Website-Icon News4teachers

Von wem sollen Lehrkräfte eigentlich lernen? Was die Forschung für die schulische Praxis leisten kann – und wo die Grenzen sind

Anzeige

DÜSSELDORF. Immer wieder glauben Politiker und Wissenschaftler, dass nur  theoretisch erdachte empirisch geprüfte Rezepte in den Schulen befolgt werden müssen und dann kommt hinten guter Unterricht heraus. Alle Lehrer kennen das: Schulbücher und wissenschaftliche Empfehlungen, die gut durchdacht sind, aber dennoch in der schulischen Praxis versagen. Professor Hans Brügelmann schreibt in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift des Grundschullehrerverbands “Grundschule aktuell” warum das nicht funktioniert. Seine Thesen in der Übersicht.

  1. Wer die empirisch ermittelten Top-Methoden von Forschung nur noch von den Lehrkräften umgesetzt sehen will, fordert einen Respekt vor den Ergebnissen ein, der die Bedeutung von Berufswissen und Alltagserfahrung minimiert.
  2. Pädagogische Praxis funktioniert nicht wie die Anwendung von Regeln in der Technik. “Eine Methode mag im Durchschnitt um einige Leistungspunkte erfolgreicher sein als eine andere. Trotzdem kann ihr Erfolg bei Lehrerin Schulze wesentlich geringer sein als bei Lehrer Müller.”
    Immer nur Bücherwurm? Nein, die gute Praxis gelingt nur im Austausch von Forschern und Praktikern. (Bild: Carl Spitzweg „Der Bücherwurm“ via Wikimedia Commons (gemeinfrei)

     

  3. Datenbasierte Forschungsergebnisse vernachlässigen die Besonderheiten der konkreten Situation, die über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Nach Brügelmann liegt der Grund darin, dass Personen in komplexen sozialen Situationen wie Unterricht in hohem Maße auf implizites Wissen angewiesen sind.
  4. Das implizite Wissen ist schwer zu vermitteln. Brügelmann zitiert den Berufsbildungsforscher Neuweg (2015), der drei Gründe dafür definiert: Diese sind a. Je komplexer ein Verhalten, desto schwerer fällt es den Handelnden, die Gründe für ihr Vorgehen zu beschreiben und somit wird es dem Experten schwerfallen, Regeln zu rekonstruieren. b. Selbst wenn die Rekonstruktion gelingt, sind die Handlungen schwer darstellbar und somit schwer vermittelbar. c. Jeder Fall ist anders, sodass Regeln sinn- und situationsgerecht ausgelegt werden müssen. Hier kommt wieder die Kompetenz des Lehrenden ins Spiel.

Fazit: Die Aufgabe der Bildungsforschung kann demnach nur Anregung, Herausforderung, Zweifel und und kritische Befragung sein. “Sie kann Chancen und Risiken benennen, aber keine verlässlichen Aussagen über zu erwartende Wirkungen machen.” Auf der anderen Seite zeichne eine starke Praxis sich statt durch Überheblichkeit – es durch die tagtägliche Erfahrung einfach besser zu wissen – durch eine eigene Forschungshaltung aus. Das eigene Erfahrungswissen sollte im Austausch mit anderen geprüft werden und durch “den Dialog mit Forschung zusätzlich angeregt und unterstützt werden”. nin

Anzeige
Die mobile Version verlassen