KÖLN. Viele Reformdebatten im Schulsystem seien verholzt, es gehe nur im Zuständigkeiten und Formalitäten, meint der studierte Pädagoge und bekannte Zukunftsforscher Matthias Horx. In der Zeitschrift „Schulverwaltung spezial“ (Ausgabe 2/2017) spricht einer der einflussreichsten deutschen Zukunftsforscher über die Trends, die die Schule der Zukunft prägen werden.
Es seien die Entwicklungen hin zu Individualisierung und zur Wissensgesellschaft, die heute einen veränderten Typus Mensch erforderten. Dabei habe sich die Pädagogik der Resonanz durchgesetzt, bei der emotionale und kommunikative Kompetenzen besonders wichtig sind. Im Grundsatz sei das keine neue Idee. Sie setze sich jedoch heute endlich gegen das Modell der „tayloristischen Lernlogik“ der Industriegesellschaft durch.
Die Schule sei in Deutschland allerorten in Bewegung, beobachtet der Forscher, der viele Vorträge vor Lehrkräften hält. Es gebe einen großen Willen zur Veränderung. Von der sogenannten Resonanz-Pädagogik profitierten heute alle Schüler wie Lehrer, sagte Horx in „Schulverwaltung“. Diese Art der Pädagogik geht davon aus, dass Wissen und Lernen immer aus der Berührung mit der Neugier und der Beziehung zwischen Menschen stammt. „Kinder zum Blühen bringen ist heute selbstverständlicher als in meiner Kindheit“.
Horx kennt diese Pädagogik aus eigener Erfahrung aus seiner eigenen Zeit als Pädagogikstudent. Schon damals wurde ihm klar, dass Pädagogik vor allem eine Frage der menschlichen Beziehung ist. Er erlebte autoritäre Lehrer, die eine unheimliche Lust auf Lernen machten und ebenso revolutionäre Lehrer, die die Lernenden ziemlich unglücklich machten.
Vorbilder sieht der Wissenschaftler in der skandinavischen Pädagogik, die es schaffe, Leistung, individuelle Förderung und solidarische Emotion zusammenzubringen, und ebenso im angelsächsischen Konzept, das einerseits streng sei, aber auch sehr stark auf die individuelle Motivation achte.
Zur Arbeit des Zukunftsforschers gehört es, verschiedene Szenarien für die Zukunft durchzuspielen und zu analysieren. Im Interview mit der Redaktion spielt er einige durch.
Für wenig wahrscheinlich hält Horx die Entwicklung des Schulsystems hin zur totalen Digitalisierung. Also zu einer Institution, in der sich Menschen nicht mehr begegnen. Auch eine Abschaffung der Schulfächer und die völlige Projektorientierung hält er für wenig aussichtsreich in der praktischen Umsetzung. Ebenso eine Entwicklung hin zur völligen Privatisierung steht wohl nicht bevor. Die drohende extreme Ungleichheit stünde dem entgegen, so Horx.
Horx findet, dass viele Veränderungen in deutschen Schulen im Konkreten stattfinden – weniger im System. Ein guter Schulleiter könne eine Schule zur Blüte führen, ein guter Lehrer könne Tolles bewirken, auch im alten System. „Es geht schon voran. Die Zukunft ist vor allem eine Frage atmender Geduld.“ nin
