionsunterricht müsse ein offizielles und gleichberechtigtes Fach sein, das von in Deutschland ausgebildeten Lehrer auf Deutsch gehalten werde. Toprak macht sich zudem für eine Kindergartenpflicht, den Ausbau der Ganztagsschulen und flächendeckende Patenprojekt für muslimische Schüler stark.

Nach Einschätzung von Hussein Hamdan von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart interessieren sich junge Muslime sehr stark für den interreligiösen Dialog. Dies habe eine Untersuchung der Jugendarbeit mehrerer islamischer Verbände und Projekte gezeigt. «Der Glaube verbindet.» Das Personal in der muslimischen Jugendarbeit sei allerdings meist wenig qualifiziert und arbeite ausschließlich ehrenamtlich. Die Ressourcen und Qualifikationen ließen sich nicht mit denen der christlichen Kirchen vergleichen, der Dialog sei daher oft nicht auf Augenhöhe.

Mehr Jugendarbeit von muslimischen Verbänden

«Die muslimischen Verbände müssen bessere Strukturen und hauptamtliche Stellen aufbauen, damit die Jugendarbeit besser wird», betonte Hamdan. Modellcharakter habe dabei der Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland. Dies sei die einzige Migranten-Selbstorganisation mit einer Vollmitgliedschaft im Deutschen Jugendring.

«In Deutschland gibt es sehr wenig Angebote für muslimische Jugendliche», sagte Taoufik Hartit. Er hat vor sechs Jahren den Bund der Muslimischen Pfadfinder und Pfadfinderinnen in Deutschland gegründet, an dessen Spitze derzeit eine Frau steht. Viele Eltern seien auf der Suche nach sinnvollen Angeboten und die Nachfrage bei den Pfadfindern sei enorm. Der Bund mit seinen derzeit neun Ortsgruppen und rund 300 Mitgliedern solle aber «kontinuierlich und nachhaltig wachsen». Bei dieser Jugendarbeit, die nach Einschätzung von FFGI-Direktorin Schröter zu den Vorzeigeprojekten gehört, gehe es darum, dass die Jugendlichen ihren eigenen Pfad im Leben finden und sich selbstbewusst engagierten, sagt Hartit. «Das schützt vor allen Radikalisierungen.» Ira Schaible, dpa

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