KIEL. Schlechte Motorik, miese Klaue: Schleswig-Holsteins Schüler haben zunehmend Probleme mit dem Erlernen der Schreibschrift, sagt die neue Bildungsministerin Prien. Darauf will die CDU-Politikerin reagieren – und wieder die verbundene Schreibschrift einführen. Aber löst das die Probleme wirklich?
Die Schreibschrift bleibt auch in Zeiten von SMS, Chatprogrammen und Videobotschaften wichtig. Die schleswig-holsteinische Landesregierung wolle deshalb die gebundene Schreibschrift an den Grundschulen schnell wieder einführen, sagte die neue Bildungsministerin Karin Prien (CDU) auf Anfrage. «Denn die Kinder haben zunehmend Schwierigkeiten, die Schreibschrift zu erlernen.» Immer mehr Kinder kämen mit unzureichenden motorischen Fähigkeiten in die Schule. Tatsächlich lernen mmer mehr Schüler in Deutschland keine Schreibschrift mehr. Stattdessen wird ihnen eine neue Grundschrift beigebracht, die der Druckschrift ähnelt.
«Die neue Landesregierung will deshalb den Fokus auf die Grundschulen richten», sagte Prien. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: «Grundschülerinnen und -schüler werden zukünftig wieder verpflichtend eine verbundene Schreibschrift erlernen. Richtig zu schreiben, werden wir an den Grundschulen wieder von Anfang an vermitteln.» Nach Ministeriumsangaben gibt es aber keine Überlegungen, dafür auch eine Note zu vergeben.
Sie werde sich die Lehrpläne für die Grundschulen noch einmal ansehen, sagte Prien. «Denn jeder Schüler sollte die Chance erhalten, die Schreibschrift zu lernen.» Ab wann genau die Schreibschrift an den Schulen wieder verpflichtend wird, sei aber noch unklar. «Denn wir wollen das mit Sorgfalt angehen.» Mehr Lehrerstellen brauche das Land dafür nicht, nur überarbeitete Lehrpläne.
Philologen dafür, GEW skeptisch
Schleswig-Holsteins Philologenverband begrüßt die Pläne. «Eine gute Schreibschrift ist eine Voraussetzung auch für intellektuelles Lernen in allen Bereichen», sagte der Landesvorsitzende Helmut Siegmon. Lehrer stellten auch an den weiterführenden Schulen fest, dass viele Kinder zunehmend Defizite in der Feinmotorik hätten. «Einige Kinder können gar nicht flüssig schreiben, womit auch oft Einschränkungen in der Gedankenführung verbunden sind.» Nicht zuletzt auch für die Mathematik sei ein gutes Schriftbild förderlich.
Zurückhaltender äußerte sich die GEW. «Insgesamt ist zweifelhaft, ob eine Schreibschrift, insbesondere für alle Kinder, sinnvoll und umsetzbar ist», sagte deren stellvertretende Landesvorsitzende Birgit Mills. «Da die Zeit im Grundschulunterricht für alle Lerninhalte bereits jetzt knapp ist, muss unseres Erachtens dafür dann Unterrichtszeit her, das bedeutet dann auch mehr Lehrkräftestellen.» Die Gewerkschaft werde sich geplante Erlasse, Lehrplanänderungen ansehen. «Klar ist, dass das nicht mal eben so oben drauf passieren kann.»
Nach Umfrage unter Lehrern entbrennt bundesweite Debatte um das Handschreiben
Die Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland sehen tatsächlich immer häufiger, dass Schülerinnen und Schüler Probleme mit dem Handschreiben haben. Dies geht aus einer Umfrage hervor, die der Deutsche Lehrerverband (DL) vor zwei Jahren gemeinsam mit dem Schreibmotorik Institut, Heroldsberg, durchgeführt hatte. Danach meinen vier Fünftel (79 Prozent) der an der Erhebung beteiligten Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden Schulen, die Handschrift ihrer Schülerinnen und Schüler habe sich im Schnitt verschlechtert.
Sogar 83 Prozent der befragten Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer gaben an, dass sich die Kompetenzen, die Schüler als Voraussetzung für die Entwicklung der Handschrift mitbringen, in den vergangenen Jahren verschlechtert haben. Nach Einschätzung der an der Umfrage beteiligten Lehrkräfte haben die Hälfte der Jungen (51 Prozent) und ein Drittel der Mädchen (31 Prozent) Probleme mit der Handschrift.
Internationales Symposium: Probleme beim Handschreiben sind nicht auf Deutschland beschränkt
Immer mehr Schüler haben offenbar Probleme mit dem Handschreiben. Ob allerdings die gelehrte Schrift dafür ursächlich ist – oder motorische Schwächen schon verstärkt im Kindergartenalter auftreten -, erscheint zumindest fraglich. Dass die Schwierigkeiten mit dem Schreiben auch in anderen Staaten zu beobachten, sind (wie unlängst ein wissenschaftliches Symposium ergab), deutet eher auf ein grundsätzlichere Entwicklung hin.
Der Schreibmotorikforscher Dr. Christian Marquardt, wissenschaftlicher Beirat des Schreibmotorik Instituts, erläuterte mit Blick auf die Ergebnisse der Umfrage seinerzeit: „Wir sehen vermehrt Probleme bei den motorischen Grundkompetenzen der Kinder. Aber auch Probleme, wenn es später darum geht, schneller und flüssiger zu schreiben. Schreibenlernen ist in erster Linie Bewegungslernen, und hier brauchen viele Kinder mehr Unterstützung.“ Und er erläuterte: „die Studien und wissenschaftlichen Erkenntnisse des Schreibmotorik Instituts weisen darauf hin, dass Kinder durch gutes Motoriktraining schneller und besser schreiben. Daher plädieren wir aus wissenschaftlicher Sicht dafür, gemeinsam mit der Pädagogik neue Methoden für den Schreibunterricht in Schulen zu entwickeln – zum Vorteil für Kinder und Lehrkräften.“ News4teachers / mit Material der dpa
„Die Tastatur ist ein großer Segen“? Von wegen – Lasst den Kindern bloß das Handschreiben!