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Ist das Urteil richtig? Schüler bekommt nach lebensgefährlichem Angriff auf Lehrer einen Sozialkurs aufgebrummt – mehr nicht

HANNOVER. Ursprünglich war sogar von einem versuchten Totschlag die Rede: Ein damals 14 Jahre alter Gymnasiast soll bei einer Klassenfahrt vor zwei Jahren seinen Lehrer von hinten angegriffen und mit einem Schnürsenkel gewürgt haben. Zuvor soll der Schüler Todesdrohungen ausgestoßen haben. Jetzt wurde das Urteil gegen den mittlerweile 16-Jährigen rechtskräftig: Er muss einen sozialen Trainingskurs absolvieren – wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Lehrer war bei dem Angriff erheblich verletzt worden.

Das Gericht urteilte mild gegenüber dem Jugendlichen – zu mild?. Foto: Florentine / pixelio.de

Der Attacke des Schülers aus dem niedersächsischen Bad Pyrmont war nach Angaben der Polizei eine verbale Auseinandersetzung vorausgegangen. Der seinerzeit 33 Jahre alte Lehrer habe dem Schüler dabei ein Handy abgenommen, hieß es. Der 14-Jährige soll daraufhin vor Zeugen gedroht haben, er werde den Lehrer umbringen. Der Schüler habe dem Pädagogen dann im Treppenhaus der Goslarer Jugendherberge aufgelauert, ihn von hinten angegriffen, den Schnürsenkel um den Hals gelegt und zugezogen, sagte der Polizeisprecher seinerzeit. Der Lehrer konnte sich demnach nur mit Hilfe anderer Schüler befreien. Er erlitt Würgemale am Hals und einen Sehnenabriss am Finger.

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Der Junge, ein Deutsch-Russe, flog von der Schule, einem Gymnasium in Niedersachsen. Er wurde an ein anderes Gymnasium überwiesen – floh allerdings nach Russland, als er seine Anklageschrift erhielt. Dort wurde er nach mehreren Monaten von der Polizei verhaftet und nach Deutschland überstellt. Der Schüler saß mehrere Monate in Untersuchungshaft und musste sich dann einem Strafprozess stellen, in dem er zunächst wegen versuchtem Totschlag angeklagt wurde. In der nicht-öffentlichen Verhandlung wurden zahlreiche Zeugen befragt. Anschließend hielt das Gericht eine echte Tötungsabsicht für nicht mehr wahrscheinlich. Verurteilt wurde er schließlich wegen gefährlicher Körperverletzung.

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Keine Jugendstrafe zunächst

Das Gericht sah zunächst auch von einer Jugendstrafe ab (AZ: 34 KLs 12/14). Die Entscheidung hierüber wurde für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, weil es begründete Zweifel an dem Vorliegen schädlicher Neigungen gebe.

Das Urteil fiel also mild aus, trotzdem setzte sich der Schüler (ebenso wie die Staatsanwaltschaft) juristisch dagegen zur Wehr. Doch der Beschluss ist jetzt rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof habe die Revision des Jugendlichen verworfen, die Staatsanwaltschaft habe ihre Rechtsmittel zurückgenommen, teilte das Landgericht Hannover mit. Den sozialen Trainingskurs, zu dem er verurteilt worden war, werde er nun antreten müssen. Agentur für Bildungsjournalismus / mit Material der dpa

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Hintergrund: Gewalt gegen Lehrkräfte

Drohen, mobben, beleidigen – jeder vierte Lehrer ist schon einmal Opfer psychischer Gewalt von Schülern gewesen. Das geht aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage hervor, die der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) unlängst vorstellte.

Demnach ist fast ein Viertel (23 Prozent) der befragten Lehrer bereits Ziel von Diffamierungen, Belästigungen und Drohungen gewesen –  Aggressoren waren hauptsächlich Schüler, aber auch Eltern. Sechs von 100 Lehrern sind der Umfrage zufolge sogar schon einmal körperlich von Schülern angegriffen worden. Hochgerechnet seien damit mehr als 45.000 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen aller Formen bereits Opfer von tätlicher Gewalt geworden. Zu den körperlichen Angriffen gehörten etwa Fausthiebe, Tritte, An-den-Haaren-Ziehen oder das Bewerfen mit Gegenständen.

Auch Cybermobbing wird offenbar ein immer größeres Phänomenen. 77 Prozent der Befragten sehen eine Zunahme von Formen des Mobbings über das Internet. Fast jede dritte befragte Lehrkraft gab an, dass es Fälle an der Schule gab. Allerdings gaben nur zwei Prozent der Lehrkräfte an, selbst betroffen gewesen zu sein.

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