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Richter weist Klage gegen Lehrer wegen angeblichen Angriffs zurück – und ist empört, was Pädagogen sich alles bieten lassen müssen

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HEILBRONN. Das Landgericht in Heilbronn hat die Klage einer ehemaligen Schülerin zurückgewiesen, die ihren Lehrer angezeigt hatte. Der Vorwurf, mit dem die junge Frau zum Anwalt gegangen war: Der Pädagoge soll sie während des Unterrichts körperlich angegriffen und ihre Ehre verletzt haben. Während der Verhandlung platzte dem Richter der Kragen, wie die „Heilbronner Stimme“ berichtet – er hielt ein Plädoyer für den Berufsstand Lehrer. Nach dem Freispruch eines Pädagogen im Düsseldorfer Berufungsprozess um eine angebliche Freiheitsberaubung – der Fall machte bundesweit Schlagzeilen – ist dies in diesem Jahr bereits das zweite lehrerfreundliche Urteil mit großer Bedeutung für die schulische Praxis.

„Was muss ein Lehrer alles hinnehmen, ohne Gefahr zu laufen, angezeigt zu werden?“, fragte der Richter. Foto: Michael Grabscheit / pixelio.de

4.000 Euro – so viel Schmerzensgeld hat die mittlerweile 20-Jährige von ihrem ehemaligen Lehrer beziehungsweise dem Land Baden-Württemberg als dessen Arbeitgeber verlangt. Sie warf laut „Heilbronner Stimme“ dem Pädagogen „ehrverletzende Handlungen, einen körperlichen Übergriff sowie einen zu Unrecht erklärten Unterrichtsausschluss“ vor. Die Geschichte hat sich bereits im November 2013 zugetragen. Damals war die Frau Schülerin der 10. Klasse einer Neckarsulmer Schule.

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Ihre Schilderung vor Gericht, wie sie die Zeitung wiedergibt: Im Mathematikunterricht habe sie damals ihre Jacke anbehalten, weil sie krank gewesen sei und gefroren habe. Der Lehrer habe verlangt, dass sie die Jacke ausziehe. Das habe sie abgelehnt. Daraufhin habe der Lehrer sie brutal am Arm gepackt und aus dem Klassenzimmer herausgezogen. „Ich habe geweint, hatte danach Schmerzen“, so zitiert die Zeitung die Anklägerin. Außerdem habe der Lehrer gesagt, dass sie von der Schule fliege. Die Eltern hätten sie dann tatsächlich von der Schule abgemeldet.

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Mitschüler erinnerten sich – zum Glück

Gut für den Lehrer, dass sich Mitschüler an den Fall erinnerten – und die Geschichte vor Gericht ganz anders erzählten. Danach hatte der Pädagoge der Schülerin erklärt, wenn sie krank sei, solle sie nach Hause gehen – auch, um andere nicht anzustecken. Warum sie das nicht einfach getan habe, wollte der Richter nun von der jungen Frau wissen. „Es war das Abschlussjahr und eine Mathearbeit stand bevor“, antwortete sie. Dass sie dem Lehrer dann einen Vogel gezeigt hatte, daran mochte sie sich nun nicht mehr erinnern. Ihre Mitschüler schon. Anschließend sei sie provozierend langsam von ihrem Platz aufgestanden und in Richtung Tür gegangen, woraufhin der Lehrer die damals 17-Jährige sanft untergehakt und hinausgeschoben habe, berichteten die Zeugen. Eine Verletzung sei ausgeschlossen.

Für den Richter war der Fall damit klar: Er wies die Klage ab; die ehemalige Schülerin muss die Kosten des Verfahrens tragen. „Was muss ein Lehrer alles hinnehmen, ohne Gefahr zu laufen, angezeigt zu werden?“, fragte der Richter dem Zeitungsbericht zufolge in der Urteilsbegründung. Angesichts solcher Fälle sei es nicht verwunderlich, dass es immer schwerer werde, junge Menschen für den Lehrerberuf zu begeistern und viele ältere Pädagogen unter Burn-out litten.

Auch im Düsseldorfer Berufungsverfahren um die angebliche Freiheitsberaubung durch einen Musiklehrer im Februar konnte sich der Richter eine Sympathiebekundung für Lehrkräfte nicht verkneifen: „Es ist doch fraglich, ob es Sinn macht, so etwas zu verfolgen“, sagte er mit Blick auf die Staatsanwaltschaft (die das Verfahren nicht hatte vorzeitig einstellen wollen). Seinerzeit ging es um den Vorwurf der Freiheitsberaubung, den der Pädagoge auf sich gezogen hatte, weil er Schüler einer sechsten Klasse dazu gedrängt hatte, nach dem Pausengong vor Verlassen des Klassenraumes eine Stillarbeit fertigzustellen – und sich zur Untermauerung vor die Klassentür gesetzt hatte.

Lehrer wegen Freiheitsberaubung verurteilt: Das Fatale an diesem Urteil ist die Signalwirkung

Der endgültige Freispruch (nach einer Verurteilung in erster Instanz) sorgte deutschlandweit für große Erleichterung unter Lehrervertretern. „Das wäre für alle Lehrer ein Super-Gau geworden“, wenn der Kollege tatsächlich verurteilt worden wäre, erklärte seinerzeit die Vorsitzende des Verbandes Lehrer NRW, Brigitte Balbach. Der Kommentar würde zum aktuellen Fall ebenfalls passen. bibo/Agentur für Bildungsjournalismus

Freispruch für Musiklehrer im Skandal-Prozess rechtskräftig – “keine Freiheitsberaubung”

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