HANNOVER. Drei Jahre ist es her, dass die niedersächsischen Schulen mit der praktischen Umsetzung der Inklusion begonnen haben. Regionale Beratungszentren, geleitet von ehemaligen Förderschullehrern, sollen sie künftig dabei unterstützen. Äußert sich die GEW positiv zu den Plänen, spricht die Landes-CDU von einer unnötigen Verkomplizierung eines bislang gut funktionierenden Systems.
Niedersachsen will das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen mit einem Netzwerk von Beratungsstellen zur inklusiven Schule weiter voranbringen. «Wir haben mit der Inklusion einen der größten Umstellungsprozesse der Schulgeschichte vor uns», sagte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). Drei Jahre nach der Einführung sei ein weiteres Nachsteuern nötig.
Die Inklusion wird seit 2013 an niedersächsischen Schulen umgesetzt. Im Schuljahr 2015/16 wurden landesweit 15 661 Schüler inklusiv unterrichtet. Das bedeute, dass 60 Prozent der Kinder mit Förderbedarf eine allgemeine Schule besuchen, sagte Heiligenstadt. Die Inklusion habe sich bewährt: «Schüler ohne Behinderung entwickeln ein anderes Sozialverhalten, gegenseitige Rücksichtnahme bildet sich heraus.» Das Land stelle im laufenden Haushaltsjahr rund 265 Millionen Euro zur Verfügung. Bis 2020 sollen insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro in die inklusive Schule investiert werden.
Bereits 2017 sollen die ersten zwölf «regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren inklusive Schule» (RZI) an den Start gehen. In welchen Regionen das sein wird, wollte die Ministerin nicht sagen. Innerhalb der kommenden fünf Jahre sollen jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt ein solches Zentrum erhalten. Dort bekommen Schulen, Lehrer, Eltern und Schüler künftig Beratung bei der Umsetzung der inklusiven Schulbildung. Die Leitung dieser Zentren sollten die bisherigen Leiter von Förderschulen oder andere Förderschullehrkräfte übernehmen, sagte Heiligenstadt. Das Konzept sei in anderthalb Jahren mit Verbänden und Inklusionsexperten erarbeitet wurden.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bewertet die Pläne der Kultusministerin positiv. «Wir halten das für ein sachgerechtes Steuerungsinstrument», sagte der Landesvorsitzende Eberhard Brandt. Nicht nur Eltern, auch Lehrer und Schulleiter bräuchten Unterstützung. «Wenn etwa Förderschullehrkräfte an allgemeine Schulen versetzt werden, gibt es oft Rollenkonflikte: “Was machen die eigentlich hier?”», sagte Brandt.
Auch der Landeselternrat sieht Bedarf für Beratung. «Viele Eltern sind verunsichert, weil sie denken, ihr Kind könnte in einer inklusiven Schule nicht so gut unterstützt werden wie in einer Förderschule», sagte der Vorsitzende Stefan Bredehöft. Gerade im ländlichen Raum müsse zudem der Einsatz der Förderschullehrer genau geplant werden, da sich oft mehrere Schulen diese Pädagogen teilen. «Die Förderschullehrer sind so eine Art Reisende in Sachen Inklusion.» Die geplanten Zentren könnten eine Orientierung bieten.
Kritik dagegen kam von der CDU. Niedersachsen brauche kein neues bürokratisches System, sagte der bildungspolitische Sprecher Kai Seefried. «Die Experten für die Umsetzung der Inklusion sitzen in unseren Förderschulen: die zuständigen Schulleiter. Sie koordinieren die Umsetzung der Inklusion an den allgemeinen Schulen.» Dieses gut funktionierende System der Förderschulen wolle Rot-Grün abschaffen und durch ein kompliziertes Verfahren ersetzen. (dpa)
zum Bericht: Inklusion- Niedersachsen fehlen die Sonderpädagogen